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Wie sicher ist unser Spielzeug? – So arbeitet die einzige Prüfstelle in Luxemburg

Wie sicher ist unser Spielzeug? – So arbeitet die einzige Prüfstelle in Luxemburg

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In etwas mehr als zwei Wochen ist es so weit: Dann verteilt der «Kleeschen» lang ersehnte Geschenke. Das gewünschte Spielzeug für diesen Tag zu finden, ist schon schwer genug, aber dann stellt sich auch noch die Frage nach dessen Sicherheit. Daisy Schengen besuchte in Luxemburg ein Labor, in dem Teddy und Co. genau unter die Lupe genommen werden.

Stille statt Lärm: In der einzigen staatlichen Prüfstelle für Spielzeug in Capellen herrscht an diesem Nachmittag höchste Konzentration. Die Ruhe brauchen die Ingenieure, um die erforderlichen Tests, für die es genaueste Vorschriften gibt, durchzuführen. Sie stellen in erster Linie fest, ob ein Produkt, in diesem Fall Spielsachen, Schwimmreifen oder auch ein Karnevalskostüm, regelkonform sind.

Die Angel hat den mechanischen Test nicht bestanden. Kinder könnten Teile verschlucken, wie der Zylindertest zeigt.

Entgegen einer weitverbreiteten Meinung erfüllen die Prüfer in Luxemburg eben nicht die Aufgaben einer «Stiftung Warentest», betont Alexis Weber, Chef der Abteilung «Surveillance du marché» beim Ilnas («Institut luxembourgeois de la normalisation, de l’accréditation, de la securité et qualité des produits et services») unter Aufsicht des Wirtschaftsministeriums. Weber und seine Kollegen werden erst aktiv, wenn ein Produkt bereits auf dem Markt im Großherzogtum verkauft wird.

Jetzt geht es ans Eingemachte

Die Tests laufen immer ähnlich ab: Nach einem vorher festgelegten Plan, der Kontrollen in Geschäften im ganzen Land umfasst, kaufen Ilnas-Mitarbeiter stichprobenartig verschiedene Spielsachen ein. Zunächst erfolgt die sogenannte «behördliche Prüfung»: «Der Hersteller ist immer verantwortlich für die Sicherheit seiner Ware. Das Spielzeug muss zurückverfolgbar sein und unter anderem über eine Seriennummer verfügen. Außerdem prüfen wir, ob es das CE-Prüfsiegel, entsprechende Sicherheitshinweise sowie die erforderliche Beschreibung in einer der drei offiziellen Sprachen des Landes trägt», erklärt Weber.

Sollte ein Testprodukt z.B. nur eine Bedienungsanleitung auf Spanisch enthalten, müssen umgehende Nachbesserungen erfolgen – das verlangen die Behörden. «Wir arbeiten Hand in Hand mit dem Handel in Luxemburg. Haben wir Beanstandungen, dann informieren wir den Hersteller bzw. den Importeur sowie das Geschäft, in dem wir das Spielzeug gekauft haben, darüber», erklärt Pascal Glangé von der zuständigen Abteilung. Meistens ist das Problem mit wenigen Nachbesserungen wie beispielsweise einer nachträglich angebrachten Beschreibung schon gelöst.

Die Geschosse dieser Spielzeugpistole sind mit der Kamera kaum zu erfassen

Nach der «behördlichen» Prüfung folgen die Tests der «inneren Werte» der Produkte. Bei den «technischen Prüfungen» geht es darum, zu schauen, ob sich Kleinteile lösen, die möglicherweise eine Erstickungsgefahr für Kleinkinder unter drei Jahren bergen. Zudem werden Spielzeugteile mit vorgeschriebenen und durch externe Kontrollstellen geprüfte Gewichte und Geräte bearbeitet, um die «mechanische Widerstandskraft» der Produkte festzustellen. Erhitzt sich das Spielzeug beim Gebrauch? Welche kinetische bzw. Bewegungsenergie kann es entwickeln? Das sind Fragen, die hier beantwortet werden. Die Verfahren, die die Tester nutzen, würden Laien eventuell als recht brutal bezeichnen und könnten schon einmal das Herz des eingefleischten Spielzeugliebhabers «bluten» lassen. So werden auch mittels besonderer Maschinen und Computerprogramme die Produkteigenschaften unter Zugkraft, bei Fall- und «Schocktests» eingehend überprüft.

Neben den «technischen Examen» müssen sich einige Produkte auch einem Test in Bezug auf ihre chemische Zusammensetzung stellen. Dieser wird vom «Laboratoire national de santé» (LNS) durchgeführt. Hierbei werden Spielzeuge für Säuglinge – wie die beliebten «Glibber» oder «Squishy» – auf Weichmacher (Phthalate wie das DEHP) untersucht.

Zudem werden Produkte, die Metall enthalten und in Kontakt mit der Haut kommen, auf Nickelvorkommen hin untersucht. Bei Artikeln aus Leder wie Handschuhen und Geldbörsen suchen die Prüfer nach Chrome VI. Diesem und ganz besonders dem Chrome-(VI)-Oxid werden genverändernde und krebsfördernde Eigenschaften zugeschrieben.

