Mitten in der Hochsaison einen Interviewtermin in einem Fahrradgeschäft zu bekommen, gleicht einem Sechser in Lotto. „Gerne“, sagt Georges Francisco, Geschäftsführer von Rasqui Cycles S.àr.l. in Esch/Alzette am Telefon, als wir einen Termin vereinbaren. „Am liebsten nach Feierabend, denn hier herrscht gerade Hochbetrieb“, erklärt er. Am Montagabend, kurz nach sechs Uhr ist es so weit. In der Escher Brillstraße herrscht, wie angekündigt, noch immer rege Betriebsamkeit: Während einige Menschen schon ihr Feierabendbier genießen, ist bei Rasqui Cycles nicht daran zu denken: Gerade gibt ein Kunde sein Zweirad für eine Wartung ab. In einer Woche sei das Rad abholbereit, verspricht der Chef.
„Schießen Sie los, was möchten Sie über E-Bikes wissen?“, sagt Francisco. Fachmännisch beantwortet er jede Frage im Interview, bis er beinahe beiläufig fragt: „Möchten Sie ein Elektrorad probieren?“ Eigentlich stehe ich Pedelecs, wie Elektrofahrräder auch heißen, eher skeptisch gegenüber. Beim Radfahren will ich den Ton angeben, hier bin unsicher, ob ich mit der Stromkraft zurechtkomme. Mit der Schaltung der Gänge und dem Wechsel der Modi ergibt sich eine völlig neue Situation und ich bin als Gelegenheitsradfahrerin nicht allzu sattelfest. Außerdem bin ich noch nicht im Seniorenalter, um mit einem Elektrorad zu liebäugeln, denke ich.
Der Fahrer ist der Chef
Offenbar kennt Georges Francisco diese Zweifel und beruhigt: „Sie geben das Kommando, das Rad fährt so schnell oder langsam, wie sie in die Pedale treten. Der Software reagiert in Millisekunden, das Fahrrad passt sich dem Fahrer an. Es kann nichts passieren.“
Ich fasse mir ein Herz und steige auf. Das Elektro-City-Bike ist geduldig mit mir. Sobald mein Fuß die Pedale berührt, reagiert das Rad sofort. Je nach Druckstärke bewegt es sich wie nach einem kräftigen Schub vorwärts oder gleitet sanft über die Straße.
Das anfängliche Gefühl, dass das Rad unbeweglich ist, verfliegt schnell, sobald man von dem Eco- in den Sport- und nach ein paar Runden gar in den Turbomodus schaltet. Die ersten Kurven sind wie meine Fahrweise verhalten. Georges Francisco ermutigt, sich zu trauen, Fahrmodus und Gänge zu wechseln. „Es passiert nichts“, der Satz lässt mich mutiger werden. Die Runden auf der kleinen autofreien Straße, unter den Augen von Cafégästen und Jugendlichen, die meine ersten E-Bike-Versuche belustigt beäugen, werden schneller und machen Spaß. Von wegen Senioren-Bikes! Auch wenn es bei diesem spontanen Test nicht so aussieht, das City-Bike hat ordentlich Power und das Fahren macht Freude.
Nach ein paar Runden steige ich ab und finde, Pedelecfahren gefällt mir. „So wie Ihnen geht es vielen Menschen, die zum ersten Mal ein Elektrorad ausprobieren. Sie sind zunächst skeptisch, wissen nicht, was sie erwartet. Dabei ist der Fahrer der Chef am Lenker, die Maschine hört nur auf sein Kommando“, wiederholt Francisco.
Ob ich noch ein Mountainbike testen möchte, fragt er noch. Ich lehne dankend ab. Ein Adrenalinschub reicht an diesem Abend aus. Aber sicher ist, ich bin auf den Geschmack gekommen. Möglicherweise tausche ich irgendwann mein „Muskelkraft“-Rad aus, um beim Familienausflug Schritt halten zu können und die gemeinsame Zeit zu genießen, statt jeden Hügel gedanklich zu verdammen, der mich ausbremst. Oder wahlweise die silberhaarigen E-Bike-Fahrer, die in beneidenswertem Tempo am Hügel an mir vorbeirauschen.
Zehn Punkte für das Elektrofahrrad
Was muss ein gutes Elektrorad können? Wie viel Reichweite ist mit einem Fahrradakku möglich? Wie viel kostet ein Pedelec? Georges Francisco kennt sich mit (Elektro-)Fahrrädern aus. Hier seine Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die E-Bikes.
Worin liegt der Unterschied: Pedelec oder E-Bike?
