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Traditionsreiches Gewerbe vom Aussterben bedrohtDie Fischerin vom Bodensee

Traditionsreiches Gewerbe vom Aussterben bedroht / Die Fischerin vom Bodensee
Fischerin aus Passion und mit Herzblut: Heike Winder beliefert mit ihren Fängen hauptsächlich Privatkunden und lokale Restaurantbetriebe Foto: Herbert Becker

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Ganz so idyllisch wie in dem bekannten deutschen Heimatfilm aus den 50er Jahren ist der Beruf des Fischers entlang des Ufers am Schwäbischen Meer schon lange nicht mehr. Die Fangergebnisse sind spärlich, die Qualität ist zwar ausgezeichnet, aber seinen Lebensunterhalt verdienen kann man mit der mühevollen Arbeit nicht mehr. Unser Korrespondent Herbert Becker war mit der Fischermeisterin Heike Winder aus Hagnau frühmorgens auf dem See, um die am Abend vorher ausgelegten Netze einzuholen.

Heike Winder betreibt die Bodenseefischerei bereits in der dritten Generation
Heike Winder betreibt die Bodenseefischerei bereits in der dritten Generation Foto: Herbert Becker

Die Herbstsonne am Horizont des Bodensees ist noch nicht aufgegangen, als wir am Seeufer in Hagnau am deutschen Ufer des Sees auf Fischermeisterin Heike Winder und ihren Ehemann Thomas Geiger treffen. Heike Winder betreibt hier in dritter Generation, den von ihrem Großvater gegründeten Fischereibetrieb. Zwei Alu-Boote liegen startbereit am hauseigenen Steg. Heike Winder hat am Vorabend zwei Netze ausgelegt, wir fahren mit ihr auf den See, um den Fang einzuholen. Die Fischermeisterin fährt alleine mit ihrem Boot, Thomas Geiger begleitet sie mit uns im zweiten Boot. „Welche Fischarten sind hier vorwiegend anzutreffen und was fängt man hier im See?“, möchten wir gerne wissen. „Bevorzugt geht man hier auf die Bodensee-Felchen, auch Blaufelchen genannt. Sie gehören zu den ‚Renken’, im Norden von Deutschland auch Maräne genannt. Diesem Fisch gilt das primäre Interesse, wir fangen aber auch Barsche, hier bei uns Kretzer genannt, Seeforellen und Seesaiblinge.“

Fischereiverordnung regelt die Fangquoten

Die Sonne bahnt sich ihren Weg durch die leichten Wolkenschleier und erwärmt die Luft spürbar, kein Windhauch, der See ist nahezu unbewegt, Idylle pur. Doch der Schein trügt. Wir kommen an der Stelle an, wo Heike Winder das erste Netz ausgelegt hat. An der Wasseroberfläche schwimmende, am Netz befestigte Kunststoffmarkierungen zeigen, dass es ihr Netz ist.

„Längst können wir mit dem Fischereibetrieb nicht mehr unseren Lebensunterhalt verdienen“, erklärt sie uns. „Das hat unterschiedliche Gründe. Die Anzahl der Fischereibetriebe hier am Obersee auf deutscher und schweizerischer Seite, früher einmal 175 an der Zahl, sind aktuell behördlich limitiert auf 80, aktiv tätig sind derzeit aber nur noch 65. Die Limitierung soll in erster Linie vor einer Überfischung schützen, auch sind die Fangquoten limitiert, aber selbst die werden von uns nicht mehr erreicht.“

Über die Einhaltung der Fischereiregeln wacht die Fischereibehörde nach Maßgabe der Bodenseefischereiverordnung. Wer zum Fischen auf den See möchte, muss ein Patent, einen Meisterbrief erwerben. Man darf maximal fünf Netze besitzen, die Maschenbreite ist gar vorgeschrieben, zwei Netze mit 38 mm und drei Netze mit 40 mm. Dazu gibt es vorgeschriebene Mindestgrößen beim Fang sowie festgelegte Schonzeiten. Das Vorkommen der einzelnen Arten ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Durch Einlassen von Phosphor während mehr als drei Jahrzehnten (zwischen den 60er und 90er Jahren, Anm. d. Red.) war das Gewässer völlig überdüngt, ja nahezu tot. Der See brauchte Jahre, um sich davon zu erholen. Heute ist er gesäubert, hat Trinkwasserqualität, bietet den Fischen aber kaum noch Nährstoffe, erfahren wir weiter von der Fischermeisterin.

