Es sollte am Ende nicht zum Einzug in die dritte Runde in Wimbledon reichen. Obwohl Gilles Muller (ATP 60) in der ganzen Partie nicht einmal seinen Aufschlag abgeben musste, verlor er in drei Sätzen mit 6:7 (6), 6:7 (4) und 6:7 (3) gegen Philipp Kohlschreiber (ATP 27/Setzliste 25). Der Luxemburger fand nach dem Ausscheiden aber ehrliche Worte zu seiner Niederlage und verriet u.a. einige Details über seinen weiteren Saisonverlauf.
Aus Wimbledon berichtet Tageblatt-Redakteur Laurent Neiertz
Tageblatt: Gilles, es war insgesamt eine sehr enge Angelegenheit. Was hat deiner Meinung nach gefehlt, um das Spiel zu deinen Gunsten zu entscheiden?
Gilles Muller: Schwer zu sagen. Vielleicht könnte es aber daran liegen, dass ich phasenweise nicht wirklich an den Sieg geglaubt habe. Ich war zu passiv bei den Returnspielen. Obwohl ich z.B. im zweiten Satz vier Möglichkeiten hatte, ihm den Aufschlag abzunehmen, konnte ich die Chance nicht nutzen. Auch war es nicht leicht, jedes Mal im Tiebreak einem Rückstand hinterherzulaufen.
Viele Breakmöglichkeiten konntest du dir insgesamt nicht herausspielen …
Die wenigen Möglichkeiten, die ich hatte, um ihn bei den Returnspielen unter Druck zu setzen, konnte ich nicht verwerten. Es war meistens Kohlschreiber, der die Kontrolle über das Spiel hatte. Oft ging er auch bei meinen Aufschlagspielen mit 0:15 in Führung. Er hat mich immer in kleine Stresssituationen gebracht. Ich war stets in der Defensive. Nur im zweiten Satz hatte ich beim Stand von 5:5 und 0:40 einmal die Chance, ihm richtig gefährlich zu werden, doch er überstand diese Phase bravourös. Ich habe dann bei einem Punkt die falsche Entscheidung getroffen, als ich zu früh zumachen wollte. Zu keinem Moment hatte ich richtig das Gefühl, dieses Spiel für mich entscheiden zu können.
Kohlschreiber schlug insgesamt 24 Asse und machte zu 84 Prozent den Punkt, wenn der erste Aufschlag kam. Hattest du Schwierigkeiten, seinen Aufschlag zu lesen?
Er hat mit viel Variation aufgeschlagen, auch beim zweiten Service. Manchmal hat er auf den Körper serviert, manchmal mit Schnitt oder Kick. Und meine Returns waren nicht stark genug, um ihn richtig unter Druck setzen zu können. Meistens war ich vom Aufschlag weg gleich in der Defensive. Ich war nicht der aktive Spieler auf dem Platz und habe meinen Stärken nicht richtig vertraut.
Dir sind in dieser Begegnung mehr Doppelfehler (zehn insgesamt) als üblich unterlaufen. Auch in wichtigen Phasen, wie zum Beispiel im Tiebreak, hast du dadurch Punkte verloren. Bist du vielleicht zu viel Risiko eingegangen?
Nein, ich musste einfach diese Risiken auf mich nehmen. Mein Aufschlag ist zurzeit nicht mehr so stark wie noch in den Jahren zuvor. Vor allem beim zweiten Service fühle ich mich des Öfteren unter Druck gesetzt. Von Anfang an merkte ich, dass Kohlschreiber meinen zweiten Aufschlag angreifen wollte. Dem musste ich unbedingt entgegenwirken.
Er hat dir praktisch kaum Luft zum Atmen gelassen …
Ja, genau. Ich hatte zwar einige Spiele, in denen ich gar keine Probleme hatte, meinen Aufschlag durchzubringen, doch insgesamt hatte ich immer das Gefühl, mich nicht aus seinen Fesseln befreien zu können. Sobald er im Ballwechsel drin war, war ich in Gefahr. Ich glaube, dass ich auch deswegen so viele Doppelfehler gemacht habe. Ich wollte ihn nicht gleich die Initiative übernehmen lassen.
Manchmal hatte man das Gefühl, dass du es auch nach einem guten Return nicht geschafft hast, deine Aggressivität aufrechtzuerhalten. War das der Fall?
Ja, absolut. Es gelingt mir dieses Jahr nicht so richtig, meinen Gegnern mit den ersten Schlägen wehzutun. Genau diese sind aber extrem wichtig, um den Ballwechsel für mich entscheiden zu können. Ich bin auch nicht gerade der schnellste Spieler. Wenn ich mich also gleich in der Defensive befinde, wird es schwierig für mich, den Punkt zu machen.
Das Spiel wurde am Mittwoch beim Spielstand von 6:7, 6:6 und 3:5 im Tiebreak abgebrochen und musste verlegt werden. Wie bist du damit umgegangen?
Natürlich wollten wir weiterspielen. Aber in Wimbledon muss man immer mit Regen rechnen. Das Problem ist hier aber immer, dass einem nicht gesagt wird, wie lange eine Unterbrechung dauern könnte. