Headlines

LifestyleAufgeräumt durchs Leben – Was ist behaltenswert?

Lifestyle / Aufgeräumt durchs Leben – Was ist behaltenswert?
Alles ordentlich weggeräumt?  Foto: Pixabay

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der Duden bezeichnet unter „aufgeräumt“ einen Zustand in „heiterer und gelöster Stimmung“. Andererseits wird unter dem Wort auch verstanden, Haushalt, Umgebung und Leben in Ordnung zu bringen. Was das eine mit dem anderen zu tun haben könnte, dafür interessierte sich unsere Korrespondentin Elke Bunge.

Herbstzeit – die dunkle Jahreszeit mit ihrer Kälte und Nässe bedrängt nicht nur den Körper, sondern auch das Gemüt. Der Garten ist aufgeräumt, Bäume und Sträucher beschnitten, der Rasen ein letztes Mal im Jahr gemäht, alle Geräte sind weggeräumt.

Umso mehr fällt einem dann die Unordnung in Haus und Wohnung ins Auge. Jetzt, wo man draußen ohnehin nicht mehr viel unternehmen kann, wäre die Zeit gekommen, hier etwas Ordnung zu schaffen und die Dinge an ihren Platz zu räumen. Auffällig ist dabei, dass sich vielerlei angesammelt hat, was man eigentlich überhaupt nicht mehr braucht. Ein Sprichwort sagt: „Weniger ist manchmal mehr.“

Dies umso mehr, wenn wir im Alter vielleicht unseren langgehegten Wohnort aufgeben müssen, um in eine kleinere Wohnung oder gar in einen Alterswohnsitz umziehen müssen. Spätestens dann ergibt sich die Notwendigkeit, sich von vielen Dingen zu trennen, die man sich ein langes Leben lang angeschafft hat – und die vielleicht schon seit geraumer Zeit in irgendeinem Winkel unserer Wohnung ungenutzt verstauben.

„Aufräumen vor dem Tod“

Die schwedische Grafikerin und Designerin Margarete Magnusson hat ihre eigenen Erfahrungen gesammelt und in einem Buch zusammengefasst, das im Schwedischen den trockenen und etwas makabren Titel „Döstädning“ trägt. Im deutschsprachigen Raum ist das Bändchen unter dem Titel „Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge im Leben zu ordnen“ erhältlich. Dabei ging es der Autorin gar nicht in erster Linie um die Haushaltsvorsorge im Alter.

„Man kann an jedem Punkt im Leben mit ‚Döstädning‘ beginnen. Es geht darum, sein Leben zu organisieren, damit das Zuhause nicht überfüllt ist von Dingen, die man nicht braucht. Bei jedem Objekt fragt man sich: Brauche ich das, habe ich das gern? Aber ich weiß ja selbst, wie es ist: Wenn man jung ist und die Karriere ins Laufen kommt, hat man etwas Geld, das man gern ausgeben möchte. Sieht man tolle Dinge, denkt man: Das möchte ich wirklich haben! Ich möchte den Menschen diese Freude nicht nehmen, auf keinen Fall. Aber ich wünsche mir, dass es den Menschen nicht mehr so wichtig ist, viele materielle Dinge zu besitzen“, so die Stockholmerin.

Nur vage gibt sie ihr Alter an – „ich bin irgendwo zwischen 80 und 100“ – und schmunzelt dabei. In ihrem Leben war die Künstlerin mit ihrer Familie dutzende Male umgezogen, von Stadt zu Stadt, Kontinent zu Kontinent. Fünf Kinder gehörten dazu, da sammelte sich in den Jahren viel an. Und bei jedem Umzug musste entschieden werden, was kommt mit, was bleibt da. Genug Übung im Aufräumen, ausreichend Erfahrung gesammelt, die weiterzugeben ihr eine Freude sind. Heute lebt Magnusson in einer 65 Quadratmeter großen Wohnung in Stockholm, wo per sé nur noch wenig Platz ist, „Krempel“ zu horten.

Was ist behaltenswert?