„Eigentlich meinen beide Begriffe das Gleiche. Pedelec wird mehr im deutschsprachigen Raum gebraucht, E-Bike kommt aus dem Englischen“, erklärt Georges Francisco. Beide Begriffe beziehen sich auf moderne (Fahr-)Räder mit Stromkraftunterstützung.
Generell spricht man bei Pedelecs von Fahrrädern, bei denen die Tretkraft des Fahrers durch einen Elektromotor unterstützt wird. Bis zu einer Geschwindigkeit von bis zu 25 km/h gelten Pedelecs als Fahrräder und benötigen keine Straßenzulassung.
Anders sieht es bei den sogenannten E-Bikes aus. Sie werden wie „Fahrzeuge mit einem Antrieb betrachtet“, sagt Georges Francisco. Es gibt auch Elektro-Fahrräder, die eine Geschwindigkeit von bis zu 50 km/h erreichen können. Sie sind mit einem 500 Watt starken Akku ausgestattet und müssen bei der SNCA als Straßenfahrzeuge angemeldet werden, so der Fachmann. Streng genommen sind daher die meisten E-Bikes, die in Luxemburg angeboten werden, Pedelecs und keine E-Bikes.
Akku ist nicht gleich Akku
Es gibt verschiedene Akkumodelle mit 200, 300, 400 und 500 Watt Leistung. Das neueste Modell bringt stattliche 620 Watt Leistung, so der Experte.
Eine Ladung reicht für bis zu 50 Kilometer, je nach Beschaffenheit der Landschaft und Fahrweise sind auch bis zu 60 Kilometer möglich. Moderne Fahrradakkus schaffen bis zu 500 Aufladezyklen. Vorausgesetzt, sie werden richtig auf- und entladen: „Eine Batterie darf nicht völlig leer gefahren werden. Sind etwa 20 Prozent Leistung noch darin enthalten, muss sie an den Strom.“
Für die Lagerung im Winter ist es empfehlenswert, den Akku auf etwa 80 Prozent herunterzufahren und bei diesem Wert überwintern zu lassen. Diese Richtwerte hängen mit dem Innenleben der Batterie, der sogenannten Masse, zusammen, die sich bei Bedarf ausdehnen kann. Ist die Batterie vollständig aufgeladen, gibt es keinen Platz dafür, gibt Francisco zu bedenken.
Hat der Akku irgendwann seinen Lebenszyklus vollendet, kann man einen neuen einsetzen, ohne gleich ein neues Fahrrad anzuschaffen, merkt Georges Francisco an.
Was bringt die Tretkraftunterstützung?
Alle Pedelecs unterstützen den Fahrer, wenn er in die Pedale tritt. „Innerhalb einer Millisekunde rechnet ein kleiner Computer am Lenker aus, wie viel Hilfe durch Stromkraft der Radfahrer benötigt, bis er die 25 km/h erreicht.“
Leistung hat ihren Preis
„Der Basispreis für ein gutes Elektrorad mit einer kleinen Batterie von Bosch liegt bei 1.999 Euro.“ Bosch und Shimano, sagt Francisco, seien die Referenz in Sachen Akkus von Pedelecs. Nimmt man dieses Rad als Basis und stattet es mit einer 400 Watt starken Batterie aus, kostet es dann rund 200 Euro mehr. Wer lieber einen 500 Watt starken Akku daran montiert, muss 200 Euro mehr als bei der 400-Watt-Variante ausgeben. Für rund 2.400 Euro bekommt man ein leistungsstarkes Elektrorad, erklärt der Fachmann.
Service nicht vergessen
Nach etwa 150 gefahrenen Kilometern mit dem E-Bike wird die erste Wartung fällig. Die Schrauben, je nachdem ob das Rad einen Aluminium- oder Carbonrahmen hat, müssen nachgezogen werden. „Lässt man die Wartungen aus, wird das Bike schnell alt und benötigt schneller Ersatzteile“, so Francisco. Die zweite Revision steht bei 600 Kilometern an, die dritte bei etwa 1.400 Kilometern. Zwischendurch, je nach Fahrumfeld, kann es passieren, dass Ersatzteile fällig werden.
Aber auch die Informatik im Rad ist nicht außer Acht zu lassen. „Wir haben hier kleine Computer, die regelmäßige Software-Updates brauchen.“ Fehlen die Updates, kann es passieren, dass der Fahrrad-PC langsamer oder ungenau auf die Impulse des Fahrers reagiert, erklärt Georges Francisco.
Für wen eignen sich Pedelecs?
