Es ist vorbei. Mit dem Ausscheiden bei den US Open schließt sich ein großes Kapitel für Gilles Muller und den Luxemburger Tennissport. 2001 begann der Schifflinger das Abenteuer einer Profikarriere. Nun, 17 Jahre später, ist diese zu Ende gegangen. In dieser Zeit hat der vierfache Sportler des Jahres so einiges erlebt. Das Tageblatt blickt auf die größten Highlights seiner Karriere zurück …
2001: Nummer eins bei den Junioren
2001 kam die Karriere von Gilles Muller bei den Profis ins Rollen. Es war aber auch das Jahr, in dem der damalige Youngster eine äußerst starke Saison bei den Junioren spielte. Das luxemburgische Talent erreichte im Junioren-Wettbewerb in Wimbledon das Finale, wo er sich nur dem Schweizer Roman Valent am Ende mit 6:3, 5:7 und 3:6 geschlagen geben musste. Beim nächsten Grand-Slam-Turnier, den US Open, machte er es dann besser. Der Linkshänder, der in New York an Nummer eins gesetzt war, setzte sich im Endspiel gegen Yeu-tzuoo Wang aus Taiwan mit 7:6 und 6:2 durch. Durch diesen Erfolg konnte Muller das Jahr auch als Weltranglisten-Erster bei den Junioren abschließen.
August 2004: Sieg gegen Idol Agassi
«Gilles Muller lehrte die Großen der Tenniswelt eine Woche lang das Fürchten», lautete der Titel der Tageblatt-Ausgabe vom 23. August. In der Tat: Bei den Legg Mason Tennis Classics in Washington konnte er mit Siegen über Sjeng Schalken (ATP 24, Niederlande), Jan-Michael Gambill (ATP 80, USA), Michel Kratochvil (ATP 153, Schweiz) und Andre Agassi (ATP 6, USA) ins Endspiel einziehen. Im Finale musste die damalige Nummer 124 aber Lleyton Hewitt (ATP 8, Australien) den Vortritt lassen. Doch vor allem der phänomenale 6:4, 7:5-Sieg gegen die US-amerikanische Legende Agassi versetzte die Tennisexperten damals ins Staunen. Es war zudem das erste Mal in seiner bis dato noch jungen Karriere, dass er einen Spieler aus den Top 10 der Welt schlagen konnte.
«Es war ein Traum. Und dieser ist Realität geworden. Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll. Vor zehn Jahren habe ich ihn noch im Fernsehen gesehen. Jetzt habe ich ihn geschlagen. Agassi ist einfach für jeden ein Idol», schwärmte Muller über den achtfachen Major-Champion.
August 2005: Muller verdirbt Roddicks Geburtstagsfete
Es war der Tag, an dem Gilles Muller eine ganze Nation in Schock versetzte. Der Luxemburger, der bei den US Open zum ersten Mal bei den Profis im Hauptfeld an den Start ging, schaltete in einem hochdramatischen Krimi Andy Roddick in der ersten Runde in drei Sätzen mit 7:6 (4), 7:6 (8) und 7:6 (1) aus. Damit vermasselte der luxemburgische Davis-Cup-Spieler die Geburtstagsparty des US-Amerikaners, der genau an diesem Tag 23 Jahre alt wurde, aber gewaltig. Die Sensation war umso größer, weil der US-Amerikaner zu diesem Zeitpunkt als damalige Nummer drei der Welt als der größte Herausforderer von Roger Federer galt. Eliminiert wurde «A-Rod» auf der großen Bühne des Arthur-Ashe-Stadions vor 17.000 Zuschauern in der Night Session von einem «kleinen» Luxemburger. Es war also ein wahrer Alptraum für den Lokalmatador. Muller hingegen beflügelte diese Atmosphäre. «Ich wollte einfach nur Spaß haben und es genießen. Ich weiß, dass ich mit den Topstars mithalten kann, wenn ich ruhig bleibe und meine Nerven halten. Und Roddick ist schließlich auch nur ein Mensch», gestand der glückliche Gewinner. Eurosport-Kommentator Matthias Stach war damals vom Spiel dermaßen begeistert, dass er zu Mullers Leistung damals «alle Superlative aufgebraucht» hatte.
September 2008: Fulminanter Lauf bei den US Open
2008 sorgte Muller als Nummer 130 der Weltrangliste wieder einmal in Flushing Meadows für Aufsehen, als er als Qualifikant bis ins Viertelfinale vorstieß. In der Runde der letzten acht wurde er dann nach einer guter Leistung von keinem Geringeren als Roger Federer in drei Sätzen mit 6:7 (5), 4:6 und 6:7 (5) eliminiert. «Man hat immer noch die Tendenz, zu sagen, Roger Federer ist unbezwingbar. Ich habe gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Und doch hatte ich wohl zu Beginn der Partie zu viel Respekt vor ihm. Und als es darauf ankam, in den Tiebreaks und wenn es eng war, da hat Federer gezeigt, warum er 237 Wochen lang die Nummer eins der Welt war», zollte der gebürtige Schifflinger dem «Maestro» nach der Niederlage Respekt. Zuvor spielte sich Muller nach überstandener Qualifikation nach Siegen über Laurent Recouderc (ATP 195), Tommy Haas (ATP 39), Nicolas Almagro (ATP 18, Spanien) und Nikolai Dawydenko (ATP 5, Russland) in einen wahren Rausch. Vor allem wusste der Luxemburger Tennisspieler in den Partien gegen Haas und Almagro gleich zweimal einen Zweisatz-Rückstand aufzuholen. Bei den US Open 2008 stand «Mulles» in insgesamt acht Spielen 21:01 Stunden auf dem Platz.
