An Allerheiligen und Allerseelen gedenken die Menschen in unserem Kulturkreis ihrer lieben Verstorbenen. Dann drängen sich ihnen auch Überlegungen zu ihrem eigenen Ableben auf, vor dem sie voller Angst und Schrecken sind. Die hier vorgestellten Werke tragen vielleicht ihr Scherflein zum Beleg bei, dass diese unsägliche Furcht möglicherweise unbegründet ist. Dass der Tod Wissenschaft, Geschichte, Kunst und Literatur vereint, kann auch dabei mitwirken, den Menschen zu helfen, die sich nach einem positiven Umgang mit dem düsteren Thema sehnen.
Der Tanz mit dem Tod
Im Mittelpunkt des außergewöhnlichen Sachbuchs „Wo die Toten tanzen: Wie rund um die Welt gestorben und getrauert wird“ (1) der Bestatterin Caitlin Doughty stehen Angehörige von Verblichenen, die unterschiedlich mit der Sterblichkeit umgehen – Indonesier, die mit den mumifizierten Körpern ihrer Vorfahren zusammenleben; Japaner, die die brüchigen Knochen des Verstorbenen mit Stäbchen aus der Verbrennungsasche aufheben und in die Urne legen; Mexikaner, bei denen anstelle der Todesverdrängung der westlichen Welt ein fröhlicher, ungezwungener Umgang mit dem Tod zum Eckpfeiler nationaler Identität wurde; Amerikaner, die „Fleisch zu Erde“ werden lassen und auf Natur- oder Naturschutzfriedhöfen Leichen direkt in ein Loch versenken – ohne Einbalsamierung, ohne Sarg, ohne betonierte Gräber; Bolivianer, die mit ihrer offensichtlichen Leidenschaft für verehrungswürdige Totenschädel die katholische Kirche stark verunsichern …
Caitlin Doughty erweist sich als eine zuverlässige Begleiterin durch das magische Universum des Todes, indem sie sich auf eine aufrüttelnde Reise zu den Bestattungsbräuchen in aller Welt begibt und für mehr Sinnhaftigkeit beim Trauern einsetzt.
Sterbebegleitung am Lebensende
In ihrer emotionalen Neuerscheinung „99 Fragen an den Tod: Leitfaden für ein gutes Lebensende“ (2) gehen Deutschlands führende Palliativmedizinerin Prof. Dr. Claudia Bausewein und der Wiener Hospizexperte und Physiotherapeut Rainer Simader von der Vorstellung aus, man könne den Tod treffen, ohne Gefahr zu laufen, von ihm mitgenommen zu werden, und ihm alle Fragen stellen, die einem längst auf der Seele brennen.
Da die beiden Autoren aus ihrem Berufsalltag um die Ängste, Bedürfnisse und Hoffnungen von sterbenden Menschen und deren Angehörigen wissen, sind sie dazu imstande, klare Antworten auf konkrete Fragestellungen zu diesem sensiblen Thema zu geben, und machen so Mut, sich mit dem Unvermeidlichen zu beschäftigen, das auf jeden von uns einmal im Leben zukommt. Ihre eindrucksvolle Beschreibung dessen, was beim Sterben passiert, enttabuisiert ein sehr heikles Sujet und verändert des Lesers Sichtweise auf das Leben.
Die hohe Kunst des Sterbens
„Mehr als die Hälfte aller Menschen weigert sich beharrlich, sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen, zu groß ist die Angst, zu furchtbar die Gedanken an das eigene Ende. Wir negieren und leugnen, verdrängen und verschweigen, lügen und verbergen. Freilich wird das Leben eines Tages jeden einladen, den Tod zu schmecken, vielleicht erst den eines anderen, ganz sicher aber auch einmal den eigenen“, schreibt der Hospizhelfer und Sterbebegleiter Andreas Hase in seinem neuen Sachbuch „Der Tod macht leicht: Sich mit dem eigenen Sterben auseinandersetzen“ (3), das als inspirierendes und fesselndes Leseerlebnis daherkommt.
Er versucht seine Mitmenschen dazu zu bringen, auf den vermeintlich finsteren Tod freundlich zu blicken und ihn als großes Ereignis des Lebens zu begreifen, wodurch er eine „lichtvolle seelische Vertiefung“ erreichen und Angst in Vertrauen verwandeln will: „Die Kunst des Sterbens will gelernt sein. Der Tod will gesehen werden, inmitten des blühenden Lebens, nicht erst an seinem verdorrenden Rand. Leben, Sterben, Tod: Dies ist kein Längsschnitt des Seins – es ist sein Querschnitt.“
Schubweise Schmerzen bei trauernden Kindern
Ralph Caspers, bekannt durch die „Sendung mit der Maus“ und „Wissen macht Ah!“, nimmt sein bewegendes Buch „Wenn Papa tot ist, muss er dann sterben?“ (4) als Nachschlagewerk für alle „Trauerhelfer“ wahr, die darüber grübeln, wie sie trauernden Familien und vor allem trauernden Kindern begegnen sollen: „Es dient zur Vorbereitung und als Notfallplan für Momente, in denen man selbst erst mal geschockt über die Situation und sich unsicher ist, wie man sich am besten verhalten soll.“
Dass man Kindern, die eine wichtige Bezugsperson verloren haben, Mitgefühl statt Mitleid entgegenbringen soll, ist einer seiner Leitgedanken: „Mitleid bringt ein Gefälle mit sich: du da unten, ich hier oben. Die Trauernden werden stigmatisiert: ‚Der arme Junge, sein Vater ist gerade gestorben, kein Wunder, dass niemand mit ihm spielen will.‘ Mitgefühl gelingt nur auf Augenhöhe, in menschlicher Verbundenheit. Die Trauernden bleiben in der Gemeinschaft: ‚Es tut mir leid, dass dein Vater gestorben ist. Möchtest du mir von ihm erzählen?‘“
Lesetipps
(1) Caitlin Doughty: „Wo die Toten tanzen: Wie rund um die Welt gestorben und getrauert wird“ (Malik im Piper Verlag, München 2019, 250 Seiten mit 46 Illustrationen, gebunden, 20 Euro, ISBN 978-3-89029-506-0);
(2) Claudia Bausewein & Rainer Simader: „99 Fragen an den Tod: Leitfaden für ein gutes Lebensende“ (Droemer Verlag, München 2020, 284 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-426-27824-6);
(3) Andreas Hase: „Der Tod macht leicht: Sich mit dem eigenen Sterben auseinandersetzen“ (Nymphenburger im Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2020, 204 Seiten, gebunden, 20,00 Euro, ISBN 978-3-485-02977-3);
(4) Ralph Caspers: „Wenn Papa jetzt tot ist, muss er dann sterben? Wie wir Kindern in Trauer helfen können“ (Bastei Lübbe Verlag, Köln 2020, 284 Seiten, gebunden, 20 Euro, ISBN 978-3-7857-2632-7)
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