Vor rund einem Jahr wiederholte der Escher Bürgermeister Georges Mischo gebetsmühlenartig, wie wichtig es sei, dass Ruhe ins Dossier „Esch 2022“ einkehre. Die Geschehnisse rund um die Kulturhauptstadt ähnelten zu diesem Zeitpunkt denen einer Polit-Soap für Provinzler – als hätte man „House of Cards“ in eine Kleinstadt verlegt und den Hauptfiguren die Professionalität entzogen. Seitdem das Duo Braun-Mosar angestellt wurde, scheint die von Mischo gewünschte Ruhe eingekehrt zu sein. Nur ist diese Ruhe trügerisch – Psychoanalytiker würden von Unterdrückung reden.
Polemisch ist beispielsweise, dass die bereits im Bid Book angeheuerten Künstler sich nun noch mal bewerben sollen. Nancy Braun beteuert, das liege daran, dass bezüglich der im Bid Book angekündigten Projekte kaum Unterlagen oder Verträge vorliegen würden. Braun behauptet zudem, dass einige der Projekte ohne Einverständnis der Projektpartner ins Bid Book aufgenommen wurden. Da hier aber niemand Namen nennen will, ergibt sich ein diffuses Bild von mangelnder Transparenz. Laut Nancy Braun gab es kein Gespräch zwischen dem Vorgänger-Duo und den beiden neuen Projektleitern. Die Situation zwischen Wagner/Strötgen und dem Verwaltungsrat sei zu angespannt, man wolle sich da nicht einmischen.
Problematisch bleibt allerdings, dass das Bid Book – „die Bibel“, wie Braun es (augenzwinkernd) bezeichnet – von Wagner und Strötgen erstellt wurde und sich Braun und Mosar nun auf das geistige Eigentum anderer stützen müssen, ohne je einen Einblick hinter die Kulissen dieses Projekts bekommen zu haben. Ein Austausch hätte es bestimmt erlaubt, einige Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Dieser Austausch scheint aber von den politischen Leitern nicht gewollt. Eines der Hauptanliegen des Bid Book von Wagner und Strötgen war es, mithilfe einer Bottom-up-Herangehensweise und konkreter soziologischer Projekte die Kultur wieder näher an die Bevölkerung des Südens zu bringen.
Hier könnte das von Braun und Mosar adoptierte Finanzierungsmodell, laut dem die eingereichten Projekte der Kulturschaffenden nun nur noch mit 50 Prozent unterstützt werden, problematisch sein. Es werden zwar Privatpersonen ermutigt, an dem Projektaufruf mitzuwirken, diese müssen jedoch neben „Esch 2022“ mindestens einen zweiten Finanzpartner oder Sponsoren ausfindig machen, sodass im Endeffekt unter den Projekten hauptsächlich institutionalisierte Großereignisse den Vorrang haben werden – mit der Wahrscheinlichkeit, dass Kultur weiterhin von der Bevölkerung als elitär abgetan wird.
Solche Sparmaßnahmen gefallen wohl den Politikern, die die (etwas hoch angesetzten) Summen im Bid Book vielleicht schockiert haben – sie ändern aber nichts daran, dass man verschiedene Projektträger so bereits im Vorfeld abschreckt. „Ohne Fleiß kein Preis“, kommentierte Nancy Braun, die Mischos Sport-Metaphorik offenbar nahtlos verinnerlicht hat, dieses neue Finanzmodell. Die Metapher hinkt aber allein deshalb, weil mit diesem Modell die möglichen Projektträger in sehr verschiedenen (wirtschaftlichen) Ligen spielen werden – und man riskiert, dass Zeit in die Suche nach Finanzpartnern gesteckt wird, die man auch mit dem Feilen am künstlerischen Konzept hätte verbringen können.
An der Spitze problemanfälliger Institutionen (das Mudam) und Projekte („Esch 2022“) stehen nun Personen, die den Schwerpunkt auf das Schlichten legen – dabei weiß ein jeder, dass Kultur nicht moderat sein soll. Kargheit, Anstand und Vernunft sind in verschiedenen wirtschaftlichen Kreisen ein Garant für den Status quo, in der Kulturbranche stehen sie aber oftmals für Stagnation, Monotonie und Feigheit.
"Gebetsmühlenartig" ist leider auch das Schlechtreden des Projektes durch das Tageblatt seit die CSV Mannschaft angetreten ist. Dass das Tageblatt mit aller Kraft die ihnen missliebige CSV kritisiert ist ihre gutes Recht. Trotzdem sollte man ehrlicherweise auch erwähnen, dass hier einer ehemaligen TB-Journalistenkollegin Strötgen Schützenhilfe geleistet wurde. Zudem sollte man nicht vergessen ,dass die Vorgänger den Zug auf die falschen Schienen gesetzt haben. Mit viel Arbeit versucht die neue Mannschaft das wenig durchdachte Konzept über die Ziellinie zu retten ohne die desaströsen Finanzen der Stadt weiter zu verschlechtern. Die normale Bürger sind jedenfalls beruhigter, dass jetzt nicht mehr unkontrolliert Geld zur Fenster herausgeworfen wird mit dem Argument, dass Kunst keine Preis hat.