Das Ziegelstein-Mörtel-Modell
Die Haut ist als unsere äußere Begrenzung auch zu unserem Schutz da. Sie schützt uns vor Austrocknung, vor chemischen Substanzen und vor fremden Keimen. Dieser Schutzwall wird Hautbarriere genannt. „Man kann sich unsere Hautbarriere wie ein Ziegelstein-Mörtel-Modell vorstellen“, erklärt Hautärztin Kerstin Kielgast, die eine Praxis in Differdingen führt. Die obersten Hornzellen liegen wie Ziegelsteine übereinander geschichtet und werden durch Zellkitt miteinander verbunden. „Durch wiederholte intensive Waschvorgänge (von mind. 30 Sekunden, Anm. der Red.) und durch den Gebrauch von Desinfektionsmitteln wird der Zellkitt gelöst – herausgewaschen“, sagt die Medizinerin.
Die Folgen kennen die meisten von uns: Die Schutzschicht wird löchrig, unsere Haut verliert verstärkt Feuchtigkeit, sodass sie trocken, rissig und schuppig wird. Juckreiz kommt hinzu, wir beginnen zu kratzen. Doch Vorsicht: „Durch das Kratzen wird die Haut zusätzlich geschädigt und Krankheitskeime können besser eindringen“, erklärt die Hautärztin.
Cremen, cremen, cremen
Am häufigen Händewaschen gilt es trotz Austrocknungsgefahr und rissiger Schutzschicht nicht zu rütteln. Es bleibt der wirksamste Schutz gegen mögliche Infektionen mit dem Coronavirus. Dennoch, die Haut lässt sich mit folgenden Tipps schützen. „Die empfehlenswerteste Vorbeugung ist das häufige Eincremen der Hände – sooft es geht tagsüber und ganz wichtig: vor dem Zubettgehen.“ Denn während wir schlafen, haben unsere Hände genügend Zeit und Ruhe, die Wirkstoffe der Creme gut aufzunehmen, so Kielgast. Die Hautärztin rät zu Pflegecremes mit Harnstoff (Urea), Glycerin und gern auch mit Aloe Vera, um die durchs häufige Händewaschen gestresste Haut zu beruhigen.
Von Parfüm in der Hautcreme rät die Dermatologin jedoch ab, denn es irritiert die Haut zusätzlich. Bei kleineren Hautentzündungen oder Rissen an den Händen, können Produkte, die Wirkstoffe wie Zink oder Panthenol enthalten, schnell helfen, erklärt Kerstin Kielgast.
Bietet die Creme womöglich eine Oberfläche, worauf der Virus über längere Zeit haften kann? „Dazu gibt es tatsächlich keine Studien“, sagt die Medizinerin. „Ich persönlich würde ohnehin zum Gebrauch von Handschuhen plädieren, wenn man sich draußen aufhält. Meiner Meinung nach überwiegt der positive Effekt des Schutzes durch Eincremen und damit der Stabilisierung der Hautbarriere.“
Ins Gesicht geschrieben
Nicht nur die Haut der Hände leidet durch das häufige Händewaschen und Desinfizieren. Auch die Gesichtshaut reagiert öfter gereizt. Zumal „wir nach dem Winterblues aktuell unsere zarte Hülle häufiger hinter einer Maske verstecken (müssen)“, erklärt Kielgast. Sie erinnert daran, dass die derzeit viel verwendeten Gesichtsmasken mit der richtigen Seite nach außen, „also immer inside out“, getragen werden sollten. Und noch wichtiger: Die selbstgenähten Alltagsmasken sollte man täglich waschen, rät die Hautärztin eindringlich.
„Denn was für Pollenallergiker derzeit eine echte Hilfe sein kann, kann bei anderen Menschen zu Hautreizungen oder Unreinheiten besonders im Bereich um den Mund herum führen“, sagt Kerstin Kielgast und erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass inzwischen jeder Vierte unter dem immer früher einsetzenden Pollenflug leidet. Hinzu kommt, dass Pollen nicht nur über die Atmung, sondern auch durch die Haut in unseren Körper gelangen.
Vor allem Bartträgern, die jetzt auch häufiger Mund-Nasen-Schutz tragen, legt die Ärztin eine gründlichere Gesichtshygiene als bisher ans Herz. „Sie sollten auf eine penible Sauberkeit ihres Bartes achten, denn dieser ist ein Sammelplatz nicht nur für Pollen, sondern auch für viele Mikroorganismen“, so Kielgast.
Sauer macht die Haut nicht lustig
Aufgrund der Corona-Pandemie verbringen wir gerade deutlich mehr Zeit zu Hause. Wenn Freiluft-Aktivitäten auf ein Minimum reduziert sind, leidet auch die Gesichtshaut: Sie zeigt sich grau und fahl. Eine möglicherweise unregelmäßige und unter Home-Office-Bedingungen weniger ausgewogene Ernährung trägt zu diesem weniger schmeichelhaften Hautbild bei.
Wer dem entgegenwirken will, ernährt sich vitaminreich und greift zu möglichst basen- statt säurebildenden Nahrungsmitteln, sagt die Ärztin. Neben Obst und Gemüse wie Kartoffeln oder Salat sollten Getreidesorten wie Dinkel und Vollkornprodukte den Weg auf unsere tägliche Speisekarte finden. Hingegen gehören Fleisch, Käse, Wurst, Weißmehlprodukte, Süßigkeiten, Kaffee und Alkohol zu den säurebildenden Nahrungsmitteln. Diese ziehen nicht nur unsere Gesichtshaut in Mitleidenschaft. Und da wir jetzt alle mehr Zeit zu Hause verbringen, warum nicht alte in Vergessenheit geratene Zubereitungen aus Quinoa, Buchweizen oder Kichererbsen ausprobieren, fragt Kielgast. Tolle Rezepte für jeden Geschmack liefere das Netz zuhauf, sagt sie.
Um der Haut in dieser schwierigen Zeit etwas Gutes zu tun, rät die Hautärztin zu einer abgestimmten Hautpflegeroutine. In Corona-Zeiten unterscheidet sie sich wenig von der Pflegeroutine vor der Pandemie. Die aktuell empfehlenswerte Hautpflege setzt auf eine gründliche allabendliche Reinigung mit nicht zu aggressiven Produkten, Nachtpflege wie gewohnt auftragen. Die verwendete Tagespflege sollte bevorzugt aus einem Produkt mit dünnflüssiger Textur bestehen. „Sie sollte nicht zu fettig sein und man sollte nicht zu viel Make-up auftragen, denn der Mund-Nasen-Schutz wirkt bereits okklusiv (zudeckend) und verhindert so einen natürlichen Stoffwechsel der Haut“, erklärt Kerstin Kielgast.
Die Haare sollten häufiger als üblich gewaschen werden, da Pollen auch in den Haaren haften. Hier auf ein mildes Shampoo setzen oder einfach mit Wasser ausspülen.
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