Elektroräder mögen wuchtig erscheinen, durch die Batterie wiegen sie tatsächlich mehr als ein herkömmliches Fahrrad, erklärt Georges Francisco. „Ein Elektro-Bike eine Treppe hochzuheben, ist nicht für jeden Fahrer gleich einfach“, so der Fachmann. Allerdings haben Elektrobikes durch das Zusatzgewicht eine bessere Straßenhaftung, sind stabiler und kippen weniger in den Kurven um, erklärt der Experte.
Alles Gründe, warum auch immer mehr Senioren sich für diesen Fahrradtyp entscheiden. „Wir haben Kunden, die 70, 80 oder sogar 90 Jahre alt sind. Unser ältester Kunde wird in diesem Jahr 96.“ Dieser sollte, auf Anraten seines Arztes, im Alltag moderaten Sport treiben, sich weiter bewegen. Elektrofahrräder boten sich dafür an. Seine erste Probestrecke führte den 95-Jährigen von der Brillstraße bis zum Escher Tierpark auf dem „Gaalgebierg“. „Ich habe mich wie ein 18-Jähriger gefühlt“, habe er fasziniert gesagt, erzählt Georges Francisco. Damit sei die Entscheidung für das Pedelec gefallen.
Der gesundheitliche Nutzen ist ein weiterer Grund, ein Elektrorad zu fahren. „Menschen, die an Herz-, Lungen-, Arthrose- und an Rückenerkrankungen leiden, entdecken dank der Motorunterstützung wieder das Fahrradfahren für sich.“ Ihre Lebensqualität steigt dadurch deutlich an. „Ich lebe wieder“, habe ein Kunde mit schwerem Rückenleiden zu Francisco gesagt, nachdem er sich ein Elektrorad zugelegt hatte.
Eine Frage des Typs
Es gibt nicht nur einen Typ Elektrofahrräder: vom Kinderrad, übers Mountainbike bis zum Citybike sind alle Varianten auf dem Markt vorhanden. Welche Variante zu einem Fahrer am besten passt, lässt sich bei einer Probefahrt herausfinden. Händler bieten auch mehrere Radtypen zum Testen an.
Die Reichweite ist entscheidend
Wie weit man tatsächlich mit einer Akkuladung kommt, hängt von mehreren Faktoren ab, wie beispielsweise dem Gewicht des Radfahrers oder der Beschaffenheit der Straße oder der Landschaft. „Jemand, der in der Schweiz unterwegs ist, fährt weniger Kilometer mit einer Batterieladung als jemand, der das in Holland tut.“ Die Gleichung gilt gewissermaßen auch für die Auswirkung von dem Gewicht des Fahrers auf die Reichweite.
Eine entscheidende Rolle für mehr Reichweite spielt außerdem, wie viel der Radfahrer die Motorkraft beeinflusst. Ist er sportlich und lässt sich weniger durch die Batterieleistung beim Tritt in die Pedale unterstützen, kommt er mit einer Ladung deutlich weiter, als jemand, der den Motor die Beinarbeit machen lässt.
Außerdem können Außentemperaturen die Reichweite einer Batterieladung verlängern oder verkürzen. „Es ist die gleiche Situation wie bei der Beheizung eines Hauses im Winter und im Sommer. Im Winter braucht man mehr Energie als im Sommer“, erklärt Francisco.
Fahrradfahren in Corona-Zeiten
Während des Lockdowns feierte Fahrradfahren, nicht nur in Luxemburg, als Freizeitaktivität und Fortbewegungsmöglichkeit einen bisher nicht gekannten Erfolg. Dieser Trend hält noch immer an, bestätigt auch Georges Francisco. „Die Menschen wollten nicht mehr eingesperrt sein. Sie wollten Sport im Freien treiben.“ Das gilt auch für die (Hobby-)Sportler, die Hallensportarten ausüben. „Sie stiegen sehr schnell aufs Fahrrad um. Und die Begeisterung dafür hält noch an. Die Verkaufszahlen sind gut.“
Lange Wartezeiten einplanen
„Je nach gewünschtem Modell müssen Kunden bis Januar 2021 auf ihr neues Fahrrad warten“, erklärt der Inhaber von Rasqui Cycles. Die lange Wartefrist lässt sich einfach erklären: Zwei Monate stand die Produktion in China still, zwei Monate waren die Geschäfte in Luxemburg geschlossen, einen Monat dauerte es, bis der Warenverkehr wieder anlief. „Diese fünf Monate müssen Sie dazurechnen, wenn Sie jetzt ein neues Fahrrad kaufen wollen. Es gibt Kunden, die ihr neues Bike erst im Februar bekommen“, so Georges Francisco. Sogar für Räder, die ohne Motorkraft auskommen, gibt es Lieferzeiten für November 2020. „Hätten wir diesen Boom vor einem Jahr kommen gesehen, hätten wir uns anders darauf vorbereitet“, schmunzelt der Geschäftsinhaber.