Laborleiter Philip Wirtz zeigt den Ablauf eines Experiments: Im Test ein Teddybär, dessen Augen nicht ausreichend befestigt waren

Schüsse und herausfallende Augen

Meist fallen die Resultate bei den Tests positiv aus, sprich das Produkt besteht sie einwandfrei – so wie beispielsweise eine Art Kinderpistole eines bekannten Spielzeugherstellers, die auf die Durchschlagskraft ihrer «Projektile» hin untersucht wurde. Als Philippe Wirtz, Ingenieur und Prüfungsleiter im Labor, es in die Testvorrichtung einspannt und abdrückt, fliegt das Geschoss so schnell, dass es sich nicht einmal fotografieren lässt. Die Durchschlagskraft ist für den Laien beeindruckend, für den Prüfer allerdings – darauf lassen auch seine Ergebnisse schließen – völlig unbedenklich, da sie noch weit unter der zulässigen Obergrenze für diese Art Spielzeugmunition ist.

Ein solide aussehender Teddybär verblüffte die Tester, als sie bei einer mechanischen Prüfung mit einer Zugkraft von sechs Anderthalb-Liter-Flaschen feststellten, dass dessen Augen ziemlich leicht herausspringen. Ein Kleinkind könnte diese beim Spielen verschlucken, erklärt Wirtz und hält neben dem Plastikauge einen Zylinder zum Vergleich. Dieser ist genormt und stellt den Durchmesser einer kindlichen Speiseröhre dar. Für die Prüfer gilt: Gibt es Kleinteile, die sich lösen können und durch den Zylinder passen, dann ist das Spielzeug fürs Erste durchgefallen.

Ein anderes Beispiel, das sogar in Spielzeug für Kinder unter drei Jahren gefunden wurde, sind Batterien und ihre Plastikverpackungen, die den Prüfern Sorge bereiteten. Bei einem auf dem ersten Blick unscheinbaren neongelben Teddybär rissen beim mechanischen Test Ohren und Arme ab. Durch die entstandenen Löcher fiel die Batterie samt Plastikhülse, in der diese eingepackt war, heraus. Auch die Hülse war so wenig stabil wie das Spielzeug selbst und zerbrach leicht. Nicht nur eine Verschluckungsgefahr war jetzt gegeben, auch das Verletzungsrisiko stieg um ein Vielfaches. Das Produkt musste vom Markt genommen werden. Eine Neuauflage mit verbesserter Batteriehülse überzeugte auch nicht. Denn auch wenn die Verpackung nicht mehr so leicht zerbrechlich war, schaffte sie den Zylinder-Test nicht.

Durchgefallen und dann?

Trotz meist konformer Produkte sollten Eltern und Verbraucher im Allgemeinen wachsam bleiben, betonen die Marktkontrolleure. Denn obwohl sehr selten, zeigen diese Beispiele, dass immer wieder Spielzeug in den Handel kommt, das grobe Sicherheitsmängel aufweist. Dann werden Nachbesserungen verlangt. Für die Dauer der Nachbesserungen wird das Produkt vom Markt genommen. Bleiben jedoch auch danach noch Zweifel am Produkt, da es die erneuten Tests wieder nicht bestanden hat, dann wird es endgültig aus den Regalen genommen – und das nicht nur in Luxemburg, sondern in der gesamten Europäischen Union. Bei nicht bestandenen Tests haben die Behörden per Gesetz das Recht, auch strafrechtliche Schritte gegen Hersteller einzuleiten.

Das möglicherweise gravierendste Beispiel bei Spielzeugtests in Luxemburg lieferte unfreiwillig ein ziemlich gehyptes Spielzeug aus dem letzten Jahr. So fiel erst im Großherzogtum auf, dass die auf den ersten Blick harmlos anmutenden Fidgetspinner für Kleinkinder besonders gefährlich sein können. Bei stichprobenartigen Tests stellten die Tester fest, dass sich die Batterie vom Gehäuse sehr leicht lösen ließ und somit eine Verschluckungsgefahr darstellte. Sofort löste Luxemburg Rapex, das Warnsystem der EU-Kommission für Nicht-Nahrungsmittel mit gravierendem Sicherheitsrisiko, aus, das auf EU-Ebene die anderen Mitgliedstaaten über die ernst zu nehmende bestehende Gefahr informiert. Wie üblich, arbeiteten die Ilnas-Prüfer auch in diesem Fall mit dem Zoll und dem Handel eng zusammen. Für das mangelhafte Produkt, das eine hohe Lebensgefahr für Kinder darstellte, wurde umgehend ein Verkaufsstopp verhängt.

Die Spielzeugtester: Philippe Wirtz, Alexis Weber und Pascal Glangé

Da Luxemburg in ein europäisches Netz in diesem Bereich eingebunden ist, bedeutet jeder Verkaufsstopp in einem EU-Land gleichzeitig ein flächendeckendes Verkaufsverbot in den anderen 27 Mitgliedstaaten sowie Island, Lichtenstein, Norwegen und der Schweiz.
«Aber inzwischen wissen die Hersteller, dass wir Prüfer in der gesamten EU ihnen genau auf die Finger schauen und versuchen, zu vermeiden, dass ihre Produkte durch unsere Tests durchfallen. Sprich: Sie sind von Anfang an bemüht, sie gesetzeskonform zu produzieren», erklären die Prüfer von Ilnas mit einem Lächeln.