Volterra, das etruskische Velathri, war einst eine blühende Stadt einer Zivilisation jenseits der römischen Expansionsgelüste. Die Etrusker waren ein friedliebendes Bauern- und Handwerkervolk mit hohen künstlerischen Fähigkeiten. Dass man dies heute weiß, ist den vielen Artefakten zu verdanken, die man rings um Volterra fand und die heute im städtischen Museum Guarnacci ausgestellt sind. Auf zahlreichen Graburnen, Reliefs, Bronzen, bemalten Amphoren und Kelchen sind Musikinstrumente und Gegenstände des täglichen Gebrauchs zu sehen. Szenen, die uns heute Lebenden nur einen kleinen Ausschnitt von dem geben können, wie die Menschen hier – oder in den anderen Wohnsiedlungen der Etrusker wie Gubbio, Arezzo oder Orvieto – lebten.
Ein Freund aus Arezzo, Egidio Forasassi, machte mich auf die kulturell hochstehende Geschichte der Etrusker aufmerksam. Gemeinsam mit Walter Maioli von der Gruppe Synaulia zelebrieren sie etruskische Kultur und Musik.
Es reicht, Egidio anzuschauen, um zu merken, dass dazu auch Ess- und Weinkultur zählt. Bereits vor der Zeit, als er sich mit Synaulia auf die Spurensuche etruskischer Kultur begab, hatte er – als ausgesprochener Gourmet – im Umfeld unseres Wohnorts nach kulinarischen Köstlichkeiten und guten Weinen Ausschau gehalten. Zwei Grundprinzipien leiteten ihn dabei: Die Produkte mussten aus biologischem Anbau, die Weine sollten gut, aber nicht überteuert sein.
Reisen in die Zeit
So unternahmen wir von Zeit zu Zeit Reisen zu verschiedenen Weinbauern oder solchen Viehzüchtern, die sich Rindersorten widmeten, wie sie auch schon vor 3.000 Jahren in der Region existiert haben mochten. Auf einem dieser Ausflüge besuchten wir Matteo Capitini, einen Töpfer in Castiglion Fiorentino. Töpfer sind in dieser Gegend nichts Besonderes, überall werden Vasen, Amphoren oder große Gartenschalen aus dem rotgebrannten Ton hergestellt, sie schmücken die Gärten der toskanischen und umbrischen Villen ebenso wie Plätze in den Städten oder Vorgärten der Weingüter. Doch Matteo stellte darüber hinaus Spezielles her: Er hatte die Museen der Region besucht und die Gelegenheit, etruskische Tongefäße zu begutachten.
Nun produzierte er tönerne Trinkgefäße aus den Erden, die jedoch eine Feinheit und einen Klang wie Kristall aufwiesen. Egidio war begeistert und erstand etliche dieser Trinkschalen. Schon zum nächsten Abendessen tranken wir unseren Wein aus diesen Schalen. Und Egidio entwickelte seinen Traum: Historische Abendmahle im etruskischen Stil, begleitet von einem Musikensemble, das auf nachgebauten Instrumenten Musik intonierte, die zu Zeiten der Etrusker hätte erklingen können. Walter Maioli war dafür der Experte. Der Musikwissenschaftler und Gründer der Gruppe Synaulia experimentierte schon geraume Zeit mit historischen Klängen. Gemeinsam setzten sie nun die Ideen Egidios in die Tat um. Und so hat sich das „Etruskische Festmahl“ zu einem wirklichen Geheimtipp entwickelt.
Speisen und Genießen wie die Etrusker
Um herauszufinden, was und wie die Menschen vor fast drei Jahrtausenden in der Mitte der Apenninhalbinsel aßen, muss man Archäologen befragen und Artefakte der Museen studieren. Fast überall auf dem Gebiet der heutigen Toskana und Umbriens konnte man gut erhaltene etruskische Gräber finden. In Tongefäßen waren sowohl Getreide als auch verschiedene Nuss- und Kastaniensorten zu finden. Hinweise, aus denen sich „Rezepte“ rekonstruieren ließen. Einige Weinbauern der Region beschäftigen sich aus Leidenschaft mit dem Keltern von Weinen in historischen Tongefäßen. Diese Idee verfolgt das Bioweingut vom Miriam Tarazona. Hier keltert Önologe Guido Fatuchi in hohen Tonkrügen einen neuen „alten“ Wein: Rasenna. Gefäße und Methoden zur Weingewinnung hatte Fatuchi zusammen mit dem römischen Archäologen Professor Maurizio Pellegrini erarbeitet. Der Plan des Guts: Ähnlich wie die Unesco 2013 den georgischen Wein Qvevri als Weltkulturerbe anerkannte, soll auch der Rasenna in die Liste kultureller Höhepunkte aufgenommen werden.
