Der Druck wurde zu groß – nach zahlreichen Boykott-Drohungen ist auch das Internationale Paralympische Komitee (IPC) eingeknickt: Die russischen und belarussischen Athleten dürfen nicht bei den Paralympics in Peking starten. Keine 20 Stunden nach der mehr als umstrittenen Zulassung machte das IPC eine in dieser Tragweite wohl einzigartige Rolle rückwärts, allerdings ohne dabei eine eigene Fehlentscheidung einzuräumen – es sei schlicht keine andere Wahl geblieben.
„Es war eine hohe Anzahl von Athleten, NPCs und Teams, die angekündigt haben, nicht gegen Russland anzutreten“, sagte IPC-Präsident Andrew Parsons. Dadurch sei die Durchführung der Spiele „gefährdet“ und eine Kehrtwende unabdingbar gewesen. Als nahezu einziger großer Sportverband wollte das IPC gemäß Beschluss vom Mittwoch die Russen und Belarussen trotz des Angriffskriegs ihrer Heimatländer gegen die Ukraine als neutrale Athleten unter paralympischer Flagge weiter antreten lassen – es folgte ein Sturm der Entrüstung von vielen Seiten.
„Ich denke nicht, dass wir die Situation unterschätzt haben“, sagte Parsons. Es sei darum gegangen, „die Prinzipien und Werte dieser Organisation zu wahren und Krieg aus diesen Spielen rauszuhalten“. Doch die nun eskalierende Situation habe das IPC „in eine einzigartige und unmögliche Lage gebracht“. In den Dörfern habe es „große Bedenken wegen der Sicherheit“ gegeben. Man habe „keine Hinweise zu Aggressionen in den Paralympischen Dörfern bekommen“, führte Parsons aus. Aber man wolle „diese ausschließen. Die Dörfer sind keine Plätze für Kämpfe.“
„Reiner Selbstschutz“
Es sei deshalb „die richtige“ Entscheidung, auch wenn „niemand damit glücklich ist“, so Parsons. Athleten Deutschland bemängelte, dass das IPC „diese Entscheidung aus reinem Selbstschutz und nicht als Antwort auf die russischen Aggression und den Bruch des Olympischen Friedens getroffen“ habe. DBS-Athletensprecherin Mareike Miller schrieb bei Twitter, dass sie sich „schäme, weil es nicht so klingt als wäre das IPC nun zumindest von dieser Entscheidung überzeugt“.
Noch am Donnerstagmorgen waren unter anderem drei russische Athleten beim Abfahrtstraining der Alpinen dabei, verweigerten anschließend aber jegliche Interviews. Wenige Stunden später folgte dann für alle 83 Sportlerinnen und Sportler der Bann. Parsons entschuldigte sich bei den Betroffenen. „Sie sind Opfer der Handlungen ihrer Regierungen“, sagte der 45-Jährige.
Das Russische Paralympische Komitee kündigte bereits einen Einspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS an. Mit Bedenken über die juristische Standhaftigkeit eines Ausschlusses hatte das IPC am Mittwoch unter anderem den zunächst verweigerten Bann begründet. Das war nach der enormen Drohkulisse besorgter Verbände dann aber auch egal. „Es ist besser, jetzt zu handeln als zu warten, bis etwas passiert. Es ist seit letzter Nacht viel passiert“, betonte Parsons. (SID)
83 Sportler und Sportlerinnen betroffen
Das Russische Paralympische Komitee (RPC) prüft nach dem Ausschluss seiner Athleten und Athletinnen von den Winterspielen in Peking juristische Mittel. Der vom Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) auferlegte Bann sei „unbegründet“ und widerspreche dem „unpolitischen Charakter des Behindertensports“, heißt es in einem Statement des RPC. Die Athleten würden als „Straftäter“ im politischen Konflikt dargestellt.
Man stufe die Entscheidung als „illegal“ ein und prüfe deshalb juristische Schritte bis hin zum Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS. Betroffen vom Komplettausschluss sind 83 Sportlern und Sportlerinnen. (SID)
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