Im Juni war mit über 30 Konzerten relativ bekannter Bands musikalische Hochsaison in Luxemburg. Und man konnte sich vor allem, angesichts der Vielzahl an Konzertbesuchern, die sich selbst und den anderen Musikfans mit ihrem Smartphone die Sicht versperrten, fragen, wieso man heutzutage überhaupt noch ein Konzert besucht. Wo man früher bei Punk-Konzerten die geballten Fäuste in die Luft reckte oder bei den obligatorischen Balladen dem inneren Kitschteufel via Feuerzeug huldigte, leuchtet heutzutage ein Meer von Handys im Publikum auf – so sehr, dass man manchmal aus den hinteren Rängen kaum mehr zwischen dem Ende der Lichtshow auf der Bühne und dem Beginn der kleinen Leuchtschirme im Publikum unterscheiden kann.
Dabei gibt es keine ernsthafte Legitimierung für diese Videos. Man filmt sich ja auch kaum beim Seitenumblättern eines Buches – es sei denn, man steht auf literarische Selbstinszenierung mit Kaffeetasse und Schmöker – oder beim Tanz- oder Theaterabend. Weist man jemanden darauf hin, wie sehr dieses amateurhafte Herumgefilme stört (es gibt sicherlich Abendkurse für solche Hobby-Kubricks mit Smartphone), wird meistens argumentiert, die Videos seien für die Leute bestimmt, die an jenem Abend aus den verschiedensten Gründen nicht dabei sein konnten.
Was genau die Abwesenden aber von einem wackligen Film mit schlechtem Ton haben, diese Antwort bleibt man uns schuldig. Und selbst wenn die Ton- und Bildqualität aufgrund des technologischen Fortschritts es irgendwann erlauben wird, das Konzert ordentlich einzufangen: Derjenige, der zu Hause bleiben musste, wird so weiterhin nur einen bleichen Ersatz für das eigentliche Erlebnis haben – und der Konzertgänger selbst wird beim ganzen Filmen die Band nur bruchstückhaft erlebt haben.
Eine «Lose-lose-Situation», die von der Hyperaktivität einer digitalen, zersplitterten Welt zeugt, in der wir uns langweilen, sobald nicht zwölf verschiedene elektronische Stimuli uns um unsere Aufmerksamkeit bitten. Aus dieser Gier nach Abspeichern liest sich aber auch eine generelle Tendenz des Misstrauens gegenüber dem eigenen Erinnerungsvermögen: Wir treten immer mehr von unseren mnemonischen Fähigkeiten an das Rechteck in unserer Hosentasche ab. Dass evolutionär gesehen brachliegende Kompetenzen oftmals aussterben, ist dabei etwas bedenklich.
Weiterhin gilt: Wer nach dem Konzert ein paar Videos in schlechter Tonqualität auf Facebook oder Youtube veröffentlicht, schlüpft mehr in die Rolle des Übertragers als in die des Zuschauers. Dieses Verwischen der Grenzen – die Rolle der Mediation übernahmen sonst Journalisten und Fotografen – zeugt von einer Welt, in der Amateure regieren. Da mittlerweile fast jeder Zugriff auf die Technik hat, denkt auch jeder, er müsse daraus Nutzen ziehen. Dass dabei die professionelle Berichterstattung banalisiert wird, ist ein weiteres erschreckendes Nebenphänomen.
Denn wenn jeder filmt, gibt es später genauso viele Filmchen wie Konzertgänger. Und mit der Vermehrung der Amateurfilme verpufft auch das (schon anfangs nicht sehr große) Potenzial dieser Videos in einer großen Seifenblase digitaler Nichtigkeit. Wenn ich das filmende Publikum so betrachte, tut sich in mir der Gedanke auf, dass die später folgenden Facebook-Posts nichts anderes sind als das digitale Pendant zu den todlangweiligen Diashows von todlangweiligen Urlauben, mit denen man früher Freunde und Familie quälte. Und irgendwie fühlt es sich an, als wollten all diese Leute nur mit tröstenden Worten Anerkennung bekommen. Anerkennung dafür, dass ihr Leben immer noch aufregend ist.
Ech wor op engem grousse Concert viru kurzem an hun selwer och e puer Erennerungsfotoen a Kurzfilmer dovunner gemaach.
Ech maachen daat aus deem selwechte Grond, wi ech och op Gebuertsdeeg, Hochzeiten oder aaner speziell Momenter esou Opnahmen maachen: well daat daat eenzegt as, waat vun Erennerung nach bleiwt an 10, 20, 30 Joren. Di Opnahmen no laanger Zeit selwer erem ze kucken erlaabt, en Deel vum Feeling vun deem Daag erem ze fannen (virausgesaat et huet een uerdentlech gespeichert).
Dorunner gesin ech neischt Schlechtes. A méi nerveg wi Brickee’en, di héichgehaal gin, sin Handy’en och net.
Interessanten Artikel. Zum Thema "brachliegende Kompetenzen die absterben" oder einfach "Neuroplastizitéit am Ëmgang mat den Ecranen", "Sucht", "soziaalt Konditionéieren", "Iwwerstimulatioun", asw., gëtt et een interessanten Documentaire deen 2017 verëffentlecht gouf. Ween also dat hei beschriwwent Thema méi wäit en déifgrënneg wëll erfuerschen, deem géif ech "Stare into the lights my pretties" empfeelen. Och "Big Data", "online filter bubble" an villes méi gëtt do gutt beschriwwen. Een must an der haiteger Zäit.