In unserem italienischen Refugium scheint die Welt noch in Ordnung. Das kleine Dorf, mitten im Belpaese gelegen, beherbergt etwa tausend Einwohner. Es gibt ein Restaurant, drei Pizzerien, zwei Bars, einen Bäcker, zwei Lebensmittelläden sowie einen Fleischer. Unweit des Dorfes eine Weide mit einem Stück Wald, auf der sich prächtige Fleischrinder gemeinsam mit etlichen Schweinen quasi sauwohl fühlen. Bei den Schweinen handelt es sich um „Cinta Senese“, eine Schweinerasse, die wahrscheinlich schon von den Römern im Raum Siena gezüchtet wurde. Diese Kreuzung zwischen einem Hausschwein und einem Wildschwein ist freilebend und ernährt sich vor allem von den Früchten der Steineiche.
Die Tiere allesamt gehören dem Fleischer, wir Kunden können sozusagen sehen, wo „unser“ Fleisch aufwächst und gedeiht.
Auf der anderen Seite des Dorfes sieht man an einem gegenüberliegenden Hügel große Stallanlagen. In dieser Anlage eines großen italienischen Geflügelzuchtbetriebes werden jährlich 70.000 Truthähne gemästet, in 17 Ställen wachsen die Tiere innerhalb von sechs Monaten vom Küken zur ausgewachsenen Pute heran, bevor sie dann in die Schlachthöfe transportiert werden. Nach eigenen Angaben unterhält das Unternehmen 800 dieser Anlagen.
Gut und Böse dicht beieinander? Die Welt also doch nicht so in Ordnung, wie es auf dem ersten Blick und für Touristenaugen erscheint?
Das Unternehmen erklärt, „alle Anstrengungen zu unternehmen, dass die Aufzucht der Tiere unter gesunden und optimalen Bedingungen gemäß der nationalen und europäischen Richtlinien zum Tierwohl“ vollzogen wird.
Nur werden diese Richtlinien in den verschiedenen EU-Staaten recht unterschiedlich gehandhabt. Ein Maß für das Wohlbefinden der eingestallten Tiere ist der Platz, den sie dort haben. Dieser wird mit dem Fachwort „Besatzdichte“ bezeichnet. In Österreich ist sie zum Beispiel gesetzlich auf 40 Kilogramm je Quadratmeter begrenzt. Doch außer im Nachbarland Schweiz und in Schweden gab es (Stand 2020) keine gesetzliche Beschränkung. In den meisten Ställen der EU-Mitgliedstaaten stehen doppelt so viele Tiere wie in Österreich. Von osteuropäischen Ländern wird ein noch dichterer Besatz berichtet.
Auf der jüngsten Tagung des „Rates für Landwirtschaft und Fischerei“ hat jedoch Österreich zusammen mit Deutschland, Belgien, Luxemburg, der Slowakei und Zypern vorgeschlagen, auf EU-Ebene Mindeststandards für die Putenzucht einzuführen. Solche neuen Richtlinien unter wirtschaftlichem Aspekt durchzusetzen, wird nicht einfach sein. Denn geringerer Besatz zum Tierwohl bedeutet gleichsam auch eine geringere Fleischausbeute und weniger Gewinn – es sei denn, der Endverbraucher ist bereit, einen höheren Preis zu zahlen. Und für die Produzenten geht es um viel Geld: Das italienische Unternehmen verzeichnet eine Jahresertragsbilanz von 1,23 Milliarden Euro.
Was für die Putenmast gilt, kann ebenso auf die Schweine- oder Kälberaufzucht übertragen werden.
Verbraucher trägt Mitverantwortung
Es liegt also auch an uns allen, ob wir im Supermarkt Billigfleisch oder Biofleisch bevorzugen. Denn selbst, wenn in den Kernländern der EU nationale Rechtsgrundlagen für eine tiergerechte Zucht und Mast geschaffen werden, an die sich die einheimischen Produzenten bei Androhungen von Sanktionen zu halten haben, regulieren diese nicht den Markt. Der Fleischimport ist nicht limitiert, der Markt für alle Anbieter frei.
Das Dilemma ist offensichtlich. Wollen die einheimischen Landwirte mit den preiswerteren Importen konkurrieren, müssen sie ihre Produkte – die aufgrund von Auflagen zu Umwelt und Tierwohl höherpreisig sind – auch verkaufen können. Dies wiederum fordert eines Teils willige Kunden sowie andererseits gesellschaftliche Unterstützung und Förderung. Sowohl Verbraucher als auch der Staat tragen daher eine große Mitverantwortung für Tierwohl, aber auch für „Bauernwohl“. Hier sind Förderungen gefragt, die die Biodiversität in landwirtschaftlichen Anbauflächen und in der Produktion unterstützen. Ebenso jedoch auch Rechtsmittel zum Schutz der Tiere. Dies in Einklang zu bringen, ist eine wichtige politische Aufgabe, denn noch immer gilt der alte Satz: „Es gibt keinen Bürger im ganzen Land, der nicht lebt von Bauernhand.“
Ein wichtiger gesetzlicher Rahmen ist mit dem 2018 verabschiedeten Tierschutzgesetz gegeben. In dem Gesetz werden Tiere erstmals nicht als Sache, sondern als Lebewesen angesehen. Was sich zunächst als banal logisch liest, hat in der Realität Konsequenzen. Das Gesetz erkennt die Tatsache an, dass sich die Beziehung zwischen Mensch und Tier in den vergangenen 100 Jahren deutlich verändert hat. Tiere wurden zunächst als Mittel zum Zweck gehalten. Aus ihnen wurden Nahrungsmittel gewonnen, sie wurden genutzt, um sich vor Gefahren zu schützen. In der Nutztierhaltung gab es bereits vor dem aktuellen Gesetz hinreichend Regeln, Tiere artgerecht zu halten. Diese sind mit dem neuen Tierschutzgesetz nochmals präzisiert worden.
