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Mobilität und UmweltLithium – Segen oder Fluch?

Mobilität und Umwelt / Lithium – Segen oder Fluch?
Zwei Prozessingenieure kontrollieren eine Lithium-Ionen Zelle. Diese Technologie wird in den Akkumulatoren von Elektrofahrzeugen eingesetzt. Foto: dpa/Christian Charisius

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Klimawandel und politische Krisen sorgen dafür, dass Mobilität mithilfe von Verbrennungsmotoren immer obsoleter wird. Die moderne Automobilität setzt zu großem Teil auf Elektroantriebe. Um dies zu gewährleisten, sind leistungsstarke Akkumulatoren Voraussetzung. Derzeit werden vor allem Lithium-Ionen-Akkus bevorzugt. Ob sie wirklich so umweltfreundlich sind, wie angepriesen, wollte unser Korrespondent Wolf H. Wagner wissen.

Zweifellos haben Elektroautomobile gegenüber solchen mit Verbrennungsmotoren – gleich ob Diesel oder Benzin – den großen Vorteil, im Betrieb keine umweltbelastenden Abgase zu produzieren. Städte werden es danken, die Luft ist sauberer und gesünder. Auch der Lärmpegel, den Tausende der Kraftfahrzeuge tagtäglich verursachen, nimmt deutlich ab.

Und im Zeitalter, da fossile Brennstoffe ihrem irdischen Ende entgegensehen und sich ihre Vorräte erschöpfen, ist eine Alternative zum Antrieb automobiler Fortbewegung dringend gesucht. Fahrzeughersteller werben mit der Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte.

Doch ebenso wenig wie Strom einfach nur aus der Steckdose kommt, kann man einen Akkumulator, mit dem das Auto der nahen Zukunft betrieben wird, einfach aus dem Regal nehmen – und fertig.

Um Elektromobile anzutreiben, werden heutzutage große Akkumulatoren als Energiequelle verbaut. Derzeit effektiv sind Lithium-Ionen-Akkus, die bei relativ geringer Ladezeit eine ansprechende Reichweite des Mobils erlauben. Je nach Fahrzeuggröße und -ausstattung haben diese Akkumulatoren eine Masse zwischen 200 und 700 Kilogramm. Etwa zehn Prozent dieses Gewichts machen die für die elektrolytischen Prozesse erforderlichen Lithiumverbindungen aus. Grundstoff hierfür ist Lithiumcarbonat, das entweder aus Solen oder im Bergbau gewonnen wird.

Blick auf die kristallisierte Oberfläche des Uyuni-Salzsees in Bolivien, der die weltweit größten Lithiumreserven birgt
Blick auf die kristallisierte Oberfläche des Uyuni-Salzsees in Bolivien, der die weltweit größten Lithiumreserven birgt Foto: Reuters-Archiv

Wertvolle Salzseen in Südamerika

Im Länderdreieck Argentinien-Bolivien-Chile finden sich die mit dem begehrten Lithium angereicherten Salzseen (Salaren). Die bislang größten bekannten Vorkommen liegen in der Atacama-Wüste. Aus der Tiefe wird das Salzwasser an die Oberfläche gepumpt, allein in der Salar de Atacama sind Becken mit einem Ausmaß von 45 km² (das entspricht fast der Größe von Luxemburg-Stadt) eingerichtet, in dem das mit dem wertvollen Rohstoff angereicherte Salzwasser zum Trocknen an der Luft aufbewahrt wird. Nach etwa sechs Monaten wird eine dickflüssige Sole mit Tanklastern in Fabriken transportiert, wo das für die Akkus benötigte Lithiumcarbonat durch Reinigen und Trocknen gewonnen wird. Um eine Tonne Lithiumcarbonat zu gewinnen, werden etwa 1.000 Kubikmeter Solewasser hochgepumpt. Die Folge ist jedoch, dass einerseits mit dem Hochpumpen des Solewassers aus der Umgebung Grundwasser nachgezogen wird, das dann den dort lebenden Menschen, Tieren und Pflanzen nicht mehr zur Verfügung steht. Andererseits wird das salzhaltige Wasser wieder in den Kreislauf zurückgeführt und belastet das Grundwasser. Viele Landwirte in der Region mussten bereits aufgeben und ihre Wohnorte verlassen. Seltene Tierarten, die bislang an den Ufern der Atacama-Lagunen lebten, sind vom Aussterben bedroht.

Und eine Tonne Lithiumcarbonat entspricht dem Bedarf von etwa 50 Elektroautos (oder 20 Luxuslimousinen vom Typ Tesla S5). Laut Luxemburger Verkehrsministerium ist bis 2030 geplant, 260.000 neue Elektromobile zuzulassen – dies entspräche einem durchschnittlichen Bedarf von 13.000 Tonnen Lithiumcarbonat oder einem Äquivalent von 13 Millionen Kubikmetern Solewasser – einer Wassermenge, die einem Viertel des Obersauer-Stausees entspricht. Es fragt sich schon, ob eine solche Umweltbelastung dem Norden Chiles und der angrenzenden Regionen zumutbar ist. 

Bergbau nicht unproblematisch

Alternativ zur Ausbeutung der Salaren kann das begehrte Lithium im Bergbau gewonnen werden. Führend ist hierbei Australien. Gegenüber der Lithiumgewinnung aus den Salaren schlägt beim Bergbau positiv der geringe Flächenverbrauch zu Buche. Hingegen muss bei der relativ geringen Erzausbeute die große Menge von Abraum beachtet werden. Hier rechnet man auf eine Tonne lithiumhaltiges Erz zwischen drei und zehn Tonnen Abraum (taubes Gestein und andere Erze), der auf Halden deponiert werden muss. Der weitere Prozess zur Lithiumcarbonat-Gewinnung ist technologisch aufwendig: Das geförderte Erz muss bei Temperaturen bis 1.100 Grad Celsius „kalziniert“ – das heißt: mit Hitze aufgebrochen – und anschließend gemahlen werden. Das hieraus entstehende Gemisch wird zunächst mit Schwefelsäure vermengt und anschließend in einem weiteren Schritt gelaugt. Die so entstandene Masse wird erneut auf 100 Grad erhitzt, gewaschen, gefiltert und getrocknet, bis man schließlich das gewünschte Produkt, das Lithiumcarbonat, erhält.

Bedenkt man den gesamten technologischen Ablauf, so stellt sich schon die Frage nach dem ökologischen Footprint der Lithiumcarbonatproduktion. Bislang gibt es keine genauen Statistiken über die Umweltbelastung der Herstellung von E-Automobilen. Allgemein rechnet man damit, dass zum Beispiel der CO2-Ausstoß ihrer Produktion derzeit noch um ein Fünftel höher ist als der eines Verbrennungsautos. Erst in der folgenden Betriebsphase zeigt sich der ökologische Vorteil bei vermiedenem Schadstoffausstoß und verminderter Lärmbelästigung.

Doch rechnet man die benötigte Energie der Erzförderung im Tagebau, der Kalzinierung sowie der weiteren Prozessschritte ein, so ist deren Bilanz nicht unbedenklich. Zudem ist zu beachten, dass für eine Fördermenge von fünf Millionen Tonnen lithiumhaltigen Erzes ein Wasserbedarf von 500.000 Kubikmetern erforderlich ist. Eine Wassermenge, die in den feuchteren Gebieten Australiens die Landwirtschaft belastet. In den zwar dünn besiedelten ariden Gebieten des Kontinents muss das erforderliche Wasser aus fossilen Grundschichten herauf gepumpt werden.

Ohne Kobalt geht bislang wenig

Ein weiterer wichtiger Bestandteil heutiger Lithiumionenakkumulatoren ist Kobalt. Trotz modernster Technologien benötigt man heute zwischen acht und 13 Kilogramm reinstes Kobalt für die Kathode eines solchen Akkus.

