Bei ihren Verhandlungen in Brüssel geht es längst nicht mehr nur über die Höhe des künftigen mehrjährigen Haushalts der EU oder darum, unter welchen Bedingungen die am meisten unter der Corona-Krise leidenden Volkswirtschaften Zugriff auf jene 750 Milliarden Euro haben sollen, die Brüssel erstmals in der Geschichte der Gemeinschaft durch die Vergabe von Schuldscheinen auftreiben soll. Die Debatte um das Budget wurde um das heikle Thema der Einhaltung von Grundrechten durch die einzelnen EU-Staaten ausgeweitet. Nicht mehr nur die Bedürftigkeit oder die Teilnahme an Finanzierungsprogrammen der EU sollen ausschlaggebend für Zuwendungen aus dem EU-Budget sein. Der Zugang zu EU-Gelder soll künftig auch daran geknüpft werden, ob sich ein EU-Land an die in der Union geltenden Rechtsprinzipien und demokratischen Grundwerte hält.
Eigentlich sollte die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit eine Selbstverständlichkeit sein. Dass Regierungen in der EU ihr Handeln nicht mehr an grundlegenden demokratischen Prinzipien ausrichten, dürfte in diesem Ausmaß, wie es jetzt nötig geworden ist, nicht einmal mehr ein Diskussionsthema sein. Nicht in dem Europa, das sich die Gründerstaaten nach dem Zweiten Weltkrieg geschworen hatten, zu errichten. Und auch nicht in dem Europa, das mit dem Fall der totalitären Regime und ihrer Willkürherrschaft im östlichen Teil des Kontinents möglich werden sollte. Dennoch: In Ungarn und Polen versuchen national-populistische Regierungen mit ihren Mehrheiten in den Parlamenten, sich die dritte Gewalt im Staate, das Justizwesen, hörig zu machen. Die sogenannte vierte Gewalt, eine freie und unabhängige Presse, wurde in diesen Ländern bereits weitgehend ausgehöhlt. Veranschaulichen lässt sich das beispielhaft am polnischen Staatssender TVP, über den berichtet wurde, dass er während des polnischen Präsidentschaftswahlkampfs dem konservativen Amtsinhaber Andrzej Duda als Propagandainstrument diente.
Ob diesen Entwicklungen am geeignetsten im Rahmen von Budgetverhandlungen entgegengewirkt werden kann, bei denen der ungarische Regierungschef Viktor Orban, wie bereits angekündigt, die Möglichkeit hat, mit einem Veto die Gespräche zu blockieren, kann bezweifelt werden. Richtig ist es dennoch, auch hier Druck zu machen und bis aufs Äußerste zu gehen. Es war ein Fehler, sowohl von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel als auch vom luxemburgischen Premierminister Xavier Bettel, bereits am Beginn der Gespräche in Brüssel das Thema der Rechtsstaatlichkeit im Zusammenhang mit dem Erhalt von EU-Geldern als für das Gelingen der Verhandlungen zweitrangiges Problem abzutun. Merkel ist als amtierende EU-Ratspräsidentin offenbar mehr daran gelegen, so schnell wie möglich die ohnehin komplizierten Finanzfragen zu klären. Zu hoffen bleibt daher, dass das Europäische Parlament, das dabei ein entscheidendes Mitbestimmungsrecht hat, standhaft bleibt. Denn wie die luxemburgischen EU-Parlamentarier diese Woche erklärten, ist die Verknüpfung der Rechtsstaatlichkeit mit der Vergabe von EU-Geldern für die europäischen Volksvertreter eine „rote Linie“, die nicht überschritten werden darf.
Leider haben Polen und Ungarn gewonnen ... ein trauriges Ergebnis
Rechtsstaatlichkeit gegen Geld. Spiegelbild unserer Kultur , man glaubt mit Geld alle Probleme zu lösen.Die Dekadenz unserer Zeitepoche in Gesellschaft, Politik , Denkweise überflügelt das Zeitgeschehen, dem Niedergang , wie einst viele große Kulturen, entgegen.