Jack White scheint von innerer Unruhe getrieben zu sein. Dieser Eindruck beherrscht schon länger das Bild von ihm. White, im Juli 1975 unter dem Namen John Anthony Gillis zur Welt gekommen, wurde mit The White Stripes, für die er auch einige der frühen Artworks entwarf, weltbekannt. Deren Karriere ging von 1997 bis 2011. 2005 kam die Allstar-Band The Racounteurs hinzu und 2009 The Dead Weather, eine weitere Allstar-Band. Mit Ben Swank gründete er dann 2001 das Label Third Man Records, das regelmäßig exklusive Vinyle bekannter Künstler veröffentlicht – teils im nicht ganz preiswerten Quartals-Abomodell („Third Man Records Vault“-Serie genannt), teils über den eigenen Webshop. Mittlerweile hat das Label, das über ein eigenes Presswerk, ein Masteringstudio und ein Fotolabor verfügt, Dependancen in Nashville, Detroit und seit September 2021 auch in London. White ist aber nicht nur Ton- und Grafikdesigner, er ist auch Möbeldesigner und hat die Homepage jackwhiteartanddesign.com gestartet. Und obendrein kündigte er für das laufende Jahr zwei konzeptionell verschiedene Soloalben an. Wie schafft er das alles nur?
Das erste Soloalbum in diesem Jahr trägt den Titel „Fear Of The Dawn“ und bildet die Rastlosigkeit und den Ideenreichtum Whites perfekt wieder. Wie ein Wirbelwind agiert der 46-Jährige in den zwölf Stücken, die er im letzten Jahr aufgenommen hat. Es ist wohl sein experimentierfreudigstes Werk. In „Into The Twilight“ begibt er sich in die Nähe eines anderen musikalischen Genies: Prince. Ein abgehackter Schlagzeug-Beat, Rhythmuswechsel, Samples – er versucht eigentlich alles, den Hörer aus dem Konzept zu bringen. Ähnlich geht es einem mit „Eosophobia (Reprise)“; hier zeigt White, was er auf der Gitarre alles kann und hext über die Saiten. Das Ergebnis: Etwas zu viel Ego und zu wenig Song. Besser zu goutieren sind der Titelsong sowie die Singles „Taking Me Back“ und „What’s The Trick“, die eher die Erwartungen der White (Stripes)-Fans erfüllen dürften. Doch es geht nicht ohne Experimente: Für die Hymne „Hi-De-Ho“ bestellte er den früheren A Tribe Called Quest-Rapper Q-Tip mit seiner unvergleichlich nasalen Stimme ins Studio. Toll auch „That Was Then (This Is Now)“, der 70s-Rocker „Morning, Noon, And Night“ und der Abschluss „Shedding My Velvet“, der an eine Früh-Neunziger-Kreuzung aus den Red Hot Chili Peppers und insbesondere Faith No More erinnert. Wie wohl die Songs des nächsten Albums „Entering Heaven Alive“ klingen werden?
Anspieltipps: „Taking Me Back“, „Hi-De-Ho“, „Morning, Noon, And Night“
Punkte: 7 von 10 Punkten
Er ist ja gelernter Polsterer und hatte noch Couchstoff übrig für ein Sakko.