Liebes Tagebuch, könnte es sein, dass jemand heimlich meinen letzten Eintrag gelesen hat? Ich erhielt nämlich eine Spende. Ja, Geld! Begleitet von der Bitte, mir doch endlich einen Sonnenschirm zu kaufen. Der alte ist ja bekanntlich unter leichtem Wind zusammengebrochen.
Ich danke dem edlen Sender und – natürlich – nehme ich ihm oder ihr es nicht krumm, in meinem Tagebuch gelesen zu haben. Denn dank der Spende bin ich jetzt stolzer Besitzers eines in alle Richtungen drehbaren Sonnenschirms. Rechteckig und anthrazitfarben. Ein ziemlich großes Ding, und vor allem schwer, besonders die vier Betonplatten, die dafür sorgen sollen, dass der Schirm selbst bei starken Böen nicht kippt.
Jaja, liebes Tagebuch, ich weiß, dass du weißt, dass ich zwei linke Hände habe. Trotzdem habe ich mich dazu aufraffen können, den Schirm aufzubauen. Bin echt stolz auf mich, es hat geklappt: Er steht! Wobei, ich gebe es gerne zu, der Aufbau eines Billy-Regals viel komplizierter ist. Wie auch immer. Im Schatten meines neuen Sonnenschirms habe ich mir zur Belohnung einen leckeren Rosé gegönnt.
Im weinseligen Zustand habe ich mir dann gesagt, dass ab nächster Woche in größerem Stil gegrillt wird. Denn ab nächstem Montag darf man ja auch wieder den einen oder anderen lieben Menschen einladen.
Ich nehme mal an, mein Spender gehört auch dazu. So ganz uneigennützig war der Zuschuss wohl nicht … Aber was wäre eine Grillparty ohne Menschen, die man mag – und ohne adäquaten Sonnenschirm!? Meine Töchter freuen sich jetzt schon. Der neue Schirm bietet nämlich auch die Möglichkeit, unser gemeinsames Home-Office etwas zu erweitern, vorausgesetzt natürlich, das Wetter spielt weiterhin mit.
Francesca ist seit letztem Montag wieder in der Schule. Abitur. Real life. Trotz gewerkschaftlichem Abschreckungsversuch. Giulia ist erst ab nächstem Montag wieder an der Reihe. Beide sind aber sehr froh, endlich wieder Freunde zu treffen.
Blöde sei nur, so erzählen sie mir, dass man mit Mund- und Nasenschutzmaske im Unterricht sitzen und sich an diverse ungewohnte Benimmregeln halten müsse. Was soll ich sagen, außer dass die Welt halt nicht perfekt ist.
Trotz Sonnenschirmaufbau und Aktivitäten mit meinen Töchtern habe ich dann noch Zeit gehabt und diverse Zeitungen zu meiner Mutter gebracht. Sie hat gedankt und mir „mein“ Fotoalbum aus Kindestagen mitgegeben. Meine Güte, was hab’ ich gelacht. Die Fotos habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Auf diesen Fotos sind auch einige Menschen zu sehen, die leider nicht mehr leben, die man nicht mehr treffen und sehen kann, mit denen man auch nicht mehr reden kann. Darüber habe ich lange nachdenken müssen und dann den Entschluss gefasst, mich öfters bei Verwandten und Freunden zu melden.
Ab Montag, versprochen. Scheinbar gefällt das aber nicht jedem. Ein guter Freund meinte, das Beste am Ausnahmezustand sei für ihn, dass er Menschen nicht begegnen muss, die er nicht sehen will. So kann man es natürlich auch sehen. Wie gesagt, das Leben ist nicht perfekt. Ich liebe es trotzdem. Du, mein Tagebuch, weißt es.
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