Im Differdinger Creative Hub 1535° ist mittlerweile ein ganzes Netzwerk beheimatet: Mehr als 500 Kreativschaffende in 67 Unternehmen haben dort Büroräumlichkeiten bezogen. Die innovativen Köpfe der Firma Radar sind seit der ersten Stunde dabei und mit der Entwicklung des Hubs verwachsen.
Als 2011 die Diskussion um die Schaffung des 1535° aufkam, sind die kreativen Köpfe von Radar, einem Produktionsstudio, direkt hellhörig geworden. „Damals hatten wir unsere Räumlichkeiten in Contern. Sie waren etwa 45 m2 groß. Wir konnten die Decke mit den Händen berühren“, erzählt Tim Lecomte, der bei Radar unter anderem für die Post-Produktion zuständig ist. Also haben die Kreativen von Radar in regelmäßigen Abständen bei der Gemeindeverwaltung angerufen, bis sie ihre beiden „Espaces de création“ beziehen konnten.
Die Anfänge in der damals noch regelrechten Baustelle waren chaotisch. Im Flur ihres Stockwerkes im Gebäude A wurde noch gearbeitet und dann später in der Halle C gegenüber. Doch gerade diese Anfangszeit hat alle Kreativen zusammenwachsen lassen. „Wir hatten das Gefühl, wie eine Familie zu sein. Damals waren wir vielleicht 40 Leute und konnten uns stets miteinander austauschen.“ Das sei heute mit über 500 Leuten nicht mehr dasselbe, auch wenn der Dialog untereinander – im Vergleich zu anderen Stellen und Orten – trotzdem stets gefordert sei: „Wir arbeiten in einem Beruf, in dem die Dienste von anderen benötigt werden“, sagt Regisseur Fred Neuen, „wie beispielsweise von Fotografen, Kostüm- und Grafikdesignern, Architekten oder Illustratoren.“ Dann werde zuerst geschaut, ob es im Creative Hub jemand Passendes gebe.
Zusammenarbeit
Oft helfen sich die einzelnen Start-ups auch mit Arbeitsmaterial aus. Das Kennenlernen untereinander werde trotzdem weiterhin von den Verantwortlichen gefordert und gefördert, erklärt Bianca Jaeger Montobbio, ebenfalls Regisseurin und Produzentin bei Radar. Einmal im Monat gibt es eine Mieterversammlung, bei der die neuen Mitglieder des Hubs vorgestellt werden.
Dennoch hat sich bei den drei inzwischen der Eindruck entwickelt, nicht mehr jeden zu kennen. Das liege daran, dass viele Mitglieder des Hubs nun Angestellte oder Freelancer beschäftigen, die oft nur für ein paar Monate dort seien. Andere Start-ups wiederum beginnen im 1535° und ziehen dann weiter: „Für manche ist es natürlich ein Sprungbrett. Ich kann mir nicht vorstellen, woanders hinzugehen“, gibt Fred Neuen zu. Radar hat das Gefühl, die Kreativwerkstatt mit aufgebaut zu haben, „obwohl wir eigentlich nichts gemacht haben. Wir waren nur hier und haben bei den ‚portes ouvertes‘ unsere Sachen gezeigt“, lacht Tim Lecomte.
Sichtbarer werden
Neben den Hallen A und C soll auch das letzte verfügbare Gebäude seine Bestimmung im Creative Hub bekommen: Die Halle B, die genau genommen aus zwei verschiedenen Hallen besteht. Unten sind potenzielle Geschäftsflächen mit Schaufenstern vorgesehen. Nebenan soll ein Proberaum entstehen, in dem auch Filmszenen oder Musikvideos gedreht werden können. Damit soll, laut Direktorin Tania Brugnoni, eine Ergänzung zu den bereits bestehenden Arbeitsflächen geschaffen werden. Dazu gehört auch die Soundfactory Sonotron, die bald in Betrieb genommen wird. „Wir haben uns darauf spezialisiert, Lücken zu füllen und die Kreativ- und Kulturwirtschaft zu unterstützen“, erläutert Tania Brugnoni.
m ganzen Land gebe es 122 Kulturzentren, doch keine Proberäume, in denen die Inszenierungen geprobt werden könnten. Die Halle wird voraussichtlich Anfang 2021 fertig sein. Dann erfolgt die Gestaltung des Außenbereichs. Zwischen 600 und 700 Menschen werden dann in den drei Gebäuden tätig sein. Selbst wenn dann die Bauarbeiten beendet sind, ist die Entwicklung des Creative Hub noch nicht abgeschlossen. „Wenn die Räumlichkeiten fertig sind, muss weiter am Konzept gearbeitet werden. Dieser Prozess ist nie abgeschlossen“, sagt Bürgermeister Roberto Traversini. Dazu gehöre auch, die Kreativen im Stadtzentrum anzusiedeln, damit sie für die Öffentlichkeit sichtbarer werden. Das soll ähnlich bei der neuen „Entrée en ville“ weitergeführt werden. Dazu könnte die „Economie circulaire“ zu einem weiteren Standbein werden. „Ich glaube, das könnte eine interessante Kombination sein, die Kreativität und Kreislaufwirtschaft zusammenzubringen.“
Das 1535° ist mittlerweile zu einem Erkennungsmerkmal für Differdingen geworden. „Fast jedes Mal, wenn ich irgendwo hingehe, werde ich darauf angesprochen“, erzählt Traversini. Deswegen laufen gerade die Formalitäten, um sich 1535° als Marke schützen zu lassen.
Staatliche Finanzhilfe
2017 haben die Verantwortlichen eine Konvention mit dem Wirtschaftsministerium unter Federführung von Francine Closener unterschrieben. Dort ist festgehalten, dass innerhalb von drei Jahren 9 Millionen Euro gezahlt werden. Mit diesem Geld wurde das Gebäude C fertiggestellt und die letzte Halle finanziert.
Neben diesem wirtschaftlichen Zusammenhang gibt es auch den ökonomischen Aspekt. Durch dieses kommunale Projekt werde die Kreativwirtschaft nun mit anderen Augen gesehen. „Wir haben die erste physische Plattform dieser Art geschaffen“, so Direktorin Tania Brugnoni. Das sei wichtig im Rahmen einer Wirtschaftsdiversifizierung. Roberto Traversini fügt hinzu, dass der Creative Hub der Allgemeinheit in puncto Lohnsteuer viel Geld in die Taschen spüle. Viele der dort arbeitenden Menschen würden sonst zumindest teilweise im Ausland tätig sein.
Überleben im Kreativbereich
Wenn ein Wirtschaftsbereich im Kommen ist und viele neue Start-ups auf den Markt drängen, dann wird das Überleben für den Einzelnen nicht einfacher. Bei den Regisseuren – anders als bei Produzenten – hat sich Fred Neuens Empfinden nach nicht viel geändert. Jeder habe sein eigenes Gebiet und Visionen. Bei den Produzenten werde oft gesagt, dass der Kuchen nicht größer wird, doch immer mehr Menschen ein Stück davon abhaben wollen.
In dieser Diskussion stünden die Alteingesessenen gegenüber den Neuen, so Tim Lecomte. Radar zählt sich immer noch zu den Neuen dazu, auch wenn das Unternehmen seit 2011 besteht.
Radar hat sich dazu entschieden, größere kommerzielle Arbeiten anzunehmen, um Zeit und Budget für eigene Filmprojekte zu haben. Bianca Jaeger Montobbio ist der Ansicht, dass es hilft, ein Modell anzubieten, bei dem Radar vom Konzept bis zur Postproduktion alles selbst anbietet.
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