Das Einholen der 100 m langen Netze erfordert viel Kraft und Ausdauer
Das Einholen der 100 m langen Netze erfordert viel Kraft und Ausdauer Foto: Herbert Becker

Mühevolle Arbeit beim Einholen der Netze

Während Heike Winder mit geübten Handgriffen das erste Netz einholt, gibt uns Thomas Geiger noch weitere interessante Einblicke in die Bodensee-Fischerei. „Die von uns ausgelegten Netze haben auch unterschiedliche Größen. Für den Barschfang sind diese 100 m lang und 2 m breit. Für die Felchen benutzen wir Netze mit einer Größe von 120 x 7 m. Äußerst zu schaffen machen uns aber auch verschiedene Muschelarten. Da ist zum einen die Dreikantmuschel, seit den 60er Jahren hier beheimatet, und zum anderen die Quaggamuschel. Sie wurde vor rund fünf Jahren hier zum ersten Mal entdeckt, ist äußerst reproduktiv, vermehrt sich rasend schnell und ist eine ernst zu nehmende Gefahr für das Ökosystem des Gewässers und auch für die Wasserversorgung. Eingeschleppt wurde sie vom Schwarzen Meer, vermutlich durch Wasservögel und durch Boote. Da sie das Plankton aus dem Seewasser herausfiltern, stellen sie eine Nahrungskonkurrenz dar. Dann wäre da noch eine weitere Plage: die Kormorane, die zu Hunderten hier beheimatet sind. Die hier lebende Art genießt Gefährdungsstatus und darf nicht gejagt werden. Die hiesige Population jedoch holt am Tag nahezu genauso viel Fisch aus dem See wie wir Fischer. Wir stehen diesem Phänomen allerdings machtlos gegenüber.“

Für den Außenstehenden scheint es spärlich, aber der Fang aus zwei Netzen entspricht der täglichen Fangmenge
Für den Außenstehenden scheint es spärlich, aber der Fang aus zwei Netzen entspricht der täglichen Fangmenge Foto: Herbert Becker

Wir schauen gespannt hinüber zu Heike Winder, die das Netz einholt. „Hier sollten jetzt ein paar Kretzer, also Barsche, drin sein“, meint sie hoffnungsvoll. Wir staunen nicht schlecht, als sie in mühevoller Arbeit das Netz Meter für Meter einholt. Hier geht es nicht zu wie beim Hochseefischen, wo man ein prall gefülltes Schleppnetz einholt. Alle 3 bis 4 Meter Netzlänge zappelt ein Barsch in den Maschen, den die Fischerin dann aus seiner Gefangenschaft befreit. Wir fahren ein Stück weiter zum zweiten Netz. Hier wiederholt sich das Prozedere. Damit sich das Netz nicht verdreht oder verheddert, wird es beim Einholen gleich auf am Boot befestigte Metallspieße aufgereiht, wo es dann auch gleich antrocknen kann. Der Fang hat ein ähnliches Ausmaß wie beim ersten Netz. Heike Winder hat eine gut gefüllte große Kiste an Bord und zeigt sich dennoch sehr zufrieden mit der morgendlichen Ausbeute. „Mit so viel hatte ich noch nicht einmal gerechnet, das ist doch zufriedenstellend“, meint sie erleichtert. Wir fahren zurück zum Ufer und im Seeblick gewährenden Garten des Anwesens gibt sie uns noch ein paar Einblicke in ihren Berufsalltag.

Bei diesem Exemplar hatte schon ein Kormoran zugeschlagen
Bei diesem Exemplar hatte schon ein Kormoran zugeschlagen Foto: Herbert Becker
Die Kormorane stellen eine ernst zu nehmende Plage dar. Sie rauben den Fischern täglich nahezu die gleiche Menge an Fischen wie die Tagesausbeute der Fischer.

