Lieber L.,
dass Du, der so weit weg wohnt, von den Wahlen weißt, die in meinem kleinen Land stattfinden, ehrt Dich. Aber nein, Du musst Dir keine Sorgen um mich machen. Und noch einmal nein, Du, der Du seit Jahren immer rechter wirst in Deiner Gesinnung, kannst Deine Vorfreude gleich wieder begraben: In Luxemburg wird es nicht wie in Deinem Land – und wie in so vielen anderen – zu einem Rechtsruck kommen. Zumindest dieses Mal noch nicht. Vielleicht zieht dieser europäische Schnupfen ja an uns vorüber. Wir haben in dieser Hinsicht bislang immer recht gute Abwehrkräfte bewiesen.
Gleichwohl bin ich weiterhin überzeugt, dass Du die falsche, weil die Gesellschaften, in denen wir leben, zersetzende Seite der Politik gewählt hast. Die Seite der heuchlerischen Versprechen, die Seite, die vorgaukelt, der Ausländer und der Fremde und der Arme wären schuld. Die Seite, die die Reichen immer reicher macht, obwohl sie vorgibt, für den «kleinen Mann» einzustehen.
Luxemburg im Jahr 2018, lieber L., geht es blendend. Die Wirtschaft brummt, die Schulen funktionieren, die Menschen kommen miteinander klar. Natürlich gibt es auch Bedrückendes: Wohnungen fehlen und diejenigen, die da sind, sind zu teuer, der Verkehr kollabiert, die Ungleichheit steigt auch in diesem reichen Land. Kurzum, Luxemburg bleibt ein Großherzogtum und wird so schnell kein Großherzigkeitstum.
Denn auch das haben uns die vergangenen fünf Jahre gezeigt: Egal, wer regiert, am Modell Luxemburg wird, wenn überhaupt, nur behutsam geschraubt. Wir bauen weiter auf den Finanzmarkt und, ganz ehrlich, es zeichnet sich auch am noch so weiten Horizont keine tragfähige Alternative für uns ab. Auch deswegen stehen wir nicht vor einer Richtungswahl.
Die Politik bestellt den Finanzen den fruchtbaren Grund, den die Finanzen zuvor bei der Politik bestellt haben. Das ist aber kein Luxemburger Problem, sondern ein weltweites.
Dass ich das bedauernswert, gar skandalös finde, solltest Du aus unseren oft hitzig, immer offen geführten Diskussionen wissen. Dass ich nicht auf jemanden hereinfalle, der mir für ein solches oder andere komplexe Probleme einfache Lösungen anbietet, ebenfalls. Und die allermeisten meiner Mitbürger übrigens auch nicht.
Auch deswegen, lieber L., wirkt dieses Land vor den nun anstehenden Wahlen so tiefenentspannt. Bis auf die Politiker vielleicht, die um ihre Karrieren fürchten müssen; was ja auch nur menschlich ist. Angst um die Zukunft Luxemburgs aber haben auch diese nicht. Verschiedene gaukeln sie aus wahlkampftaktischen Gründen vor – die einen aus alten Reflexen, die anderen aus opportunistischer Kaltschnäuzigkeit; einen sicheren Erfolg verspricht ihnen das nicht.
Du, lieber L., hast Dich über den Brexit gefreut und über Trump, hast Marine Le Pen die Daumen gedrückt und die Österreicher und die Italiener zu ihren Wahlen beglückwünscht. Aber Du siehst doch auch, was mit den Menschen in diesen Ländern passiert ist: Sie sind jetzt noch viel mehr gegeneinander, als Menschen es sowieso immer sind. Die Spalter haben ihr Ziel erreicht: In ihrem ganzen Gegeneinander sehen die Menschen nicht mehr, was um sie herum passiert – und die Herrschenden können Axt anlegen, woran sie wollen.
Dabei, lieber L., ist es doch genau das, worauf wir uns bislang letzten Endes immer einigen konnten: Dass man Mächtigen nicht blind folgt, ihr Gesagtes kritisiert, ihre Taten hinterfragt. Lass uns doch wenigstens dieser Linie gemeinsam treu bleiben. Aber vergiss nicht: Hinterfragen, kritisieren, bemängeln – all das geht nur in freien und demokratischen Gesellschaften. Jene, denen Du hinterherläufst, wollen das Gegenteil davon.
Auf bald, Dein Freund A.
Nein, in Luxemburg gibt es noch keine Neonazis, Gott sei Dank . Aber eine flagrante soziale Ungerechtigkeit. Also Augen zu und durch!
Bilans: Der Rechtsruck war genau bombastische 0.27% für Joe Theins Truppe. Wer in Luxemburg überall Neonazis sieht,braucht ein Rekalibrierung was denn nun durch die Wahlen geschehen ist. Willkommen zurück in der realen Welt.
Liebe Frau, oder lieber Herr Cornichon.
