Als sich die Teilnehmer an der diesjährigen Verkostung der Weine aus Luxemburg für den französischen Weinführer „Guide Hachette 2021“ treffen, ist fast alles wie früher: Die Begrüßung ist herzlich, die meisten Tester kennen sich, haben sich aber Lockdown-bedingt eine Zeit lang nicht gesehen. Und so ist das Coronavirus nicht nur durch Masken und soziale Distanz omnipräsent: Der Smalltalk, die Regeln der Verkostung, das späte Datum statt Mitte Mai weisen auf die veränderte Situation hin. Dennoch herrscht an diesem 15. Juni keine Untergangsstimmung im „Institut viti-vinicole“ in Remich. Optimismus und Zuversicht sind prägend für Winzer. In ihrem Berufsalltag müssen sie zurechtkommen, wenn ihnen das Wetter, ein Pilz oder andere Schädlinge das Leben schwermachen. So ist das jetzt auch – mit dem Virus.
Aber Hand aufs Herz kann unter diesen Umständen – Maske tragen und soziale Distanz einhalten – bei der Verkostung überhaupt ein Genussgedanke aufkommen? Immerhin schreibt der unabhängige französische Weinführer „Guide Hachette“ vor, die Prüfung sollte in „einer geselligen Atmosphäre“ stattfinden.
„Ausgewogene Probe“
Am Tisch gelten auch die üblichen Hygieneregeln und auch wenn die Tester auf Abstand sitzen, so entwickelt sich das „bekannte Gefühl von Geselligkeit“ von selbst. Die Verkoster tauchen in ihre bekannte Weinwelt ein, es wird über Bouquet und Farbe gefachsimpelt, wie beeindruckend ein Wein in der Nase und am Gaumen ist. Es wird über die Bewertung diskutiert, das Urteil der jeweils drei bis vier Tester in einer Jury wiegt gleichauf. Wird gerade ein herausragender Tropfen probiert, hört man hie und da ein begeistertes „Mmhhh“ durch den Saal erklingen. Der Genuss am guten Wein stellt alles andere, zumindest für ein paar Stunden, in den Hintergrund.
Die genaue Prüfung von Farbe, Duft, Nase, Gaumen und Abgang mit anschließender Punkte- und Sternevergabe durch die Jury muss sein. Denn jeder Präsident notiert sorgfältig die Eindrücke zum Wein sowie die Benotung in seiner Gruppe. Dieses Urteil wird im Wortlaut später in den Weinführer übernommen. Vergeben werden 0 bis 5 Punkte sowie drei Sterne. Jeweils ein, zwei oder drei Sterne zeichnen zwischen Note 3 und 5 einen Wein zusätzlich aus.
Weine, die mit 0 bzw. 1 Punkt bei der Verkostung bewertet werden, fallen aus dem Raster heraus. Note 2 bedeutet ein gelungener Wein, der ohne Stern im „Guide Hachette“ erscheint. Der erste Stern wird ab der Note 3 verliehen. Sie steht für einen soliden, gut gemachten Wein. Zwei Sterne und die Note 4 zeichnen ein „bemerkenswertes“ Produkt aus. „Außergewöhnliche“ Tropfen bekommen drei Sterne. Wer drei Sterne trägt, ist meistens ein „Coup de cœur“ der Prüfer und nimmt an einer zweiten Verkostungsrunde teil, bei der die Jurypräsidenten die Tropfen erneut auf Herz und Nieren testen.
„Es ist eine ausgewogene Probe“, freut sich Kellermeister Guido Sonntag (Vinsmoselle Wormeldingen) über die Qualität der präsentierten Kandidaten für den „Guide Hachette 2021“. Insgesamt 86 Weine und 28 Crémants von 29 Winzern haben sich in diesem Jahr für eine Aufnahme beworben. Von Auxerrois, Pinot blanc, über Pinot noir und Pinot-noir-rosé, bis Vin de paille (Strohwein) aus den Jahrgängen 2018/2019 und Crémants Millésimes (2014-2017) wurden bei der Verkostung in Remich probiert. 21 Tester – deutlich weniger als üblich – von der Gemeinschaftskellerei Vinsmoselle, der Vereinigung der „Lëtzebuerger Privatwënzer“ und dem Weinhandel sowie im Bereich der Gastronomie tätige Journalisten nahmen die eingereichten Weine unter die Lupe.
Welche Weine aus Luxemburg es letztendlich in den „Guide Hachette 2021“ geschafft haben und mit welcher Bewertung, ist noch nicht bekannt. Die Ergebnisse sollen aufgrund der aktuellen Lage später als gewohnt im Herbst mit der Veröffentlichung der neuen Ausgabe des Weinführers bekannt gegeben werden, heißt es.
