Niemand bleibt verschont: Die Corona-Pandemie hatte auch Auswirkungen auf die Fertigstellung des sehnlich erwarteten vierten Chvrches-Albums. Dennoch wurde „Screen Violence“ rechtzeitig zum zehnjährigen Jubiläum des schottischen Synthiepop-Trios fertig. Das wurde 2011 von Sängerin Lauren Mayberry, Iain Andrew Cook, der Älteste im Bunde und einst Mitglied der schottischen Alternative Rocker Aereogramme, und Martin Doherty, früher Livemusiker von The Twilight Sad und Aereogramme, gegründet.
Wegen Corona war alles etwas anders, als es an die Komposition und Aufnahme der Lieder ging. Denn Mayberry und Cook leben weiterhin in Glasgow, während es Doherty nach Los Angeles zog. Die Songideen wurden per Videokonferenzen ausgearbeitet, und jeder nahm größtenteils in Isolation und getrennt vom Rest der Band seinen Part auf. Mayberry sagt heute über diese Arbeitsweise: „Ich glaube, für mich war es hilfreich, mit der Vorstellung an den Prozess heranzugehen, dass ich etwas schreiben könnte, das fast eskapistisch ist. Das fühlte sich anfangs sehr befreiend an, Konzepte und Geschichten zu haben, in die man seine eigenen Gefühle und Erfahrungen einweben konnte, aber am Ende waren alle Texte immer noch sehr persönlich.“
Die drei machten letztlich trotz der widrigen Umstände das, was sie gut können: spannenden Synthiepop zu schreiben – wie in „He Said She Said“, „Final Girl“, „Nightmares“ oder „Good Girls“, in dem es darum geht, wie weit mancher Fan gehen würde, um das Verhalten eines Idols zu rechtfertigen und darum, dass „braven Mädchen“ oft eingetrichtert wird, dass alles gut wird, wenn sie dem Ideal entsprechen und sich „klein und sicher und akzeptabel verhalten“ (Mayberry). Ja, in den Texten geht es weniger um Spaß, dafür um ernste Themen: Selbstzweifel, Bedauern und Desillusionierung.
Das gilt auch für einen weiteren Höhepunkt des Albums: „How Not To Drown“, in dem Robert Smith (The Cure) gastiert. Er ist nicht das einzige Chvrches-Idol, mit dem sie zuletzt kooperiert haben. Filmregisseur und -komponist John Carpenter hat einen Remix für „Good Girls“ geschrieben; Chvrches haben sich im Gegenzug seinen Song „Turning The Bones“ vorgenommen. Digital gibt es beide Neuinterpretationen bereits. Im Dezember erscheinen sie auch auf Vinyl. Das Jubiläumsjahr wird also trotz Corona doch noch gebührend gefeiert.
Anspieltipps: He Said She Said, Good Girls, How Not To Drown
Wertung: 8 von 10
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