Problematisch ist dabei das Schürfen des entsprechenden Erzes. Die weltgrößten Kobaltvorkommen findet man zurzeit in der Demokratischen Republik Kongo. Das Land zählt nicht nur zu den ärmsten des afrikanischen Kontinents, sondern ist auch von dauernden politischen Unruhen erschüttert.

Im südkongolesischen Kolwezi finden sich die reichhaltigen Fundstellen. Ausländische, vor allem chinesische Konzerne bauen hier im Tagebau das begehrte Kobalterz ab. 70.000 US-Dollar kostet derzeit eine Tonne des Erzes auf dem Markt. Geld, das auch europäische Automobilbauer zahlen. Bei der Bevölkerung vor Ort kommt davon jedoch nichts an. In Kolwezi leben aktuell etwa 500.000 Menschen. Die wenigsten von ihnen haben sauberes Trinkwasser, es gibt weder Kanalisation noch eine Müllentsorgung.

Auch die Einheimischen suchen nach Kobalt. In engen Schächten graben sie sich ohne Sicherheitsvorkehrungen in die Erde, um säckeweise das Erz zu fördern. In Bächen und Rinnsalen waschen Frauen und Kinder die geförderte Masse, um das ausgesiebte Erz dann an ebenfalls chinesisch kontrollierten Auffangstellen für wenig Geld zu veräußern. Gewinne können die afrikanischen Familien damit nicht erzielen, es reicht knapp für den Lebensunterhalt.

Auch diese Faktoren sind einzuberechnen, will man den sogenannten Footprint der Elektromobilität ermitteln.

Alternativen unausweichlich

International sind die Weichen weg vom Verbrennungsmotor, von Diesel und Benzin, gestellt. Die Elektromobilität wird derzeit als die zukunftsträchtige Lösung empfunden. Doch ist sie es wirklich? Zwar scheinen die Lithium- und Kobaltvorräte derzeit noch unerschöpflich, doch solche Annahmen pflegte man auch zu Beginn der Verbrenner. Denn die geologischen Untersuchungen geben heute schon die im Boden schlummernden Vorräte an – und eines ist sicher: so reichhaltig sie sind, sie sind nicht unerschöpflich.

Die Suche nach Alternativen wird unausweichlich bleiben. Eine davon ist, die Energieausbeute der Akkumulatoren zu erhöhen. Dies könnte zum Beispiel mit Lithium-Sauerstoff-Akkus erreicht werden, aktuelle Forschungen auf dem Gebiet lassen Hoffnungen erwachen.

Eine andere Suche geht in Richtung Wasserstoffbrennstoffzellen. Wasserstoff könnte ein wichtiger Faktor der Energiewende sein. Er kann sowohl mit Solar- als auch mit Windenergie hergestellt werden. In Brennstoffzellen ist er ein klimaneutraler Treibstoff für Autos und LKWs. Allerdings sind bisherige Speicher sehr raumfüllend und wenig praktikabel. An einer Lösung arbeitet jedoch das Helmholtz-Zentrum Hereon für Polymerforschung: In sogenannten Metallhydridspeichern könnte der Wasserstoff gelagert werden. Dank großer Oberfläche dieses feinstgemahlenen Metallpulvers kann so Raum gespart werden. Eine Idee ist, die Metyllhydridspeicher mit Polymeren zu ummanteln, um unerwünschte Bindungen – so von Sauerstoff – zu verhindern. Sollten Forschungen, wie die an den Brennstoffzellen, erfolgreich und effektiv verlaufen, könnten auch Antriebe, die ihre Energie aus Akkumulatoren beziehen, nur eine vorübergehende Entwicklungsphase in der Geschichte sein. Natur und Umwelt käme dies garantiert zugute.

Romain
18. April 2022 - 16.33

Bitte einmal vortragen wie Lithium gewonnen wird