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DepressionWenn die Seele Hilfe braucht: Richtig handeln im Notfall

Depression / Wenn die Seele Hilfe braucht: Richtig handeln im Notfall
Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen und sich in den eigenen Sorgen verlieren: Wie bei Verkehrsunfällen gibt es auch bei seelischen Belastungen jetzt das Konzept der „Ersten Hilfe“ auch in Luxemburg, das im Notfall Unterstützung bietet. Illustration: Editpress-Archiv/Isabella Finzi

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Seit langem waren die Zeiten nicht so schwer wie jetzt: Covid-Pandemie, der Krieg in der Ukraine mit allen Verwerfungen in Gesellschaft und Politik, wachsende Verunsicherung und Vereinsamung – die Menschen sind zutiefst belastet, viele zeigen Anzeichen einer Depression oder sind bereits ernsthaft erkrankt. Doch wie bei Verkehrsunfällen kann man auch bei psychischen Belastungen „Erste Hilfe“ empfangen oder leisten. Wo und wie, dieser Frage ging unsere Korrespondentin Elke Bunge nach.

Meine älteste und eigentlich beste Freundin T. hat sich schon lange Zeit nicht mehr gemeldet. Seit ihrem letzten Umzug in eine andere Stadt herrscht quasi Funkstille. Höchste Zeit, sie einmal anzurufen. Am Telefon ist sie wortkarg, auf die Frage, wie es ihr in ihrem neuem Umfeld ginge, meinte sie: „So lala.“ Von ihrer sonst lebhaften und sprudelnden Art ist wenig übrig, ihre Stimme fast tonlos. Muss ich mir Sorgen machen? Ist sie nur in einem Stimmungstief oder hat sie gar eine Depression? Und wenn ja, wie könnte ich ihr helfen?

Im Alltag sind wir etlichen besonderen Ereignissen gegenüber gewappnet. So etwa bei einem Verkehrsunfall. Die Abläufe sind klar und strikt: Unfallstelle sichern, verletzte Personen bergen, Polizei und Rettungsdienste verständigen, stabile Seitenlage, eventuell beatmen oder sogar Herz-Druck-Massage, eine Decke gegen das Auskühlen holen.

Doch wie reagiert man auf einen akuten „psychischen Unfall“? Eine Frage, die sich gar nicht so selten stellt. Statistiken des Nachbarlandes Deutschland belegen, dass etwa 40 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben eine behandlungsbedürftige psychische Situation durchleben. Entsprechende Störungen und Erkrankungen sind weit verbreitet, sie begegnen uns im Familienkreis, bei Freunden, Arbeitskollegen, Nachbarn. Doch wie soll man sich in solchen Situationen verhalten, wie auf betroffene Personen zugehen? Kann man als „Laie“ ihnen helfen, und wenn ja, wo kann ich nötiges Wissen erwerben?

Eine starke Schulter zum Anlehnen bitten: Bei der „Mental Health First Aid“ (MHFA, Erste Hilfe bei psychischen Erkrankungen) lernen die Teilnehmer, Alarmsignale für psychischen Erkrankungen richtig zu deuten und entsprechend zu helfen 
Eine starke Schulter zum Anlehnen bitten: Bei der „Mental Health First Aid“ (MHFA, Erste Hilfe bei psychischen Erkrankungen) lernen die Teilnehmer, Alarmsignale für psychischen Erkrankungen richtig zu deuten und entsprechend zu helfen  Illustration: Editpress-Archiv/Isabella Finzi

Erste-Hilfe-Kurse für die Seele

Jede/r, die/der einen Führerschein erwerben will, muss hierfür einen Erste-Hilfe-Kurs ablegen. Dabei lernt man die erforderlichen Handgriffe und Reaktionen, die im Falle eines Verkehrsunfalls zu ergreifen sind. Wer seit längerem Fahrpraxis hat, kann in Auffrischungskursen seine Kenntnisse und Fähigkeiten auch erneuern und auf den aktuellen Stand bringen.

