Für die einen sind es Ferien, für andere ist es die neue Heimat. So auch für Bettina und Christophe. Nach fast 20 Jahren in Luxemburg haben sie sich Anfang 2020 im Périgord niedergelassen. Inzwischen haben sich die Deutsche und der Belgier einigermaßen im Südwesten Frankreichs eingelebt, wie Bettina Opretzka im Gespräch erklärt.
Tageblatt: Was für ein Périgord-Gericht mögen/kochen Sie am liebsten?
Die überraschendste Entdeckung ist die „Tourin“, eine Knoblauchsuppe mit Gänse- oder Entenfett. Nach nur einem Suppenteller ist man eigentlich schon satt.
Und dazu trinken Sie mit Christophe am liebsten einen …?
… Bergerac-Wein.
Bereuen Sie Ihren Schritt?
Nein, wir würden es wohl immer so wieder machen – auch, wenn wir mittlerweile nicht alles durch die rosarote Brille sehen, die wir zu Beginn unseres Abenteuers noch aufhatten. Ich glaube, wir haben die Arbeit, die hier täglich ansteht, doch ein wenig unterschätzt.
Und dann kommen die französischen Behörden scheinbar nicht mit dem Namen Bettina Opretzka klar, oder?
Ich könnte mittlerweile vermutlich ein ganzes Buch mit diesen Anekdoten füllen. Außerdem verstehen die französischen Behörden im Allgemeinen nicht, dass ich, wie das in Luxemburg und auch in Belgien üblich ist, nach meiner Heirat meinen Mädchennamen beibehalten habe.
Aber sonst läuft alles gut in Pressignac-Vicq?
Es läuft, ja – wenn auch deutlich weniger als in Luxemburg. Wir haben früher weit mehr Sport als heute betrieben. Aber das wird schon wieder, und an der frischen Luft sind wir zum Glück trotzdem den ganzen Tag – anders als früher.
Warum wollten Sie eigentlich weg aus Luxemburg?
Wir haben annähernd 20 Jahre in Luxemburg gelebt und konnten uns vor ein paar Jahren nicht einmal andeutungsweise vorstellen, dort wegzuziehen. Irgendwann hat sich dann aber wohl doch eine kleine Midlife-Crisis in unsere Gedankenwelt eingeschlichen sowie die Frage nach dem „wirklichen Sinn des Lebens“. Wir wollten nicht mehr für einen Arbeitgeber, sondern nur mehr für uns arbeiten, mit einem zufriedenstellenden und für uns sichtbaren Ergebnis anstelle von Zahlen, die wir in einen Computer eingeben. Die Tatsache, dass wir – ungewollt – kinderlos sind, hat uns die Entscheidung für ein komplett neues Leben etwas vereinfacht.
Einen Bauernhof im Périgord kaufen und Gäste bewirten war aber nicht die erste Idee.
Ursprünglich wollten wir nur etwas herunterschalten, eventuell beide nur mehr Teilzeit arbeiten und uns ein kleines Haus irgendwo im Grünen suchen, in dem wir unsere verlängerten Wochenenden und Ferien verbringen könnten. Unsere Immobiliensuche hat uns zunächst in den Schwarzwald, dann nach Bayern und schließlich nach Frankreich geführt. Erst im Laufe unserer Suche ist aus dem Projekt „Zweitwohnsitz“ letztlich ein komplett neues Lebensziel geworden.
Und dann sind Sie im Périgord gelandet?
Wir haben unseren Sommerurlaub 2018 im Périgord verbracht und dort bereits unsere touristischen Aktivitäten mit einigen Immobilienbesichtigungen kombiniert. Nach unserer Rückkehr in Luxemburg haben wir dann „Nägel mit Köpfen“ gemacht und uns für unsere Suche auf das Dreieck zwischen Sarlat, Périgueux und Bergerac beschränkt.
Liebe auf den ersten Blick?
Ja, genau wie bei Christophe und mir.
Diskret wie wir sind, beschränken wir uns aufs Périgord. Was hat Ihre Liebe entfacht?
Unser erstes Kriterium war die Ruhe sowie die uneingeschränkte Nähe zur Natur. Im Périgord findet man wunderschöne alte Bauernhäuser und Landgüter mit unglaublichem Potenzial und teils sehr großen Grundstücken inmitten einer unberührten Landschaft, und im Vergleich zu Luxemburg sind die Immobilienpreise noch erschwinglich.
Bettina, Sie sprechen ausgezeichnet Französisch. Das ist natürlich von Vorteil. Wie kommt das?
Ich habe mich praktisch mein ganzes erwachsenes Leben in einem französischen Umfeld aufgehalten. Austauschprogramm mit dem Gymnasium in einer Pariser Vorstadt, Au-pair-Mädchen in der Nähe von Chantilly, Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin der französischen Sprache. Vor meiner Zeit in Luxemburg habe ich einige Jahre in Metz gelebt, ich habe einen französischsprachigen Ehemann sowie französische und belgische Freunde, und auch bei der Arbeit wurde fast ausschließlich Französisch gesprochen. Mittlerweile rede ich sogar mit meinen Tieren in dieser Sprache und komme mir in meiner eigenen Muttersprache fremd vor. Französisch erleichtert sicherlich aber das Einkaufen auf dem Markt oder den Kontakt mit den Nachbarn.
Haben Sie schon viele neue Freunde und Bekannte?