Vier Fragen an Roby Ley, Direktor des „Institut viti-vinicole“ in Remich
Tageblatt: Herr Ley, was bedeutet es für die Weine der Luxemburger Mosel, im „Guide Hachette“ vertreten zu sein?
Roby Ley: Wir freuen uns sehr darüber. Zumal wir die einzige nicht-französische Weinbauregion in diesem anerkannten Weinführer sind, neben all den bekannten französischen Regionen wie Champagne oder Provence. Ursprünglich war auch die Schweiz darin vertreten, das ist jetzt nicht mehr der Fall.
Das Besondere am „Guide Hachette“ ist, dass die Weine von Experten aus der jeweiligen Region verkostet werden und nicht, wie bei Concours üblich, durch eine internationale Jury, die nicht mit den Gegebenheiten des Terroirs vertraut ist. Bei „Hachette“ beurteilen Winzer, Weinjournalisten und auch Vertreter des Horeca-Bereichs, wodurch ein anderes Gesamtbild von einem Wein entsteht.
Auf den Ausnahme-Jahrgang 2018 folgte im letzten Jahr ein Jahrgang, der mit Kälteeinbrüchen zurechtkommen musste. Und doch überraschten einige 2019er Weine, z.B. aus der Sparte der Pinot gris, mit herausragenden Qualitäten. Wie erklären Sie diese Entwicklung?
Beim Wein gleicht kein Jahrgang dem anderen. Der Jahrgang 2018 war nicht nur in seiner Qualität außergewöhnlich, sondern auch in der Quantität. Solche Jahrgänge gibt es zwei-, dreimal in einem Jahrhundert.
Wohingegen der Jahrgang 2019 genauer den typischen Charakter des Luxemburger Terroirs widerspiegelt. Die Kälte hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht, sodass es ein ganz kleiner Millésime geworden ist. Die Qualität stimmt und ist hoch.
Wie schätzen Sie persönlich die Weine ein, die heute zur Verkostung standen?
Ich habe Rieslinge der Jahrgänge 2018 und 2019 verkostet. Unsere Jury hat sowohl einen 2018er und einen 2019er Riesling als „Coup de cœur“ vorgeschlagen. Schließlich muss man Wein immer in der Gesamtheit des jeweiligen Jahrgangs betrachten. Und wenn Weine eine gewisse Komplexität aufweisen, so sind sie selbstverständlich „Coup de cœur“-verdächtig. Diese Komplexität findet sich in den beiden letzten Weinjahrgängen.
Stichwort Corona. Das Virus bedingte in Luxemburg einen kompletten Lockdown des öffentlichen Lebens, auch für den Weinbau war diese Zeit schwierig. Wie bewerten Sie die Situation?
Ich plädiere für den Konsum von regionalen Produkten, für den Luxemburger Wein. Außerdem möchte ich die Menschen ermutigen, wieder ins Restaurant zu gehen. Wir arbeiten eng mit der Gastronomie zusammen und sollten uns in diesen bitteren Zeiten gegenseitig unterstützen.
Der „Guide Hachette“
Der unabhängige Weinführer erscheint seit über 30 Jahren und arbeitet mit einem Bewertungssystem mit Noten (0-5). Gleichzeitig werden den Weinen, ab einer Note von 3-5, zwischen einem und drei Sterne zusätzlich verliehen. Herausragende Weine werden von den Testern mit dem Prädikat „Coup de cœur“ bedacht.
Die Note 1 steht für einen „mittleren“ Wein, ohne besondere geschmackliche Qualität, er wird nicht in den Weinführer aufgenommen. Note 2 bedeutet ein gelungener Wein, der ohne Stern im „Guide Hachette“ erscheint. Der erste Stern wird ab der Note 3 verliehen. Sie steht für einen soliden, gut gemachten Wein. Zwei Sterne und die Note vier zeichnen ein „bemerkenswertes“ Produkt aus. „Außergewöhnliche“ Tropfen bekommen drei Sterne. Im „Guide Hachette“ werden, anders als z.B. beim Weinführer des berühmten Klassikers „Gault & Millau“, nicht die Weingüter, sondern die Weine selbst bewertet.
Im französischen Weinführer werden Weiß-, Rosé- und Rotweine, Perlweine und Spätlesen aufgelistet. Die Produkte, übrigens sind alle Preisklassen vertreten, werden blind verkostet, um größtmögliche Neutralität zu gewährleisten, heißt es vom Weinführer. Neben den zwölf französischen Weingebieten ist die Luxemburger Mosel mit ihren Weinen und Crémants das einzige ausländische Anbaugebiet, das darin vertreten ist.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können