Die Hauptfrage, die wir uns beim „großen Aufräumen“ stellen sollten, ist: Wollen wir dieses oder jenes Ding wirklich behalten? Brauchen wir es noch? Gefällt es uns? Wir leben in einer konsumorientierten Welt. Vor allem in jungen Jahren, wenn wir beginnen, eine Familie und einen Hausstand zu gründen, sind wir bereit, viele (schöne) Dinge anzuschaffen in der Überzeugung, das passt gut in unsere Wohnung. Hinzu kommen Geschenke von Freunden und Bekannten, die man – zum Teil aus Höflichkeit – annimmt und irgendwo im Hause verstaut. Doch selbst wenn die Dinge unbrauchbar, altmodisch oder gar geschmacklos sind, werfen wir sie aus emotionalen Gründen nicht weg. Auch in dem Gedanken, vielleicht möchten die Kinder sie ja eines Tages haben. Dabei sollten wir von Zeit zu Zeit überprüfen, ob wir gerade den Kindern mit der „Erbschaft“ solcher Dinge keine Bürde aufladen und ob wir den achten Korkenzieher in Eichhörnchenform wirklich noch brauchen.

Aufräumen kann auch befreien. Wenn man schließlich nur noch die Dinge behält, die einem wirklich des Aufhebens wert sind, hat man an diesen umso mehr Freude.

Hype Minimalismus

Frau Magnussons Buch ist nicht das erste seiner Art. Bereits vor acht Jahren zog der Minimalismus als Hype um den Globus. Die Ikone damals heißt Marie Kondo. Die Japanerin zog mit ihrem „Magic Cleaning“ viele Menschen, vor allem im anglo-amerikanischen Raum, in ihren Bann.

In ihren in mehr als 30 Sprachen übersetzten Büchern, Online-Präsentationen und weltweit durchgeführten Kursen predigt die japanische Minimalistin ein radikales Aufräumen. Die 1984 geborene Organisationberaterin empfiehlt darin drei Schritte des Aufräumens. Ersten, wir sortieren die Sachen nach Kategorien: Nicht Raum für Raum wird geordnet, sondern erst Bücher, dann Kleidung, dann Gebrauchsgegenstände. Zweitens nach Prioritäten: Dabei geht Kondo von weniger geliebten Stücken zu Lieblingsstücken über. Drittens wird alles, was übrig bleibt, an feste Plätze geräumt, um den Überblick zu behalten.

Das Prinzip der 37-Jährigen ist an ihre aufgrund von Arbeitssuche mobil orientierte Generation gerichtet – niemand weiß, ob sie/er nicht kurzfristig den Wohnort wegen des Arbeitsplatzes wechseln muss. Da ergibt es Sinn, sich nicht mit vielem „Eigentum“ zu belasten.

Konsum oder Umwelt?

Wegwerfen, entledigen, entsorgen – sowohl das Konzept von Margarete Magnusson als auch das der Marie Kondo zielt auf eine Reduzierung angesammelter Gegenstände ab. Während die Schwedin eine Lebensbilanz zieht und bereits jüngere Generationen in diese Richtung aufmerksam machen will, drängt die Japanerin darauf, sich von unnützem Überfluss zu befreien.

Doch genau hier ergibt sich für mich eine dringende Frage: Warum überlegen wir nicht gleich beim Kauf, ob wir dieses oder jenes Stück im Kleiderschrank brauchen, ob uns dieses oder jenes in der Küche hilft? Der Handel bietet Konsum im Überfluss an, noch eine Kaffeemaschine, das zehnte Sieb, wieder ein Werkzeugkoffer usw.

Doch weder unserem Hausstand noch der Umwelt ist ein solch endloser Konsum von Nutzen, auch das neueste Smartphone macht nicht glücklicher, ebenso wenig wie qualitätsfreie Billligmode, auch wenn sie nach dem angeblich neuestem Chic zusammengenäht wurde. So gesehen beginnt das beste Aufräumen mit reduziertem Einkauf. Und das freut am Ende nicht nur uns, sondern auch die Umwelt.

bernard
20. November 2021 - 13.14

"Was ist behaltenswert?"

Das fragt der Duden sich auch, der kennt das Wort ebenso wenig wie ich.