Ein etruskisches Abendessen krönt er schon heute.
Dazu werden als Vorspeise „etruskische Eier“ gereicht: Gekochte Eier werden in einer Salsa aus nativem Olivenöl, passierten Anchovis, Kräutern und Gewürzen, Salz und Pfeffer dargeboten. Dazu gibt es Pan Ghiotto: Crostini aus Graupen/Cerealienmehl, belegt mit im Mörser zerstoßenen Walnüssen und Taggiasca-Oliven, Lardo di Colonnata (einem besonders mit Pfeffer gewürzten durchwachsenen Speck, das die Marmorbrecher von Carrara als Vesper mit zur Arbeit nahmen), Honig, angerichtet in einer Komposition aus Feigen, Lammschinken und im Ofen gedünsteten Anchovis.
Im ersten Gang folgen dann Ceciamare, eine Suppe aus schwarzen Kichererbsen mit Gamberetti, gewürzt mit Pfeffer, Knoblauch, Minze und passierten Anchovis, ergänzt mit einem Schuss nativen Olivenöls.
Kann man nach diesen Leckereien noch von einem Hauptgericht sprechen? Im nächsten Gang jedenfalls wird Porcus nobles gereicht, eine Porchetta, gewürzt mit Kräutern, Gewürzen, Honig und Sardellenfilets. Dazu wird ein Gemüse aus Mangold und Porree, versetzt mit Rosinen und Pfeffer, dargeboten.
Es folgen als Dessert ein Teller mit verschieden gereiftem und gewürztem Pecorino, frische Früchte wie Trauben oder auch eine Komposition aus mit Walnüssen gefüllten Datteln, die in Honig karamellisiert wurden.
Speisen und Musik halten die Seele zusammen
„Das ist natürlich nur das kleine Menü“, schmunzelt Egidio. Für ein solches Abendessen berechnet der Gastgeber 40 Euro, darin sind noch je eine Flasche des Rasenna-Weins enthalten.
„Wir richten auch große Festessen aus. Von den Darstellungen auf den Reliefs wissen wir, dass die Etrusker solche Feste immer mit Tanz und Musik feierten“, meint der Aretiner. Zu einem solchen Ereignis stellt die Gruppe Synaulia eine Fülle von Instrumenten vor, die sie gemeinsam rekonstruiert haben. Ein solcher Festabend ist natürlich ein besonderes Ereignis. „Erst kürzlich haben wir ein Diner zu einem 90. Geburtstag gegeben“, erklärt Egidio.
Um einen solchen Abend zu buchen, muss man allerdings bereit sein, etwas mehr auszugeben. Die Gruppe Synaulia – fünf Künstler musizieren, tanzen, servieren jedoch auch bei Tisch – kann man für 1.500 Euro am Abend engagieren. Das Menü eines solchen Festes kostet zwischen 70 und 90 Euro pro Person, dafür ist es aber noch einmal deutlich reichhaltiger als das oben Beschriebene. Wer sich auf der Italienreise ein solch außergewöhnliches Ereignis buchen möchte, kann sich direkt an Egidio wenden: https://www.facebook.com/egidio.forasassi. Hier kann man auch schon Eindrücke solcher Feste finden. Und vielleicht trifft man die Akteure auch auf internationalem Parkett: In einigen europäischen Ländern sind sie bereits auf Festivals und in archäologischen Museen und Parks aufgetreten (https://www.soundcenter.it/banchetti_etruscoromani). Der Fernsehsender Rai 2 widmete ihnen ein eigenes Programm: Vitalia.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können