Saison 2014: Von Platz 368 auf 48
Aufgrund eines Ermüdungsbruchs im Ellbogen Ende der Saison 2012 musste Muller einen Großteil der Saison 2013 aussetzen. Der Luxemburger fiel dadurch in der Weltrangliste auf den 368. Platz zurück. Doch «Mulles» kämpfte sich auf der Challenger-Tour wieder an die Weltspitze heran. Und dies auf beeindruckende Weise.
Mit Erfolgen bei den Turnieren in Guadalajara (Mexiko), Shenzhen (China), Taipeh (Taiwan), Gimcheon (Südkorea) und Recanati (Italien) arbeitete er sich im November 2014 wieder auf den 46. Rang nach vorne. «Ich hätte sicherlich nicht erwartet, wieder in den Top 50 zu stehen. Ich habe nicht so viele Matches verloren, die ich hätte gewinnen müssen, wie es in der Vergangenheit schon mal der Fall war. Es ist schwer, es viel besser zu machen», lautete Mullers Fazit der Saison.
Durch seine bärenstarken Leistungen stand er nicht umsonst bei den ATP World Tour Awards für den Comeback-Spieler des Jahres zur Wahl. Es war auch das erste Mal, dass er in Luxemburg zum luxemburgischen Sportler des Jahres gewählt wurde.
Januar 2017: Erster Titel: «Wie im Hollywood-Film»
Lange musste Muller darauf warten, sich seinen größten Traum erfüllen zu können. Erst in seinem 16. Jahr als Profispieler konnte der gebürtige Schifflinger den ersten ATP-Titel seiner Karriere in Sydney unter Dach und Fach bringen. Vorher musste sich der ehemalige Juniorenweltmeister (2001) gleich fünfmal in einem Finale auf der ATP-Tour geschlagen geben; der sechste Versuch sollte dann endlich der richtige sein: Mit dem dritten Matchball besiegte Muller Daniel Evans (ATP 67, Großbritannien) am Ende mit 7:6 (5) und 6:2. «Was für eine Nacht! Mit solch einem Ergebnis konnte ich wahrscheinlich nicht rechnen. Ich war mit einem schlechten Gefühl nach Sydney gereist und musste in der ersten Runde sogar einen Matchball abwehren», sagte Muller kurz nach dem Finale.
Was aber sicherlich auch vielen Tennisfans in Erinnerung blieb, war die emotionale Rede von «Mulles» bei der Siegerehrung, als der Luxemburger seinen Tränen freien Lauf ließ. «Dieser Titel bedeutet mir einfach nur so unfassbar viel. Deshalb war es auch normal, dass ich etwas die Fassung verloren habe. Das Ganze kam mir wie der Verlauf einen Hollywood-Films vor. Ich bekam die Trophäe von der Tennislegende Rod Laver überreicht, meine Familie (mit meiner Frau und meinen zwei Söhnen) war vor Ort. Besser ging es einfach nicht.»
Juni 2017: Zweiter ATP-Titel
2016 hatte Muller schon im Finale von ’s-Hertogenbosch gestanden: gegen Nicolas Mahut, den Franzosen, dem er in zwei Sätzen unterlag. Doch genau ein Jahr danach sollte seine Zeit gekommen sein. Im Duell der starken Aufschläger setzte sich «Mulles» gegen den Riesen Ivo Karlovic (ATP 24, Kroatien) mit 7:6 (5) und 7:6 (4) auf dem grünen Untergrund in Rosmalen durch. Knapp ein halbes Jahr nach seinem ersten Titel folgte somit der zweite Streich. «Ich freue mich riesig, auch wenn es vielleicht etwas weniger emotional war. Die Freude ist dennoch genauso groß wie beim ersten Erfolg. Es ist immer schwieriger, einen Titel zu bestätigen, deshalb bin ich stolz, dass mir das nun auch gelungen ist», verriet der Linkshänder im Interview.
Notiz am Rande: Das Duell zwischen diesen beiden Spielern (34 und 38 Jahre) war zu diesem Zeitpunkt das «älteste» ATP-Finale seit 1976.
Juli 2017: «Das Match meines Lebens»
Der 10. Juli 2017 ging definitiv in die Luxemburger Sportgeschichte ein. In Wimbledon auf Court 1 spielte sich nämlich an diesem Tag etwas Unglaubliches ab. Nach einem 4:48-stündigen nervenaufreibenden Krimi sorgte «Mulles» im Achtelfinale mit dem 6:3, 6:4, 3:6, 4:6, 15:13-Sieg gegen den damaligen Weltranglisten-Zweiten Rafael Nadal für die Sensation. Die Dramaturgie dieser Partie und allein der letzte Satz, der stolze 135 Minuten dauerte, ließen den Zuschauern auf den Tribünen und vor den Bildschirmen den Atem stocken. Nach seinem verwandelten Matchball schaute der damals 34-Jährige etwas ungläubig in Richtung seiner «player’s box». Auch kurz nach der Partie tat sich Muller noch immer schwer damit, zu realisieren, was zuvor geschehen war. «Für mich ist es der größte Erfolg meiner Karriere. Ich habe definitiv das Match meines Lebens gespielt. Zu diesem Zeitpunkt, in einem Grand-Slam-Turnier, einen der Spieler zu schlagen, die gerade das Welttennis dominieren, das ist etwas ganz Besonderes», gestand der Spora-Spieler nach seinem Coup.
Nicht nur die einheimische Presse feierte den Luxemburger, sondern auch in den internationalen Medien wurde Muller wegen seiner epischen Leistung gehuldigt. Die Wimbledon-Homepage taufte ihn in «Renaissance Man» um. Mittlerweile können die Besucher in Wimbledon das T-Shirt, das er während dieser Partie trug, im Museum bestaunen.
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