Die Idee zu dem Buch soll Voltaire bei den Tischgesellschaften des preußischen Königs Friedrich II. (gern auch der Große genannt, weil er sein Reich zu einem Machtfaktor in Europa machte) entwickelt haben, um über die Popularität von Lexika auch unter einfachen Leuten seine vor allem kirchenkritischen, mit viel Sarkasmus formulierten Gedanken zum Zustand der Welt unters Volk zu bringen. Gedruckt wurde die erste Auflage in den Niederlanden, verboten wurde sie praktisch überall. Dennoch sollte sie sich zur meistgelesenen Schrift des Autors entwickeln, wobei von werktreuen Auflagen im heutigen Sinne kaum die Rede sein konnte: Einzelne Abschnitte wurden herausgelöst und mit anderen Teilen aus Voltaires Texten gesammelt herausgegeben, darüber hinaus hörte er nicht auf, sein philosophisches Taschenwörterbuch um immer neue Abschnitte zu erweitern. Die nun bei Reclam erschienene Fassung folgt der Erstausgabe. Natürlich hat vieles, das in Voltaires Taschenwörterbuch verhandelt wird, die Zeit nicht gut überstanden. Oft genug sind seine Ansichten „zur Beobachtung der ungetauften Natur“ eher von einer gewissen Selbstherrlichkeit geprägt und zuweilen alles andere als logisch. Dennoch bleibt es ein Buch, von dem man sich wünscht, dass es dieses Jahr auf möglichst vielen Gabentischen liegen wird.
thk
Rainer Bauer (Hg.)
Voltaire – Philosophisches Taschenwörterbuch.
Philipp Reclam jun. Verlag,
Ditzingen 2020. 444 S., 36 €
"Ungetauft". Hier eine interessante Annekdote : Voltaire hat sich im Kapitel l'Hermite aus seinem bekannten "Sadig" quasi 1:1 an der 18. Sure des Koran inspiriert.