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SerieHistorisches und architektonisches Esch (53): Die Casa d’Italia

Serie / Historisches und architektonisches Esch (53): Die Casa d’Italia
Die Casa d’Italia heute Foto: © Christof Weber, 2015

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Die Einrichtung der Casa d’Italia im Jahre 1938 entsprang dem Willen des faschistischen Regimes in Italien, die italienischen Auswanderer in Luxemburg zu kontrollieren und sie für Mussolinis Großmachtpläne zu begeistern. Die Casa d’Italia war kein Einzelfall, sondern Teil eines Netzwerkes von ähnlichen Institutionen, das alle Länder umspannte, in denen sich italienische Einwanderer niedergelassen hatten. 

Die Erinnerung an die Casa ist vielschichtig, was einer späteren Mythenbildung Vorschub leistete. So hielt sich lange Zeit hartnäckig das Gerücht, die italienische Gemeinde Luxemburgs habe das Bauwerk finanziert und ihrem Vaterland geschenkt. Dem ist aber nicht so. Es wurde von der Vertretung Italiens in Luxemburg geplant, in Auftrag gegeben und bezahlt. Zwar hatte Botschafter Antonio Tamburini 1938 vermögende Mitglieder der italienischen Gemeinde Luxemburgs um Spenden gebeten. Da das Gebäude jedoch bescheidener als geplant ausgefallen ist, war ihm möglicherweise bei diesem Unterfangen nicht der erwartete Erfolg beschert.
Errichtet wurde das Gebäude am Ende der rue de l’Alzette auf Bauland, das die Botschaft dem Escher Bauunternehmer Marco Moia abgekauft hatte. Dessen Firma wurde auch mit dem Bau beauftragt. Die ursprünglichen Pläne hatte der Architekt Luigi Rossi (1899-1957) gezeichnet. Rossi, der bis 1938 in Luxemburg ansässig war, stammte aus dem Tessin und war demnach Schweizer. Er hatte in Italien, u.a. auf der Kunstakademie in Bologna, studiert und war für seine Art-déco-Entwürfe bekannt. Die tatsächlich gebaute Casa entsprach – außer was die Aufteilung der Volumen anbelangte – kaum den Plänen des Architekten. Als Ursache für die Abweichungen darf man fehlende finanzielle Mittel sowie beschränkende Auflagen der Escher Baubehörde vermuten.

Das Bauwerk hat vier Ebenen. Die Strukturierung der Fassade verbindet das Erdgeschoss über eine zusammenhängende Gestaltung der Tür- und Fensterumrandungen optisch mit dem ersten Stock. Hier wurde teurer Werkstein eingesetzt. Die Fenster der weiteren, niedrigeren Stockwerke wurden im Stil der Bauten des Veneto mit einem einfachen weißen Band gerahmt. Die breiter als höher gehaltenen Fenster sind modernistisch geprägt. Das oberste Stockwerk schließt mit einem eigenartigen Zinnendekor ab. Insgesamt vermittelt das Gebäude einen sehr vertikalen Eindruck. Wäre es nicht beidseitig angebaut, würde es an einen der typischen italienischen Adelstürme erinnern.

Die Casa d’Italia beherbergte, neben Büroräumen und einer Pförtnerwohnung, vor allem einen geräumigen Festsaal mit Bühne. Dieser diente zunächst eher unverfänglichen Angeboten in Zusammenarbeit mit traditionellen italo-luxemburgischen Vereinen. Dies änderte sich jedoch schlagartig mit der Besetzung Luxemburgs durch das nationalsozialistische Deutschland. Die Besatzungsmacht ermöglichte von nun an den Vertretern ihres italienischen Verbündeten einen rückhaltlosen Zugriff auf die italienische Bevölkerung des Großherzogtums. Am Sonntag, dem 27. Oktober 1940, wurde im Hinblick auf den Jahrestag des Marsches auf Rom (28. Oktober 1922) die Casa feierlich als „Haus des Fascio“ eröffnet. Sie wurde zum offiziellen Sitz der verschiedenen faschistischen Organisationen Luxemburgs sowie zum Schaufenster von deren Aktivitäten. Sie wurde zum Schauplatz politischer Veranstaltungen und bot den Freizeitangeboten des Dopolavoro (Theater, Musik, Vorträge, Ausflüge …) Raum. Am 6. Januar fand die „Befana del Duce“, eine Kinderbescherung, statt. Die gute Hexe Befana (befana, Kontraktion des Wortes epiphania) entsprach sozusagen dem luxemburgischen Nikolaus.

