Unter dem Titel «19, 27, 32, 2.563» hat «Fairtrade Lëtzebuerg» Dienstag die Bilanz seiner Arbeit gezogen und den «Code» geknackt. 19 steht für 19 Millionen Euro Umsatz mit Fair-Trade-Produkten im Land im Jahr 2017, um 27 Prozent ist der Umsatz hierzulande im selben Jahr gestiegen, 32 Euro betragen die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für die Produkte und 2.563 verschiedene Produkte stehen im Großherzogtum unter dem Label zum Verkauf. Der ehrenamtliche Präsident der Nichtregierungsorganisation, Jean-Louis Zeien (54), steht Rede und Antwort.
Tageblatt: Fair gehandelte Bananen sind hier im Land der Erfolgsschlager. Woran liegt das?
Jean-Louis Zeien: Der Handel hier in Luxemburg hat die fair gehandelten Bananen sehr gut angenommen. Das geht sogar so weit, dass manche nur noch diese Bananen und keine anderen mehr anbieten (Hauptproduzenten sind Peru und die Dominikanische Republik, Anm. d. Red.).
Was esse ich denn mit einer fair gehandelten Banane? Banane ist Banane, oder?
Unser Luxemburger Großverteiler hier sagt, das sind geschmacklich einfach die besten. Außerdem sind sie biologisch angebaut, was Mensch und Umwelt fördert. Das Verbrauchermagazin Öko-Test hat mittlerweile wegen der massiven Pestizidrückstände davon abgeraten, herkömmliche Bananen zu verzehren. Bananen gehören zu den Obstsorten, die am meisten durch Pestizide belastet sind.
Fair gehandelter Kakao kommt aber in der Bilanz unter dem Punkt «Umsatz» nicht gut weg. Warum?
Weil die Schokoladenhersteller nicht so mitziehen, wie wir uns das wünschen. Der Druck wächst allerdings – gerade in Bezug auf die Kinderarbeit in diesem Bereich. Da haben sich einige Hersteller unbequemen Fragen stellen müssen.
Sie beziehen sich oft auch den Handel. Ist es nicht letztendlich der Konsument, der entscheidet?
Jein. Wenn das Gewicht nur auf dem Konsumentenverhalten liegt, dann bedeutet das häufig einen Freifahrtschein für die, die nichts in Sachen Nachhaltigkeit unternehmen wollen. Wir glauben daran, dass der Handel und die Industrie auch eine Verantwortung haben.
Fair Trade ist aber nicht gleich «Bio»?
Richtig. Aber wir haben einen ganz starken Akzent darauf gelegt, «ökologisch» zu sein, und fördern den biologischen Anbau.
26 Jahre «Fairtrade Lëtzebuerg» – was ist der größte Erfolg für Sie?
Wenn ein Produzent zu mir sagt, «sogar meine Stiefel verdanke ich dem fairen Handel», dann berührt mich das. Genauso wie in Afrika die Mutter auf der kenianischen Großplantage, die in Mutterschutzurlaub gehen konnte, was sie sich bei anderen Arbeitgebern nicht mal zu wünschen getraut hätte.
Fair Trade ist mehr als nur fairer Handel. Werden Sie doch mal philosophisch …
Es ist zwischenzeitlich eine Bewegung – im positiven Sinne. Sie versucht, die teilweise abgegriffene Formel von «nachhaltigem Konsum» mit Inhalten zu füllen. Der Ansatz, dass Menschenrechte und Nachhaltigkeit etwas mit Handel und Wirtschaft zu tun haben, konkretisiert sich im fairen Handel.
Was meinen Sie damit?
Jeder findet Menschenrechte gut. Aber wenn es darum geht, konkret umzusetzen, dass jeder ein menschenwürdiges Einkommen hat, dann ist das Ende der Fahnenstange schnell in Sicht. Wir müssen aus der Denkfalle, dass es zwischen Protektionismus und freiem Handel nichts gibt. Wirtschaft muss im Interesse des Menschen funktionieren und nicht umgekehrt.
