Die Welt von 2018 ist eine andere als die von 1972: Die Weltbevölkerung hat sich inzwischen auf 7,5 Milliarden Menschen verdreifacht, der Konsum ist heute zehn Mal so hoch, Klima und Globalisierung sind ein Politikum, die Demokratie steckt in der Krise und die sozialen Medien erobern die Macht. Mehr als ein Grund für den Club of Rome, sich mit «Wir sind dran» zu Wort zu melden. Ein Gespräch mit dem Vizepräsidenten des Think-Tanks, Ernst Ulrich von Weizsäcker, über Prophezeiungen, Nachhaltigkeit und die Forderung nach einer neuen Aufklärung.
Tageblatt: 50 Jahre Club of Rome, jetzt ein «Back-up» von den «Grenzen des Wachstums» – ist die Welt noch zu retten?
Ernst Ulrich von Weizsäcker: Die Probleme, die der Club of Rome mit «Grenzen des Wachstums» 1972 aufgezeigt hat, sind leider deutlich schlimmer geworden – vor allem der Naturverbrauch. Immerhin hat der damalige Bericht ein Aufwachen unter den Zivilisationen der Welt erzeugt. Darüber ist auch die Bereitschaft, sich um die Sicherung des Erdballs zu kümmern, deutlich gewachsen. Trotzdem ist in der Praxis noch viel zu wenig erreicht.
Die Prophezeiungen von 1972 sind nicht aufgegangen. Wo liegt der Fehler?
Die Autoren von damals hätten, so glaube ich, das Wort Prophezeiung nie in den Mund genommen. Sie haben unter bestimmten Voraussetzungen eine mathematische Berechnung gemacht. Bis heute haben sich aber vor allem zwei Voraussetzungen verändert – und zwar zum Guten.
Welche?
Die damals streng angenommene Verbindung zwischen Industrietätigkeit und Umweltverschmutzung ist durch schärfere Umweltgesetze aufgehoben worden. Wir haben heute viel mehr Industrietätigkeit als damals, aber weniger lokale Verschmutzung.Zweitens hat der Club of Rome eine damalige Endlichkeit der mineralischen Ressourcen angenommen, die zu pessimistisch war. Das gilt für die Vorkommen von Rohstoffen wie Kupfer, Erdgas oder Rohöl, die nur 50 Jahre reichen sollten. In Wirklichkeit sind es bei Metallen Tausende von Jahren.
Das große Thema des Clubs ist Nachhaltigkeit. Heute versteht mittlerweile jeder etwas anderes darunter.
Eine strenge Definition gibt es nirgends auf der Welt. Im Kern bedeutet Nachhaltigkeit, dass das Leben der zukünftigen Generationen nicht schlechter sein soll als das der heutigen. Industrie und Gewerkschaften haben dem Begriff zwei Komponenten hinzugefügt: neben der ökologischen die ökonomische und die soziale. Die Gewerkschaften standen für das Soziale, die Industrie für das Ökonomische und den Rest hat man Umweltschützern überlassen.
Das ist aber nicht gut gegangen.
Das hat dazu geführt, dass Wirtschaft und Gewerkschaften oft gegen die Umwelt votiert haben. Diese Dreibeinigkeit war ein Schaden für die Umwelt. Das war beabsichtigt. Die Gewerkschaften wollten Arbeitsplätze, die Wirtschaft Profite und wenn das der Umwelt entgegenstand, hat man sich darüber hinweggesetzt.
Ernst Ulrich
von WeizsäckerErnst Ulrich Michael Freiherr von Weizsäcker (geb. 1939) ist ein deutscher Biologe und Politiker (SPD). 1998 bis 2005 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Seit 2012 ist er Co-Präsident des «Club of Rome» und ehemaliger Dekan der «Bren School of Environmental Science and Management» an der University of California, Santa Barbara. Er studierte Physik in Hamburg und promovierte in Biologie im Jahre 1968 an der Universität Freiburg. Von 1984 bis 1991 war er Direktor des Instituts für Europäische Umweltpolitik in Bonn, Paris und London und von 1991 bis 2000 war Prof. von Weizsäcker Präsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie.
Scheitert das nicht auch daran, dass Natur und Umwelt monetär nicht zu bewerten sind?
Man kann sehr wohl die Natur pekuniär bewerten, aber das ist eine zweischneidige Sache. Dabei geht es auch um die Kommerzialisierung von Naturschätzen und aberwitzige Berechnungen, was wer bezahlen müsste, um Natur zu genießen. Am Ende des Tages kommt dann Wachstum, Wachstum heraus.
Die Ökosteuer?
Ich war schon immer ein Verfechter davon, die Energie zu besteuern. Klimabelastung und Atomenergie und die Zerstörung von Biodiversität durch Raps- oder Maisplantagen müssen teurer werden. Wenn Energie schändlich billig ist, gibt es keinen ernsthaften ökonomischen Anreiz, effizient zu werden. Der Umfang von Ökosteuern ist in den letzten Jahren zurückgegangen.
Wie meinen Sie das?