Wir sind im Februar 2020 im Périgord gelandet und waren Mitte März das erste Mal im Lockdown. Das hat uns die Integration im neuen Land nicht unbedingt erleichtert; erschwerend kommt hinzu, dass wir etwas abgeschieden inmitten von Feldern und Wäldern wohnen und sich das Haus unserer nächsten Nachbarn etwa einen halben Kilometer von uns entfernt befindet. Andererseits hat gerade die Krise die direkte Nachbarschaft zusammengeschweißt, und sobald es wieder möglich war, haben wir von allen Seiten nette Einladungen auf einen Kaffee oder ein Glas Wein erhalten.
Es leben ja auch nicht gerade wenige „Ausländer“ im Périgord.
Ganz genau. Aber auch die einheimischen „Périgourdins“ sind sehr freundlich, warmherzig und offen. Richtig ist, dass wir bei Weitem nicht die einzigen „Zugereisten“ sind, was die Integration sicherlich erleichtert. Spätestens seit Martin Walker wissen wir auch, dass das Périgord fest in britischer Hand ist. Viele Engländer, aber auch Holländer, Belgier und einige Deutsche haben zumindest einen Zweitwohnsitz in der Dordogne.
Was unterscheidet das Leben denn von dem in Luxemburg?
Es hat mit dem alten praktisch nichts mehr gemein. Wir arbeiten im Garten statt hinter dem Computer. Wir haben seit über einem Jahr nicht mehr im Stau gestanden. Wir sind unsere eigenen Chefs. Wir sind alles auf einmal: Reinigungskraft und Handwerker, Gärtner und Bademeister, Tierpfleger und Koch, Eventmanager und Buchhalter, Webdesigner und Marketing-Experte. Das ist sehr bereichernd, aber auch sehr anstrengend.
Wie ist es mit der französischen Bürokratie?
Wir können nicht sagen, dass wir nicht vorgewarnt wurden: Sogar unsere französischen Freunde schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie von ihren Abenteuern mit den eigenen Behörden berichten. Aber dass es letztlich so dramatisch wird, hätten wir nicht gedacht. Leider ist alles sehr kompliziert und langwierig. Wir haben über zehn Monate gebraucht, bis wir endlich ein französisches Nummernschild an unserem Auto hatten. Eine Überweisung dauert hier im Allgemeinen drei bis vier Wochentage. Viele Behörden verlangen nach wie vor eine Zahlung per Scheck. Mit dem französischen Krankenkassensystem bin ich definitiv auf dem Kriegsfuß; auch hier hat es bald ein Jahr gedauert, bis wir unsere Versicherungsnummern und die dazugehörigen Krankenkassenkarten hatten. Es gibt für alles Richtlinien, Verordnungen und viele, viele Steuern. Vermutlich werden wir erst in einigen Jahren eine gewisse Routine erreicht haben, die uns den Kontakt mit den verschiedenen Behörden und Verwaltungen erleichtert.
Sie fühlen sich jedenfalls trotzdem wohl hier!
Ja, absolut.
Das Landgut aus dem 18. Jahrhundert sieht liebevoll renoviert aus, der riesige Garten im Vergleich zum letzten Jahr noch üppiger und die Ruhe ist himmlisch. Und dann kommt dieses Virus und verhindert, dass Gäste kommen dürfen. Wie haben Sie das erlebt?
Im Nachhinein denke ich mir fast, dass der erste Lockdown für uns ganz gut gepasst hat, weil wir auf diese Weise genug Zeit hatten, uns hier einzuleben und unsere Ferienhäuser und Gästezimmer entsprechend vorzubereiten. Zum Glück hatten wir trotzdem einen guten Sommer, sodass sich die finanziellen Verluste in Grenzen hielten. Der zweite und vor allem der dritte Lockdown im April 2021 waren allerdings nicht so leicht zu akzeptieren, zumal wir aufgrund unserer rezenten Aktivität vom französischen Staat praktisch keinerlei Zuschüsse erhalten haben. Aktuell profitieren wir von der Tatsache, dass die Touristen lieber lokal reisen: Unsere beiden Ferienhäuser sind jedenfalls bis Ende September ausgebucht.
Die Ziegen sind mittlerweile auch angekommen.
Ich wollte schon immer Ziegen haben und habe mir diesen Traum nun verwirklichen können. Direkt nebenan werden demnächst ein paar Hühner einziehen, damit wir den Gästen unserer Gästezimmer zum Frühstück frisch gelegte Eier anbieten können.
Sonst noch Ideen?
Noch viele. Vor allem auch in ökologischer Hinsicht, um in Harmonie mit unserer Umgebung zu leben. Wir denken an Fotovoltaik-Module, an eine Regenwasser-Auffangstation und an ein neues Heizsystem. Aber zunächst startet erst mal die Sommersaison, und das bedeutet eine Menge Arbeit für uns.
Und dann können Sie hoffentlich selbst mal ein bisschen verreisen und Urlaub machen …
In der Tat haben wir das Périgord seit unserer Ankunft vor eineinhalb Jahren nicht verlassen. Wir hoffen, im Herbst wieder ein bisschen reisen und auch unsere Familie und Freunde in Luxemburg und Belgien besuchen zu können.
Wer genauer sehen möchte, wie der Lebenstraum von Bettina und Christophe aussieht, sollte die Webseite https://www.location-vacances-dordogne.fr besuchen oder aber die Facebook-Seite „Perrot en Périgord“ liken.
Nur wenn die taxe d'habitation fällig wird, dann beginnt das Gruseln.