Das würde Donald Trump wahrscheinlich auch sagen, wenn er seinen Protektionismus verteidigt …
Deshalb ist es wichtig, diesen Menschen klarzumachen, dass der Grundsatz «alle Menschen sind gleich» nicht nur für Amerikaner gilt. Nicht «Amerika first», sondern «Menschenrechte weltweit first».
Der Verbraucher ist verunsichert. «Bio»-Siegel sind in der Kritik, Kritik wurde auch laut an Fair Trade. Die GEPA in Deutschland verwendet das Siegel nicht mehr. Berechtigt?
Das ist bedauerlich. Sie hat stattdessen ihr eigenes Siegel vermarktet. Die GEPA greift aber nach wie vor auf unser Kontrollsystem zurück. Das ist meiner Ansicht nach eine scheinbare Trennung.
2014 hat die Dokumentation des Franzosen Donatien Lemaître viel Aufsehen erregt. Darin wird bemängelt, dass die höhere Marge durch die höheren Preise beim Handel hängen bleiben. Fair Trade hat da keinen Verhaltenskodex. Ist das immer noch so?
Das ist meiner Meinung nach ein falscher Denkansatz. Wir stehen dafür ein, dass Rohstoffe fair bezahlt werden und die Herstellung unter nachvollziehbaren Kriterien verläuft. Der Einzelhandel hat an der Wertschöpfungskette einen Anteil. Über die Höhe lässt sich streiten. Uns nützen aber Händler nichts, die sagen: «Fair Trade ist eine karitative Angelegenheit, aber geht mal woanders hin mit euren Produkten.» Hätten wir dann etwas für die Produzenten im Süden der Welt gemacht? Ich glaube nicht.
Das ist dasselbe wie beim Milchpreis. Der ist auch nicht fair gehandelt …
Ganz sicher nicht.
Rosen, Bananen, Kaffee, Kakao, Gold oder fair gehandelte Baumwolle: Theoretisch könnte ich auf all das verzichten. Bleibt Fair Trade eine Nische?
Man kann ohne Fair Trade leben, ja. Das geht aber komplett an der Verantwortung des Einzelnen als Weltbürger vorbei. Außerdem sind die Marktanteile einiger Produkte keine Nische mehr. Wir hoffen darauf, dass der faire Handel damit eine Hebelwirkung auf die Frage hat, wie eine nachhaltige und den Menschenrechten gerecht werdende Wirtschaft gestaltet werden kann. Das ist nicht zuletzt auch eine sehr, sehr politische Frage.
Fairtrade Lëtzebuerg
Es gibt 1,66 Millionen Menschen, die als Produzenten weltweit von Fair Trade profitieren. Die Einhaltung der Standards werden von Flowcert in Bonn kontrolliert – dies gilt auch für die Produzenten, mit denen „Fairtrade Lëtzebuerg“ zusammenarbeitet. Das jährliche Budget von „Fairtrade Lëtzebuerg“ beträgt rund 500.000 Euro. 80 Prozent kommen vom Außenministerium, zehn Prozent stammen von Lizenzeinnahmen und die restlichen zehn Prozent von Spenden. Fünf Mitarbeiter sind derzeit dort beschäftigt.
Pro-Kopf-Ausgaben
In Deutschland liegen die Pro-Kopf-Ausgaben für Fair-Trade-Produkte nur bei 16 Euro, also halb so hoch wie in Luxemburg. In Frankreich sind es nur acht Euro pro Kopf pro Jahr. Fair-Trade-Spitzenreiter ist mit 72 Euro pro Kopf pro Jahr Irland, knapp dahinter folgt die Schweiz mit 71,27 Euro pro Kopf. Den dritten Platz belegt Finnland mit 42,50 Euro pro Kopf pro Jahr.
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