Ich spreche hier für Deutschland. Mit den Einnahmen aus der Erhöhung der Steuer auf Benzin, Strom und Gas seit 1999 wurde die Senkung der Lohnnebenkosten erreicht. Damit wurden rund 300.000 Arbeitsplätze gesichert oder neu geschaffen, weil der Faktor Arbeit billiger und der Verbrauch der Natur teurer wurde. Das ist aber zum Stillstand gekommen.
Warum?
Vor allem die Bild-Zeitung hat extrem dagegen gewettert und keine Partei konnte sich ein Bestehen darauf leisten, wenn sie die Wahl gewinnen wollte.
«Tobin-Steuer»
James Tobin (1918-2002) war ein amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler. Er machte 1972 den Vorschlag, auf spekulative internationale Devisentransaktionen eine weltweit einheitliche (Lenkungs-)Abgabe zu erheben, die sogenannte Tobin-Steuer. Vorgesehen war ein Steuersatz auf alle grenzüberschreitenden Geldtransfers weltweit von 0,05 Prozent und 1,0 Prozent.
Stichwort Tobin-Steuer: Warum ist es für die internationale Gemeinschaft so schwer, sich auf die Besteuerung von Finanztransaktionen zu einigen, wie sie der Club of Rome schon lange fordert?
In unserem neuen Buch «Wir sind dran» setzen wir uns ausdrücklich für die Tobin-Steuer ein. Wir schlagen vor, dass die Länder, die sie als Pioniere zuerst umsetzen, auch einen Vorteil davon haben.
Der da wäre?
Das Wichtigste ist, dass die Länder, die sie einführen, die Einnahmen in ihre Staatshaushalte verbuchen.
Wird das Kapital dann nicht wegwandern?
James Tobin hatte mit der Steuer sehr kleine Prozentsätze im Auge, die eigentlich niemandem wehtun, aber Einnahmen produzieren. Wenn man spekulative Geldgeschäfte besteuert, die keinen Mehrwert produzieren, wird Geld von der Spekulation in die Realwirtschaft wandern. Das macht Länder tendenziell reicher und nicht ärmer.
Sie haben in einem Interview mal gesagt, «brutaler Verzicht» sei nicht nötig. Das galt für die Industriestaaten. Wie haben Sie das gemeint?
Das war gegen die gemünzt, die so tun, als ließen sich ökologische Fortschritte nur unter gigantischem Verzicht erreichen. Der Club of Rome hat in «Faktor 5» bewiesen, dass die Menge der Kilowattstunden, der Kubikmeter Wasser und der Tonnen Erz, die wir für unseren Wohlstand brauchen, dramatisch reduziert werden kann ohne jeden Leistungsverlust.
Was ist das Rezept?
Das geht über den Einsatz existierender Technologie. Nehmen wir das Passivhaus. Es braucht nur noch ein Zehntel der Energie eines Altbaus, wenn es technisch entsprechend ausgestattet ist. Ist das Verzicht? Ich finde nicht. Denn die Haushaltskasse wird dabei entlastet und nicht belastet.
Der Club of Rome fordert in «Wir sind dran» eine neue Aufklärung. Warum brauchen wir das?
Die alte Aufklärung war eine großartige Befreiung aus mittelalterlichen, autoritären Staatsformen. Deren Überwindung ist das große Verdienst vor 200 Jahren gewesen. Heute sind davon Rationalismus, Utilitarismus, Individualismus, Egoismus, freie Märkte und schwache Staaten übriggeblieben. Ökonomische Nützlichkeit gewinnt immer vor ökologischer Notwendigkeit. Wir brauchen eine neue Aufklärung, die die ökologische Seite betont.
Brauchen wir auch eine neue Wirtschaftswissenschaft?
Absolut. Es gibt diese Forderungen von studentischer Seite nach alternativer Ökonomie bereits. Sie ist übrigens das Wesensmerkmal der neuen Aufklärung.
Was beinhaltet die neue Aufklärung noch?
Mehr Balance und weniger Rechthaberei.
Balance von was?
Balance zwischen Staat und Markt. Der Staat muss gestärkt, der Markt besser kontrolliert werden. Oder Balance zwischen Gerechtigkeit und Leistungsanreiz: Beides ist nötig. Ein reiner Leistungsanreiz mit sehr viel Ungerechtigkeit nach US-amerikanischem Vorbild macht die Mehrheit des Volkes unglücklich. Balance zwischen Innovation und Stabilität, zwischen Kurzfrist und Langfrist, und vor allem zwischen Mensch und Natur, das soll die neue Aufklärung bringen.
Die Pioniere der neuen Aufklärung sollen Europa nach dem Brexit und China sein. Ausgerechnet China …
China ist heute das zweitwichtigste Land der Erde. Die USA sind auf dem Weg, sich eher von Europa abzuwenden und China hat starke Ressentiments gegenüber der angelsächsischen Form des Kapitalismus. Die herrschende Staatspartei findet einen völlig deregulierten Markt indiskutabel. China hat außerdem großes Interesse an Europa im Sinne einer Kooperation.