Zuschüsse beim Fahrradkauf
Die Corona-Krise beschleunigte den Aufstieg des Fahrrads als das Verkehrsmittel der Stunde. Seit Mai gelten neue staatliche Förderungen, die den Umstieg auf den Drahtesel erleichtern sollen. Eine davon ist die neue Prämie in Höhe von bis zu 600 Euro. Sie kann für Fahrräder, die zwischen Mai 2020 und März 2021 erworben wurden, angefragt werden. Eine weitere Förderung betrifft Fahrräder (mit und ohne E-Unterstützung), die zwischen Anfang 2019 und Ende 2020 gekauft wurden.
Kriterien für den Erhalt der neuen Prämie:
– Die Prämie beläuft sich auf 50% des Kaufpreises ohne Mehrwertsteuer, bis maximal 600 Euro.
– Die Förderung kann für ein Fahrrad für Erwachsene, ein Kinderfahrrad (beides ohne Unterstützung) oder auch für ein Zweirad mit Tretkraftunterstützung bis zu max. 25 km/h beantragt werden. Sie umfasst neue Räder, die zwischen dem 11. Mai 2020 und dem 31. März 2021 gekauft wurden bzw. werden.
– Der Zuschuss kann „natürlichen Personen, die in Luxemburg wohnen, für ihren persönlichen Bedarf gewährt werden, unabhängig davon, ob es sich um einen Erwachsenen oder ein minderjähriges Kind handelt“, schreibt Guichet.lu.
– Innerhalb von fünf Jahren wird pro Person jeweils nur eine Prämie bewilligt.
– Die Beihilfeanträge müssen spätestens ein Jahr nach dem Erwerb des Fahrzeugs eingereicht werden.
– Die Förderung gilt nicht für Elektro-Tretroller, Hoverboards und Solowheels sowie alle anderen Fortbewegungsmittel für den urbanen Raum.
– Die Prämie von bis zu 600 Euro ist mit der Förderung für zulassungspflichtige Fahrzeuge (E-Autos) kombinierbar.
Zweite Prämie für Fahrräder und Pedelecs (Kaufdatum Januar 2019 bis Dezember 2020) weiterhin gültig
Für neue Fahrräder und Fahrräder mit Tretkraftunterstützung bis maximal 25 km/h, die zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 31. Dezember 2020 gekauft wurden (Datum der Rechnung), können Privatpersonen eine Prämie von 25% der Fahrzeugkosten ohne Mehrwertsteuer, jedoch nicht mehr als 300 Euro beantragen.
Formulare
Um diese Prämien zu bekommen, müssen Privatpersonen bei der „Administration de l’environnement“ (Umweltamt) einen Antrag stellen.
Dort sind neben persönlichen Angaben zum Käufer auch folgende Dinge anzugeben:
– Nummer und Datum der Rechnung;
– Fahrzeugtyp mit dem Hinweis „Fahrrad im Sinne der Straßenverkehrsordnung“ (cycle au sens du Code de la route) oder einen Beleg, dass das Fahrrad ohne Hilfsmotor bzw. dass das Fahrrad bis zu 25 km/h schnell und nicht mehr fährt;
– Kaufpreis ohne Mehrwertsteuer.
Alle Informationen sowie das Antragsformular für die Beihilfen gibt es hier: Guichet.lu -> „Bürger“ -> „Transport“ -> Individualverkehr -> Finanzielle Beihilfen für den Erwerb und das Halten von Kraftfahrzeugen -> Eine Prämie für den Kauf eines Pedelecs (≤ 25 km/h) oder eines Fahrrads beantragen
(Quelle: Guichet.lu/ds)
Mehr Informationen
Umweltamt – Zuschüsse und finanzielle Beihilfen
1, avenue du Rock’n’Roll
L-4361 Esch/Alzette
Tel.: (+352) 40 56 56-444
E-Mail: car-e@aev.etat.lu
(Leider war die Hotline während der Recherche zu diesem Artikel seit vergangenem Freitag nicht erreichbar. Ob am Morgen, am frühen Nachmittag oder abends um 18.28 Uhr, es hieß immer wieder, „alle unsere Mitarbeiter sind im Gespräch“.)
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