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Junger Lehrer, alter Schüler: Wie Luxemburger Senioren den Umgang mit dem World Wide Web lernen

Junger Lehrer, alter Schüler: Wie Luxemburger Senioren den Umgang mit dem World Wide Web lernen
Was für junge Menschen selbstverständlich erscheint, kann für Senioren zur Hürde werden: beispielsweise ein Fingerabdruckscanner. Foto: Anouk Flesch

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Für die meisten Senioren ist das Internet kein Neuland mehr. Trotzdem können sie auf Probleme stoßen, die sie nicht alleine lösen können. In Internetstuben wie der in Roeser erhalten sie Hilfe.

„Da! Das ist es!“, ruft René Ballmann, während er auf sein Tablet zeigt. Der 69-Jährige ist gerade auf ein Problem gestoßen, das ihm immer wieder zu schaffen macht. Der neben ihm sitzende Daniel Silva wirft einen Blick auf das Gerät und nickt verständnisvoll. „Sie müssen Ihren Finger auf diese Fläche legen“, erklärt er und zeigt Ballmann, wie er auf seinem Tablet den Fingerabdruckscanner nutzt.

30 Jahre WWW: Das Netz und Luxemburg

„Klick!“ Am 12. März 1989 schlug der Brite Tim Berners-Lee im Forschungszentrum CERN ein System vor, mit dem sich Wissenschaftler einfacher über das Internet austauschen können: Das WWW war geboren.

Die Redakteure des Tageblatt-Webdesks berichten in den folgenden Wochen, wie WWW und Internet in Luxemburg Einzug gehalten haben – und wie das Netz von heute funktioniert.

Alle Artikel unserer WWW-Serie finden sie hier.

Ballmann kennt sich eigentlich aus mit dem Internet. Er ist auf Facebook, checkt seine Mails, liest seine Nachrichten online. Damit ist er keine Ausnahme. Mehr als die Hälfte der Menschen über 70 haben in Luxemburg Zugang zum World Wide Web, fand eine Studie vor zwei Jahren heraus. Die Tendenz: steigend. Trotzdem stößt Ballmann immer wieder auf Hürden. Auf Kleinigkeiten, die jüngeren Nutzern wohl keine Probleme machen würden. Wie beispielsweise der Fingerabdruckscanner auf den neueren Handys. Genau für diese Situationen ist Daniel Silva da. In der Internetstube in Roeser gibt er Senioren „Nachhilfestunden“.

„Sie schalten täglich Ihr Handy aus?“ Silva ist erstaunt, kann Ballmann aber verstehen. Immer wieder arbeitet er mit Senioren zusammen, die nachts nicht von ihrem Telefon bestrahlt werden wollen. „Wenn das Ihre Sorge ist, gibt es allerdings noch eine andere Möglichkeit“, erklärt er dem Senioren: einfach das Handy in den Flugmodus schalten. Der lasse sich einfacher anschalten und verhindere die Strahlung genauso gut.

Vor Jahrzehnten, in seinem Büro in Roeser, wurde Ballmann erstmals mit dem Internet konfrontiert. Er war damals Chef des technischen Dienstes der Gemeindeverwaltung. Plötzlich waren diese „riesigen Maschinen“ da. Die ersten Schritte im Netz waren zaghaft, erinnert er sich. Nach und nach wurden aber jüngere Menschen eingestellt, die sich auskannten. Wenn er Probleme hatte, ging er in das Büro nebenan und bat die neuen Mitarbeiter um Hilfe. So schlug er sich während seiner beruflichen Laufbahn durch.

Durch seinen Job erkannte Ballmann auch die Vorteile des Internets. Er begann, privat E-Mails zu verschicken. Mittlerweile ist er unter seinen Freunden derjenige, der sich mit den Computern am besten auskennt. Vor ein paar Jahren arbeitete er an einer Fotoausstellung. Er hatte eine ganze Reihe Bilder von früher, die er benutzen wollte, wusste aber nicht, wer darauf abgebildet war. Also stellte er sie ins Netz. „Meine Freunde und Bekannten haben mir geholfen, die Menschen zu identifizieren“, erzählt er.

