Liebes Tagebuch, dies ist ein besonderer Tag. Mein tägliches Home-Office muss heute der Kinderbetreuung weichen. Denn meine Frau arbeitet im Gesundheitswesen. Sie wird an Tagen wie diesen dringend im Krankenhaus gebraucht.
Unser Kleinkind ist elf Monate alt und braucht intensive Betreuung. Nebenher den Versuch zu starten, einen einzigen Satz für einen Artikel zu schreiben, kann zur wahren Herausforderung werden. Also, Laptop bleibt zugeklappt, Handy ist nicht immer in Reichweite. Die sauberen Stoffwindeln liegen bereit. Die Notdurft kann kommen.
Ihre ältere Schwester befindet sich in der sogenannten Wackelzahn-Pubertät. Bereits am frühen Morgen läuft die Sechsjährige mit einem weißen Tüll-Kleid durchs Wohnzimmer. Ihre Fingernägel waren am Tag zuvor noch rosa gefärbt, heute Morgen sind sie hellblau mit Glitzer.
Kurz vor Mittag wird das Baby müde und grantig. Ihre Motorik macht schlapp. Sie fällt vermehrt hin, stolpert gegen die Stühle, weint und regt sich auf. Ich schnappe sie und binde sie im Tragetuch fest, das ich wie einen Rucksack über meinen Bauch hänge. Nach einigen Minuten ist sie eingeschlafen. Ich lege sie ins Bett.
Die Sechsjährige spielt gerne Rollenspiele. Offline. Jetzt sitzt sie gerade am iPad und beschäftigt sich mit der Anton-App. Ein spielerisches Lern-Programm für Kinder. Ich setze mich dazu und schlage ihr vor, die Gunst der Stunde zu nutzen und uns, solange das Baby schläft, dem Schulordner zu widmen, den die Lehrerin den „Spillschoul“-Kindern mitgegeben hat. Nach kurzem Verhandlungsgeschick meinerseits, dass sie ja Anton später weitermachen könne, wenn das Baby wach ist, willigt sie ein. Wir machen Übungen zu den Zahlen Drei und Vier.
Das Baby schreit. Es ist wach. Ich gehe hoch. Super-GAU in der Windel. Ich verschleiße mehrere Handtücher und meine Hose. Nicht aufgepasst. Windelwechsel.
Wir gehen runter. Die große Schwester hat sich erneut das iPad geschnappt. Diesmal ist es nicht Anton, sondern ein Zeichenprogramm. Sie malt Vögel, Mäuse und Eulen aus, die sich dann bewegen und lustige Gesten machen.
Nach dem Mittagessen ist Frischluft angesagt. Da alle Spielplätze geschlossen wurden, installieren wir uns im Garten. Dort gibt es Schaukel, Rutschbahn, Trampolin. Für das Baby ist es allerdings interessanter, Grashalme zu erforschen. Sie liebt auch faule Blätter, die noch vom Herbst herumliegen. Und Deko-Steinchen im Kiesbett. Ich versuche, ihr klarzumachen, dass diese nicht essbar sind.
Abendessen. Das Baby hat nach mehreren Stücken Banane und Ei keinen Hunger mehr. Schließlich hatte sie kurz davor noch abgepumpte Milch aus der Flasche getrunken. Kein Hunger mehr bedeutet: Ich schmeiße alles auf den Fußboden. Die Tür geht auf. Mama ist zu Hause.
Das Tageblatt-Tagebuch
Das Leben ist, wie es ist. Corona hin oder her. Klar, die Situation ist ernst. Aber vielleicht sollte man versuchen, ein wenig Normalität in diesem Ausnahmezustand zu wahren. Deshalb veröffentlicht das Tageblatt seit Montag (s)ein Corona-Tagebuch. Geschildert werden darin persönliche Einschätzungen, Enttäuschungen und Erwartungen verschiedener Journalisten.
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