Dieses Poem, das man sich im Internet anhören sollte, denn TJ Dema ist eine wunderbare Performerin, ist nicht in dem vorliegenden Band abgedruckt, da es bereits älter ist, und „Meuterin“ Übersetzungen von Gedichten aus der Publikation „The Careless Seamstress“ von 2019 versammelt. Aber das „Neon-Gedicht“ steht programmatisch auch für diese auf Deutsch publizierten Arbeiten der Botsuanerin.
TJ Dema kommt aus der Slam-Poetry-Szene. Ihre Sprache ist gleichmäßig rhythmisiert, dabei klar und deutlich, ohne auf eine Suche nach innovativer Bildlichkeit zu verzichten. Es sind oft Langverse, die in ihrem erzählerischen Duktus das Epos anklingen lassen, sich aber thematisch im Alltäglichen, in der alltäglichen Verwundung von Frauen verankern. Sie beschreiben eine Welt, in der der Ehevertrag für das weibliche Geschlecht sich folgendermaßen liest: „Schaffen im Schatten / und im Licht, dich begnügen / mit Sachen wie Atem und Brot.“ Durch einprägsame Szenen erschafft Dema eine Atmosphäre der emotionalen Einengung. Beispielsweise, wenn der Vater erst ein Gemälde der Töchter malt und das Bild anschließend verbrennt, um die Mutter zu provozieren. Auch die Beschreibung einer Fotografie auf der Kommode ist vielsagend: „Ich knapp außerhalb der Zeile Licht, die ein alter Fernseher in ein dunkles Zimmer schickt.“ Mehr braucht TJ Dema nicht, um uns über das Innenleben ihrer lyrischen Protagonistinnen zu informieren. Das ist sprachlich dicht, von einer berührenden Ästhetik und so eingängig wie ein Film. Auch dann, wenn die Autorin die griechisch-römische Mythologie mit ins Boot nimmt. In dem nach der Göttin für Heim und Herd benannten „Vesta“ geht es um eine Frau, die in einem Kochtopf lebt. Aber eben auch eines Tages von dort ausbricht, meutert. Denn diese Gedichte begnügen sich nicht damit, das Elend zu besingen, sie sind ein literarisch-ästhetischer Aufruf zur Stärke, zum Ausbruch, ohne je agitatorisch oder laut zu werden. Dema hat das Talent, die Schönheit ihrer Sprache so einzusetzen, dass Leserin und Leser sofort mittendrin stecken in der Ausweglosigkeit der beschworenen Mütter und Mädchen, den Abgrund fühlen, der sich Vers um Vers auftut. Aber larmoyant ist das nie, vielmehr von einer gnadenlosen Härte, präzise erdichtet, festgehalten, um es zu überwinden. Diese Lyrik ist Erinnerung an die eigene Mutter, genauso wie Sezierung patriarchalischer Familienstrukturen. Vor allem aber ist diese Lyrik richtig gut.
GuH
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