Australische Psychologen um den Gesundheitswissenschaftler Tony Jorm von der University of Melbourne und die Krankenpflegerin Betty Kitchener entwickelten die Idee, dass es auch für „seelische Unfälle“ eine Erste Hilfe geben müsse. Gemeinsam entwickelten sie das Konzept „Mental Health First Aid“ (MHFA, Erste Hilfe bei psychischen Erkrankungen). In speziellen Kursen werden hier sowohl Laien als auch Fachleute im Erkennen psychischer Erkrankungen sowie in Möglichkeiten, in einer ersten Intervention zu agieren, unterwiesen. Dabei werden als Basis eines Ersthelfer-Kurses Grundlagenwissen über psychische Störungen und ein Bewusstsein für ihre Erscheinungsformen vermittelt. Doch wie bei der klassischen Ersten Hilfe ist auch bei den MHFA-Kursen weder eine Diagnosestellung noch eine Therapie Ziel der Unterweisungen. Vielmehr sollen bei den Hilfeleistungen Schwellenängste abgebaut werden und der Zugang zu psychisch gestörten Menschen erleichtert werden.

Kurse auch in Luxemburg angeboten

Weltweit ist dieses Konzept mittlerweile in 25 Ländern anerkannt und angewandt. Die nationalen Gruppierungen, die das Erste-Hilfe-Konzept für psychisch erkrankte oder von seelischen Störungen betroffene Menschen unterstützen, tauschen sich regelmäßig aus. So weiß man, dass inzwischen über vier Millionen Menschen einen MHFA-Kurs besucht haben und als Ersthelfer tätig sind.

Auch bei uns in Luxemburg werden solche nützlichen Kurse angeboten. Ansprechpartner hier ist die „Ligue luxembourgeoise d’hygiène mentale“ („d’Ligue“ – luxemburgischer Bund für geistige Gesundheit). Hier zeichnet das Informations- und Präventionszentrum für mentale Gesundheit für die Ausrichtung der Erste-Hilfe-Kurse verantwortlich. „Teilnehmen an unseren Kursen kann jeder Bürger, der das 18. Lebensjahr abgeschlossen hat“, erklärt Melissa Da Silva vom Informations- und Präventivzentrum in Bartringen. Die an den Kursen Teilnehmenden lernen nicht nur ein Grundwissen über psychische Störungen und Krisen, sondern auch Techniken, Probleme rechtzeitig zu erkennen, sie wertfrei anzusprechen und mit Betroffenen Wege zu finden, die Probleme zu erkennen und eventuell professionelle Hilfe zu finden. „Denn häufig müssen Hilfeleistende selbst Barrieren überspringen, so etwa die Angst, etwas falsch zu machen“, meint Melissa Da Silva.

Die Kurse finden an vier Tagen in Einheiten zu je drei Stunden statt. In den Modulen lernen die Kursteilnehmer in Rollenspielen, mit psychischen Ausnahmezuständen umzugehen und zu intervenieren. Damit werden nicht nur die Ängste abgebaut, sondern auch Kenntnisse erworben, um jederzeit zu wissen, was zu tun ist. Für eine Teilnahme am Kurs ist eine Gebühr von 26 Euro zu entrichten. Coronabedingt fanden in der jüngsten Vergangenheit viele Unterweisungen online statt. Doch zunehmend sollen auch wieder Präsenzveranstaltungen geplant und durchgeführt werden. Leider, so das Informationszentrum, fehle es derzeit noch an einer ausreichenden Zahl geschulter Instruktoren, deswegen können nicht so viele Kurse wie gewünscht abgehalten werden. Zu den privaten Kursen werden jedoch auch Unterweisungen für Firmen (gegen eine Gebühr von 2.600 Euro) angeboten, bei denen Mitarbeiter für die psychische Prävention in den Betrieben ausgebildet werden können.

Ähnlich wie bei der klassischen Ersten Hilfe gilt: Wer einen Kurs besucht hat, weiß im Nachhinein besser, welche Interventionen bei psychischen Störungen nützlich und wo gute professionelle Ansprechpartner zu finden sind. Die Vision ist, dass Erste-Hilfe-Kurse für die Seele genauso selbstverständlich werden wie die für medizinische Notfälle.