Angst hatte ich schon Ende der 60-ger, Anfang der 70-ger als wir uns auf der Escher Grenz herumgetrieben haben. Damals waren es die Jungs aus Audun oder Thionville. Am meisten Angst hatte ich jedoch als ich 2014 auf eine Horde Springerstiefel in Hamburg gestoßen bin, war ich froh als 4 Afrikaner mich gefragt haben ob sie mir helfen könnten. So macht halt jeder seine eigene Erfahrung. Seitdem gehe ich nie alleine nachts vor die Tür, habe immer meinen kleinen Colt im Hosenbund.
Bürgerkrieg gibt's bestimmt wenn unsere Parteien mit dem grossen S es versäumen sich um dieses große S zu kümmern. Was soll's, dann knallt es halt eben, ich habe meinen Colt. :-)
Lieber Herr Grober,
Ich wünschte sie würden auch manchmal durch Luxemburg Stadt oder Esch Stadt abends oder nachts wandern. Mir kam einmal eine Freundin entgegen und sagte: "Gut, dass ich dich treffe, ich hatte gerade eben Angst wegen einer Gruppe hinter mir." Da habe ich gesagt: "Glaubst du ich habe keine Angst?"
In einem muss ich ihnen aber recht geben. Hinzu kommen noch die Reichen die mit ihren 500 PS Boliden über die Strassen rollen und die angespannte Stimmung zusätzlich aufheizen. Es herrscht momentan psychischer Bürgerkrieg: Es sind verschiedene Nationalitäten gegeneinander und verschiedene Gehaltsgruppen gegeneinander.
Ich zweifle immer noch daran ob der Melting Pot eine Zukunft hat. Keiner zweifelt am Sozialismus, aber momentan gibt es genug Anlässe am liberalen Gesellschaftssystem zu zweifeln.
Manche leben in einem Paralleluniversum.
Nun lassen wir die Kirche mal schön im Dorf und malen den Teufel nicht an die Wand. Uns Luxemburgern geht es materiell im allgemeinen gut, vielleicht zu gut. Die wenigsten haben einen objektiven Grund zu klagen. Aber es gibt auch Mitmenschen, die durch das soziale Netz gefallen sind, ohne ihr Zutun, ohne eigene Schuld. Ja, das gibt es tatsächlich. Es gibt arme Witwen und Rentner, die ein Leben lang geschuftet haben und im Alter mit einem Minimum auskommen müssen. Es gibt alleinerziehende Mütter, die malochen und sich und ihren Kindern nichts leisten können. Wir haben hierzulande zu wenig Pflegebetten und es mangelt an Pflegepersonal. Da wird nicht hingeschaut. Das interessiert nur die Betroffenen, die Alten. Aber das Altwerden und das Siechtum machen vor keinem halt. Das Wachstum ist das worauf es ankommt, das was zählt. Es droht keine braune Gefahr oder ein Rechtsruck. Aber es gibt Menschen im reichen Luxemburg, die sich zu Recht vernachlässigt fühlen und die keine Lobby haben. Wo sind denn die Gewerkschaften, die früher deren Interessen vertreten haben und auf die stets Verlass war? Wenn unsere Politiker sich nur um die Mittelschicht kümmern und um die Wohlhabenden, wird es früher oder später ein böses Erwachen geben, Auch im Grossherzogtum das alles andere als ein Grossherzigkeitstum ist.
Lieber Armand,
Die Abwehrkräfte gegen rechts schwinden auch so langsam in unserem Land. Bemerke das in meiner näheren Umgebung. Sogar Kinder wohlhabender Eltern äußern sich auf verdächtige Weise. Es scheint am IQ zu liegen. Bin überzeugt, dass es an der Erziehung und an der schulischen Ausbildung liegt, stellte das schon vor Jahren am eigenen Nachwuchs fest, was die an Geschichtlichem aus dem Gymnasium mitgebracht haben war sehr bescheiden. Fragen Sie mal einen Abiturienten was er Ihnen über das dritte Reich erzählen kann!
J'aime bien , de temps en temps , il faut remettre l'église au centre du village !
Seht gut Herr A,
den Nagel auf den Kopf. " Politik ist die Kunst eine aussichtslose Situation erträglich zu machen."
Aber braune Hassprediger haben immer noch mehr Schaden zugefügt als Nutzen gebracht. Solange wir Luxemburger auf so hohem Niveau klagen können,sollten wir zufrieden sein.
PS: Danke Gambia, für die Arbeit der letzten 5 Jahre.
Luxemburg profitiert von zwei wichtigen Dingen: Zum einen gibt es dort bislang noch keine Politiker wie Frau Merkel, deren Verhalten das Land zugrunde richtet. Zum anderen ist das Land so klein, dass es bei den Schleppern und den Unzufriedenen in Nordafrika wohl nicht mal dem Namen nach bekannt ist und deshalb nicht übermässig "anziehend" wirkt.