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EditorialAuch im Informationskrieg sollten Demokraten die Finger aus der Autokraten-Trickkiste lassen

Editorial / Auch im Informationskrieg sollten Demokraten die Finger aus der Autokraten-Trickkiste lassen
Eingefrorenes Putin-Poster im Donbass: Die Ukraine-Krise ist längst auch ein Krieg der Bilder Foto: AFP/Anatolii Stepanov

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Wann haben Sie zuletzt etwas Positives über Russland oder China gehört, gesehen oder gelesen? Das kommt wahrscheinlich nicht oft vor und damit geht es Ihnen wie den allermeisten Russen und Chinesen, deren Medien Europa und die USA fast ausschließlich in einem möglichst schlechten Licht darstellen.

Wir fürchten uns im Moment davor, dass Russland die Ukraine angreifen und sich daraus im schlimmsten Fall ein Weltkrieg entzünden könnte. Der Informationskrieg aber dauert schon lange an – gerade läuft er auf Hochtouren.

Vergangene Woche haben sich Russland und China die Hand darauf gegeben, gemeinsam gegen die USA vorzugehen. Die Präsidenten des größten beziehungsweise des bevölkerungsreichsten Staates der Welt nannten ihre gemeinsame Erklärung „No Limits“, ohne Grenzen. Keine Frage: Wladimir Putin und Xi Jinping machen Ernst.

Das setzt vor allem die USA unter Druck – und zeigt sich auch im Ukraine-Konflikt. Washington schickt die schärfsten Warnungen nach Moskau und entwirft die drastischsten Drohszenarien. Zusammen mit Großbritannien haben die USA mehrmals vor einer unmittelbar bevorstehenden Invasion gewarnt, einen von Moskau geplanten Regimewechsel in Kiew ins Spiel gebracht und von einem Fake-Video erzählt, das im Auftrag des Kreml einen ukrainischen Angriff auf den von prorussischen Separatisten besetzten Donbass inszenieren soll. Noch am Freitagabend warnte Biden seine Verbündeten vor der „sehr, sehr ernsten“ Lage. Eine russische Invasion der Ukraine sei jetzt jederzeit möglich und die USA gingen davon aus, dass Putin sich bereits für einen Angriff entschieden hätte.

Moskau behauptet weiterhin, überhaupt nicht an einen Angriff auf die Ukraine zu denken – und je länger es nicht dazu kommt, desto stärker laufen die USA Gefahr, als unglaubwürdig dazustehen. Dass sie Saddam Hussein einst Massenvernichtungswaffen andichteten, hängt Amerikanern und Briten bis heute nach.

Russland wiederum, das machte Außenminister Sergej Lawrow vergangene Woche wieder deutlich, wird nicht müde, alle Ukrainer als Neonazis zu bezeichnen und Kiew eine Propagandapolitik wie im Dritten Reich zu unterstellen. Für westliche Ohren klingt das alles absurd und fast schon karikaturesk übertrieben – in Russland ist es das gängige Framing.

Lügen sich also alle die Welt so zurecht, wie sie sie gerade brauchen, und ist niemandem mehr zu trauen? Nein. Aber wenn möglichst wenige Menschen solche Fragen mit einem Ja beantworten sollen, muss der Westen seinen eigenen Werten treu bleiben. Zwischen den Fronten, die sich jetzt verfestigen, bleibt ein bedeutender Unterschied bestehen: Auf der einen Seite stehen Demokraten, auf der anderen Autokraten. Wenn Autokraten gezielt Falschinformation streuen, dreht ihnen daraus niemand einen Strick, den Verlust von Wählervertrauen müssen sie nicht befürchten.

In den USA und in Europa ist das anders. Wer lügt, und das gilt umso mehr in Krisenzeiten, setzt das in ihn gesetzte Vertrauen und damit die politische Stabilität aufs Spiel. Für die Propagandamaschinen in Moskau und in Peking, die selber bestimmen wollen, was „wahre Demokratien“ sind, wäre das ein gefundenes Fressen. Demokraten, die in die Trickkiste von Autokraten greifen, schwächen sich selbst.