Sie sind seit 1991 Mitglied des Club of Rome. Macht das «Berufsmahnen» nicht müde?
Der weitaus größte Teil des neuen Buches enthält sehr praktische und mehrheitsfähige Vorschläge für Finanzmarktregulierung, Klimapolitik, Kreislaufwirtschaft oder Energieeffizienz. Das würde ich nie als Mahnung verstehen, sondern als kreative Vorschläge.
Mögen Sie es eigentlich, wenn Sie als Zukunftsforscher bezeichnet werden?
Mir ist eigentlich egal, wie ich genannt werde. Andere bezeichnen mich als Familienvater, das ist auch völlig in Ordnung.
Das ist der Club of Rome
Im «Club of Rome» sind Experten verschiedener Disziplinen aus mehr als 30 Ländern zusammengeschlossen. Er wurde 1968 als gemeinnützige Organisation gegründet und setzt sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit ein. Mit dem 1972 veröffentlichten Bericht «Die Grenzen des Wachstums» erlangte er weltweite Beachtung. Das Buch wurde in 30 Sprachen übersetzt und 30 Millionen Mal verkauft. Seitdem kämpft der Club of Rome für nachhaltige Entwicklung und setzt sich für den Schutz von Ökosystemen ein. Die Organisation hat seit 2008 ihren Sitz in Winterthur, Schweiz.
«Wir sind dran»
Auf 400 Seiten ziehen 40 Autoren, unter ihnen 35 «Club of Rome»-Mitglieder um die beiden Club-Präsidenten Ernst Ulrich von Weizsäcker und Anders Wijkman, die Bilanz nach dem ersten Bericht des Club of Rome, die «Grenzen des Wachstums» von 1972. Aus Sicht der Verfasser standen diese Jahre wie keine andere Periode unter dem Paradigma des ökonomischen Wachstums. Weizsäcker ist einer der renommiertesten deutschen Umweltforscher, Wijkman ein schwedischer Umweltpolitiker. Im dritten und weitaus größten Teil versuchen die Wissenschaftler, Auswege aufzuzeigen. Dem gilt der Untertitel «Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen».
ISBN-10: 3579086936
Bitte diesen Artikel an unseren Wachstumsapostel Etienne Schneider weiterleiten
Den Club of Rome gibt es also noch? Waren das nicht die, die in den 70ern für spätestens das Jahr 2000 den globalen Umwelt- und Versorgungskollaps und somit das Ende der Menschheit vorausgesagt hatten…? Herr von Weizsäcker irrt, wenn er behauptet, dass die Probleme, die der Club 1972 aufgeworfen habe, sich heute "deutlich verschlimmert" hätten. In Wirklichkeit hat sich so gut wie keine der damals angeführten imminenten Bedrohungen als solche herausgestellt. Weder leiden heute drei Viertel der Weltbevölkerung unter Hunger, noch ist uns das Erdöl ausgegangen, noch ist Europa unter einer meterdicken Müllschicht begraben und sind alle Bäume tot, noch gab es Konflikte mit Einsatz von Nuklearwaffen. Der Club of Rome lag schlicht daneben.
das was sie schreiben ist leider nur ein teil der realen situation.sind wirklich nur die lobbyisten,die politiker,die industrie und die anderen eliten schuld an der aktuellen lage?ich sage:nein.es liegt an jedem einzelnen von uns,also wir milliarden, einfluss zu nehmen wie die entwicklung unserer welt weiter geht.pessimismus hilft da nicht.niemand ist gezwungen schmutzige autos zu kaufen,unnuetze flugreisen zu unternehmen oder sich allen anderen dekadenzien hinzugeben.jeder hat die moeglichkeit seinen teil zu einer besseren welt beizutragen.immer nur mit dem finger auf die anderen zu zeigen,die noch dekatenter leben, kann niemals als entschuldigung gelten fuer sein eigenes dekadentes, also unverantwortliches verhalten.schauen wir nicht immer nur nach oben.schauen wir auf uns selbst.
et ass ze spéit! Den Planet an d'Natur gin der topeger Menschheet elo d'Rechnung.Mais keng Suerg:weder Natur nach de Planet braucht beschützt ze gin..a virun allem net vun dem arroganten Mensch den sech mei mächteg ewei Gott fillt.Bedenk:den Mensch ass ereischt e puer Milliounen Joer do an e waert och esou verschwannen wei aner dominant Spezies virdrun.Jidderengen sein Tour!!! Wann net deen dreckegen Mammon d'Menschheet vergeft hätt,wir d'Situatioun ganz aanescht haut.Et ass jo nemmen duerch Habgier virun allem vun den Lobbyisten wou alles futti gemat get. Dei sin am Gaang ze kucken,fir sech aus dem Stebs ze machen,wann hai d'Loft restlos verknascht ass.Ech denken do un de Film "Elysium" wou d;Lobby sech op eng Raumstatioun mat Terraforming geflücht huet während dei normal Leit hai op dem Planet vegete'eren a verrecken.