Zwei Passwörter muss Ballmann jeden Morgen eingeben, wenn er sein Handy benutzen will. „Zwei?“, wundert sich Silva, bis er versteht, dass Ballmann den SIM-Code meint, der eingegeben werden muss, wenn das Telefon ausgeschaltet wurde. Silva schlägt Ballmann vor, die Eingabe des SIM-Codes zu deaktivieren. Dann sei die Nutzung des Handys einfacher. Ein Passwort würde genügen. Er zeigt Ballmann, wie das geht, bis dieser ihn ausbremst. „Warte mal, das geht mir jetzt ein bisschen zu schnell“, sagt der Senior lachend.

Nach der Jahrtausendwende, als Ballmann noch arbeitete, war Silva schon im Coaching-Business. Er betrieb damals mit seinem Bruder in Gasperich eines der ersten Luxemburger Internetcafés. Die beiden boten dort auch Kurse an – und die Nachfrage war riesig. 260 Personen meldeten sich an, obwohl nur Platz für 40 war. Doch Silva und sein Bruder waren jung. Sie hatten keine Erfahrung und keine finanziellen Mittel, um das Projekt auf lange Dauer am Leben zu halten. Sie mussten ihr Café nach ein paar Monaten schließen. Erst nach einem beruflichen Abstecher im Handel landete Silva in Roeser wieder in der Internetstube. „Back to the roots“, sagt er.

Was die heutigen Kurse von denen von damals unterscheidet, ist neben der Vielfalt der Geräte auch das Vorwissen seiner Kunden. Wenn die Menschen heute zu ihm kommen, kennen sie sich meistens schon aus. Es sind Detailfragen, die ihnen Probleme bereiten. Deshalb setzt er auf Nachhilfestunden für Einzelne statt auf Gruppenkurse. Es gebe sie aber noch, die Senioren, die das Internet überhaupt nicht kennen und noch immer Berührungsängste haben. „Sie wollen nichts kaputtmachen“, sagt Silva. Ihnen versucht er dann klarzumachen, dass nichts passieren kann, solange sie nicht mit physischer Gewalt auf ihre Geräte losgehen.

Eigentlich ist Ballmann an diesem Nachmittag bei Silva, weil sein Laptop überladen ist. „Ich lösche nichts“, sagt er. Aber jetzt muss er Platz auf der Festplatte schaffen. Silva wirft einen Blick auf den Bildschirm – und bemerkt, dass Ballmann ein Abonnement für einen Cloud-Service hat. Der Computerspezialist erklärt seinem Kunden, dass seine Daten in die „Cloud“ – also ins Internet – geladen werden können und von dort jedes seiner Geräte darauf zugreifen kann. „Und wie hole ich alles wieder zurück?“, wundert sich Ballmann.

Wenn Kunden zu Silva kommen, wissen sie meistens nicht genau, was sie überhaupt brauchen und wollen. Einfach weil sie es nicht kennen. Ein älteres Paar suchte Silva mit einem nicht funktionierenden Tablet-Computer auf. Die beiden hatten eine Tochter im Ösling. Sie bräuchten kein WhatsApp, beteuerten sie. Silva sah das anders. Er kramte eines seiner alten Handys aus der Schublade, installierte den Nachrichtendienst darauf und zeigte ihnen, wie das Programm bedient wird. „Jetzt sind sie täglich mit der Tochter in Kontakt und sehen Fotos von den Enkelkindern“, sagt Silva. „Technologie ist da, um die Menschen zu verbinden.“

Genau das ist es, was der 35-Jährige an seiner Arbeit schätzt. Er ist davon überzeugt, dass das Internet die gesellschaftliche Isolierung von Senioren verhindern kann. Das gilt auch für Ballmann, der das Internet sogar im Urlaub nicht missen will. Er ist zwar weit weg von zu Hause, kann aber in Kontakt mit seiner Familie und seinen Freunden bleiben und regelmäßig die Luxemburger Nachrichten lesen.

Ballmann packt seine Sachen zusammen: Laptop, Tablet, Handy. Auch das zeigt, wie vernetzt er ist. Einige seiner Probleme konnten gelöst werden. Er wird aber wiederkommen, sagt er zu Silva. „Es gibt noch einiges zu besprechen.“