Heike Winder, Fischermeisterin

Die Fischerei hat kaum noch Zukunft

Hat sie die Passion zur Fischerei von ihrem Vater und Großvater geerbt und wie steht es generell um die Zukunft des Gewerbes, interessiert uns. „Ich war als Kind schon fasziniert von der Arbeit meines Vaters und bei Sturm und Unwetter mit ihm auf den See gefahren. Mir war aber seinerzeit schon klargeworden, dass der Beruf in Zukunft nicht mehr einträchtig genug sein wird, um seinen Lebensunterhalt damit bestreiten zu können. Wir beklagen eklatante Nachwuchssorgen und schauen diesbezüglich nicht gerade euphorisch in die Zukunft. Also habe ich eine Ausbildung zur staatlich geprüften Masseurin und Bademeisterin absolviert und dazu noch mein Meisterdiplom für Fischerei an der Landesanstalt für Fischerei am Starnberger See erworben. Dazu biete ich mit meinem Mann hier im Haus noch einige Ferienwohnungen für die Urlaubsgäste an. Die Fischerei ist wirtschaftlich nicht mehr rentabel, es ist ein schönes Zubrot, für das man jedoch viel Herzblut und Passion aufbringen muss. Viermal in der Woche fahre ich auf den See, um die Netze einzuholen, die jeweils am Vorabend ausgebracht werden. Ich verkaufe meinen Fang außer Haus direkt an den Verbraucher und liefere auch an die lokalen Restaurantbetriebe. Einen Teil räuchere ich nach alter Tradition im Räucherofen meines Großvaters.“

In den Restaurantküchen entlang des Sees werden die beliebten Felchen zumeist als gebratene Filets zubereitet
In den Restaurantküchen entlang des Sees werden die beliebten Felchen zumeist als gebratene Filets zubereitet Foto: Herbert Becker

Eine Kostprobe der delikaten und schmackhaften Bodensee-Felchen offeriert uns Thomas Geiger: geräuchert und als Matjes zubereitet sowie den schmackhaften goldgelben Felchenkaviar. Die Felchen sind auch das Hauptvorkommen hier im See, der sogenannte Brotfisch, sie machen rund 70 Prozent der Fangmenge aus. Gefischt werden darf vom 1. April bis 15. Oktober, danach beginnt die Schonzeit. Was tut man hier vor Ort für die Nachhaltigkeit der Fischerei, möchten wir noch gerne in Erfahrung bringen. „Da auf natürlichem Wege nicht mehr genügend Fische vorkommen, greifen wir auf sechs Brutanstalten, die sich entlang des Sees etabliert haben, zurück. Während der Schonzeit werden dabei die Rogener, also die weiblichen Fische, separiert gefangen, ebenso die Milchner, die männlichen Exemplare. Durch Bauchmassage entnimmt man den Rogenern dann die Eier, diese werden dann mit dem Sperma (Milch) der männlichen Tiere befruchtet. Es findet also eine äußere Befruchtung statt, anders als bei lebendgebärenden Tieren. Die befruchteten Eier werden dann in den Brutanstalten aufgezüchtet. Hier ist die Überlebenschance größer als bei der natürlichen Verlaichung. Die zig Millionen Exemplare werden dann im März wieder in den See zurückgeführt. Als weitere Nachhaltigkeitsmaßnahme hatte das zuständige Ministerium Aquakulturen mit Netzgehegen vorgesehen. Das fand jedoch weder bei den Fischern noch bei den Umweltschützern Zustimmung und wurde, trotz Verweis auf die im aktuellen Koalitionsvertrag festgeschriebene Aquakulturförderung, mehrheitlich abgelehnt und letztendlich auch ad acta gelegt. Die Zeit der Massenfänge wie in den 70er Jahren noch üblich, als es am Ende nur noch 1 DM pro Kilo zu erwirtschaften gab, ist eh vorbei. Wir begnügen uns da gerne mit deutlich weniger, aber dafür exzellenter Qualität.“

Wir legen dem geneigten Leser gerne, wenn er einmal am Schwäbischen Meer seinen Urlaub verbringen sollte, die schmackhaften und delikat zubereiteten Bodenseefische ans Herz und an den Gaumen.

Bodensee-Fischerei

Anzahl der professionellen Betriebe: 65
Durchschnittliche Fangmenge pro Jahr: 1.200 Tonnen
Vorkommende Arten: Felchen, Forellen, Saiblinge, Hecht, Zander, Aal

Fangzeiten:
Felchen von April bis Oktober
Barsche ganzjährig mit Schonzeit im Mai
Hechte von Frühjahr bis Sommer
Forellen ganzjährig, keine Schonzeit


Haus Seeforelle

Fischereibetrieb Heike Winder und Thomas Geiger
Ferienappartements
Seestraße 3
D-88709 Hagnau
Tel.: 0049 75 32 63 54
www.haus-seeforelle.de

Joëlle
19. Oktober 2021 - 14.03

Unsere Krebsfischer an der Mosel sind auch schon lange weg.