Tierwohl beginnt auch im Kleinen
Häufig wird der Blick Sachen Tierschutz und Tierwohl in erster Linie auf die Haltung von Nutztieren gelenkt. Auch die vorstehenden Zeilen machen da keine Ausnahme.
Doch beginnt die Frage tiergerechter Haltung und die Akzeptanz der Gefühle und Empfindungen von Tieren bereits im Kleinen. In vielen Haushalten werden Tiere gehalten. Hunde, Katzen, Meerschweinchen und Hamster gehören zu unseren Alltagsgefährten. Im ländlichen Raum kommen da noch Pferde hinzu, die längst nicht mehr den Charakter von Zug- und Lasttieren, sondern den von Begleitern und eventuell von „Sportgeräten“ tragen.
Das neue Tierschutzgesetz bedenkt auch den privaten Umgang mit all diesen Tieren. So ist in der Rechtsverordnung eine eindeutige Liste der Säugetiere enthalten, die wir in Luxemburg halten und besitzen dürfen.
Das Gesetz wird der Tatsache gerecht, dass Tiere zunehmend die Rolle eines Gefährten einnehmen bzw. diese Rolle anerkannt wird. Entsprechend tragen Tierhalter eine Verantwortung für das Wohlbefinden ihrer Haustiere. Das geht über artgerechte Haltung bis hin zur Tatsache, dass Tiere nicht gequält, ohne „vernünftigen Grund“ nicht getötet und nur in einem bestimmten Rahmen zu Versuchen herangezogen werden dürfen. Neu in der aktuellen Verordnung ist, dass ein Katalog strikter Sanktionen erarbeitet wurde, der den Behörden erweiterte Handlungsmöglichkeiten gibt.
Letztlich jedoch ist das Schaffen einer neuen Tierschutzregel ein Appell an alle Bürger, die Würde und das Empfinden der Tiere zu achten. In einem gemeinsamen Leben, zum Wohl der Tiere und der Menschen.
@ Leila
"Bio bedeutet bei Hühnern Biofutter, ansonsten schuhkartongroßer Käfig wie für die Nicht-Bio-Hühner auch."
Die von Ihnen ungeliebte EU hat die Käfige schon vor Jahren verboten.
Ich habe wenig Verständnis für die Art der Tierhaltung in vielen konventionnellen landwirtschaftlichen Betrieben. Verzichte daher auf Fleischkonsum und habe mit Freude gelernt, dass weniger mehr sein kann. Es gibt so viele leckere vegetarische Gerichte!
Beispiel Deutschland
DasTierwohl in den Ställen soll verbessert werden. Das erfordert hohe Investitionen in Ställe und Stalleinrichtungen .
Der Bundesverband der Lebensmittelindustrie warnt sie können diese Mehrkosten der Landwirte nicht am Markt durchsetzen dh der Konsument würde teureren Lebensmittel nicht bezahlen.
Die Politik will die Mehrkosten der Landwirt ebenfalls nicht übernehmen.
Fatzid . Die Landwirtschaft wird Die Kosten selbsttragen müssen. Viele Landwirtschaftliche Betriebe werden das oekonomisch nicht überleben und aufgeben. Die verbleibenden Betriebe werden noch grösser. Und es werden viele Lebensmittel von ausserhalb der EU importiert werden müssen.
Tierwohl kostet , mit Folge die Mehrzahl der europäischen Bürger sich kein Fleisch mehr leisten können.Ich bin schon seit Jahren Vegetarier, bin aber der Überzeugung das Fleisch , wie andere Lebensmittel auch für Geringverdiener erschwinglich bleiben sollen. Wir leben nicht im Ökosozialismus, sondern einem kapitalistisches System, wo Angebot und Nachfrage den Markt regeln soll.Tierwohl hin oder her, der Mensch zählt .
Bedeutet die Bewegungsbucht Tierwohl? Nicht für mich, denn nur ein Tier, das sich auch draussen bewegen kann fühlt sich wohl, wenn man schon über Tierwohl spricht. Ein Boden ohne Stroh ist nicht artgerecht. Bio bedeutet bei Hühnern Biofutter, ansonsten schuhkartongroßer Käfig wie für die Nicht-Bio-Hühner auch.
Haustiere im Käfig ist indirekt auch Tierquälerei, der Hamster, der sich im Laufrad abrackert, den man aber nicht frei laufen lassen kann, weil er sonst an Kabeln und Möbeln nagt ist kein Haustier, Wellensittich & Co lebenslänglich in einem kleinen Käfig, die evtl. nie Freiflug erhalten, Terrarien für Schlangen und Echsen - das alles ist in seinem natürlichen Lebensraum besser bedient als in einer Wohnung.