Die Apple Watch startete vor fünf Jahren mit hohen Erwartungen – und zunächst auch schneller Enttäuschung. Doch der iPhone-Konzern bewies Durchhaltevermögen und machte die Computer-Uhr mit einer Mischung aus Gespür für aktuelle Lifestyle-Trends, technischen Weiterentwicklungen und Preissenkungen zum Erfolg. Das sicherte Apple nicht nur den Platz an Dutzenden Millionen Handgelenken und ein Milliardengeschäft, sondern auch eine Schlüsselposition bei der Preisfrage der Tech-Branche: Was kommt nach dem Smartphone, dem heute mit Abstand wichtigsten Verbrauchergerät?
Im Frühjahr 2015 war ein Erfolg alles andere als absehbar. Niemandem war es bisher gelungen, eine Computeruhr im Massenmarkt zu etablieren. Es gab zwar spezialisierte Sportuhren von Polar, Fitness-Armbänder von Fitbit – und auch schon Smartwatches etwa von Motorola. Letztere teilte sich zwar ein Betriebssystem mit Android-Telefonen, wirkte aber klobig wie ein Eishockey-Puck am Handgelenk. Zu ihren charakteristischen Merkmalen gehörte auch, dass der untere Rand des runden Bildschirms flach abgeschnitten war, wie bei einem platten Reifen. Der Grund war prosaisch: Irgendwo musste man ja die Kontakte des Displays unterbringen. Jenes Flat-Tire-Design sollte selbst teure Android-Uhren noch jahrelang verfolgen.
Wer braucht eine Apple Watch?
Vor dem Start von Apples Computer-Uhr schraubten Experten und Medien den Erfolgsdruck in die Höhe: Immerhin was es der erste Vorstoß des Konzerns in eine neue Produktkategorie nach dem iPhone 2007 und dem iPad drei Jahre danach – und auch noch der erste seit dem Tod des visionären Gründers Steve Jobs im Herbst 2011. Als die Watch am 24. April schließlich in den Handel kam, bildete sich eine Schlange vor der Berliner Modeboutique The Corner – einem von nur sechs Geschäften weltweit, in denen das Gerät ohne Online-Vorbestellung gekauft werden konnte. Nach Berechnungen der Marktforschungsfirma IDC legten sich bis Ende des Quartals 3,6 Millionen Nutzer eine Apple Watch zu.
Doch bei weitem nicht alle waren zufrieden. Kritisiert wurde unter anderem, dass die Apps zu langsam starteten und eine Verbindung zum iPhone brauchten. Ausgeklügelte Funktionen wie etwa die Möglichkeit, den Herzschlag auf die Uhr eines Partners zu übertragen, fanden als Spielerei keine Nutzer und wurden gestrichen. Auch die goldene Apple Watch, die mehr als 20 000 Dollar kosten konnte, erwies sich als schlechte Idee. Eine Technik, die schon nach wenigen Jahren quasi obsolet war, passte einfach nicht zum Preis einer Rolex, die man über Generationen ohne Abstriche an der Funktionalität vererben kann.
Im zweiten Quartal 2016 wurden laut Marktforschern noch 1,6 Millionen Apple-Uhren verkauft. Das reichte zwar locker, um die Führung im Smartwatch-Markt zu behalten – aber auch, damit das Gerät zum Flop erklärt wurde. „Ein Jahr nach dem Start ist klar, dass so ziemlich niemand eine Apple Watch braucht“, titelte die Newsseite „Quartz“.
Gesundheit als Verkaufsstrategie
Apple besann sich auf die Nutzungsszenarien, die sich am meisten durchsetzten: Benachrichtigungen, Navigation und Fitness. Die Uhr erwies als mit ihrem Vibrationsalarm als hilfreich, um eine Nachricht oder E-Mail nicht zu verpassen – oder bei einer Navigation mit der Karten-App darauf hinzuweisen, dass man gleich abbiegen muss. Beim Sport misst sie Puls und Entfernung – das können Fitness-Uhren zwar auch. Bei der zweiten Generation machte Apple aber den Prozessor schneller und steckte in das Gehäuse noch einen GPS-Chip zur Ortung.
Ab der dritten Generation kann die Uhr dank LTE-Funk auch ohne iPhone ins Internet und Telefonate entgegennehmen. Die vierte Auflage der Apple Watch stellte das Trendthema Gesundheit in den Vordergrund. Die Computer-Uhr kann seitdem auch Herzrhythmusstörungen erkennen, ein einfaches EKG aufzeichnen und Stürze erkennen. Seitdem präsentiert Apple-Chef Tim Cook auf den Firmenevents immer wieder medienwirksam Berichte von Kunden, die der Apple Watch quasi ihr Leben verdanken, da ein medizinischer Notstand gerade noch rechtzeitig erkannt wurde.
Bei der fünften Generation im vergangenen Herbst bekam die Uhr schließlich einen Bildschirm, der ständig leuchtet, statt nur beim Heben des Handgelenks anzugehen. Parallel mit den Verbesserungen senkte Apple den Preis älterer Modelle: So kostet die zweieinhalb Jahre alte Serie 3 noch 229 Euro.
Kaum Android Smartwatches
Die Strategie führte zum Erfolg: Im vergangenen Jahr setzte Apple nach Berechnungen der Marktforscher von Strategy Analytics gut 30 Millionen seiner Uhren ab – mehr als die Exporte der gesamten Schweizer Uhrenindustrie. Allerdings haben die Schweizer beim Umsatz die Nase vorn, weil der Durchschnittspreis eines typischen Chronometers aus der Alpenrepublik viel höher ist.
Für Apple entwickelte sich die Smartwatch aber vom Beinahe-Flog zum Hit: Die Wearables-Verkäufe halfen dem Konzern zwischendurch auch über die Schwächephase seiner iPhones hinweg. Dem Android-Lager gelang es derweil – ganz anders als bei Smartphones – nicht, mit dem Plattform-Ansatz in wenigen Jahren das Geschäft auszurollen. Obwohl das Google-Betriebssystem den Smartphone-Absatz mit einem Anteil von mehr als 80 Prozent dominiert und auch viele Anbieter von Modeuhren Android-Modelle im Angebot haben, hielt Apple nach IDC-Berechnungen im vergangenen Jahr den Spitzenplatz mit rund 29 Prozent Marktanteil.
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