Mit der Befreiung Luxemburgs von der Naziherrschaft geriet die Casa in unsicheres Fahrwasser. Bereits am 10. September 1944 wurde sie als doppeltes Symbol der Unterdrückung durch den Nationalsozialismus und Faschismus gestürmt, ihr Mobiliar zertrümmert oder verschleppt. Sämtliche Italiener Luxemburgs – darunter bekennende Antifaschisten – standen unter dem Generalverdacht, Verbündete der Besatzungsmacht gewesen zu sein. Ihr Besitz wurde vom luxemburgischen Staat eingezogen. Das Schicksal der Casa war ungewiss. Das rechtliche Vakuum wurde von der nach der Befreiung Luxemburgs aus der italienischen Resistenz hervorgegangenen Vereinigung Italia libera gefüllt. Die Lage klärte sich mit der Ankunft des neuen italienischen Botschafters Stanislao Corvino-Minkowski (1876 in Polen geboren). Diesem über jeden Zweifel erhabenen italienischen Diplomaten – war er doch selbst vom faschistischen Regime auf die Insel Ponza verbannt worden – gelang es, die Verhältnisse zu regeln. Er überließ nach einigem Hin und Her dem Verein die Schlüssel des Hauses.

Im Verlauf der Jahre bemühte sich die Italia libera, populäre Veranstaltungen auszurichten, die das Ansehen Italiens bei der luxemburgischen Bevölkerung stärken sollten. Der Sport erwies sich als geeigneter Botschafter. So empfing die Casa 1949 die italienische Nationalmannschaft im Boxsport und 1950 den bekannten Radrennfahrer Fausto Coppi. Nach dem Abbruch des Nouveautés Palace (1957) traten auch luxemburgische Theatergruppen im Festsaal des Hauses auf. Es fanden wieder Sprachkurse statt und eine Kantine für die italienischen Saisonarbeiter wurde eingerichtet. In dieser Zeit des Wiederaufbaus und des Neuanfangs, die auch der Entstehung der Italienischen Republik entsprach (1946), waren viele ehrenamtliche Kräfte in der Casa am Werk.

1955 übernahm die Vertretung Italiens in Luxemburg die direkte Verwaltung des Hauses. Nun wurden in der Casa verschiedene Dienste eingerichtet, wie etwa das Passbüro oder die Koordinationsstelle für muttersprachlichen Unterricht. So wurde das Haus zu einem Erinnerungsort für alle Italiener in Luxemburg. Es darf deshalb nicht wundern, dass 2008 die Ankündigung, die italienische Regierung wolle das Haus veräußern, eine Protestwelle auslöste.

Schlussendlich erwarb die Stadt Esch das Gebäude mit der Absicht, es einer angemessenen kulturellen Nutzung zuzuführen. Dieses Versprechen wurde gehalten. Seit 2014 gibt es in der ehemaligen Casa Probesäle für die Stadtmusik und für das Zupforchester. In beiden Musikvereinen betätigen sich viele Nachkommen von italienischen Einwanderern. Desgleichen hat hier die Bibliothek der „Ligue de l’enseignement“ eine Bleibe gefunden. Verschiedenen Vereinen, darunter der aus der Italia libera hervorgegangenen Unione delle Donne italiane, stehen Versammlungsräume zur Verfügung. So wird in gewisser Weise ein Bogen zur Geschichte des Hauses geschlagen.

Heute bildet die neugestaltete Casa zusammen mit dem renovierten Escher Theater und dem im Umbau befindlichen Resistenzmuseum (sowie der geplanten kulturellen Umnutzung des Ciné Ariston) das sogenannte „carré culturel“ von Esch. Das in diesem Falle beispielhafte Gespür der politisch Verantwortlichen der Stadt Esch für das kulturelle Erbe hat die Casa zweifellos vor dem Schlimmsten bewahrt. Ihre Umwandlung zur Diskothek oder zum Supermarkt waren schließlich ernsthaft angedachte Optionen.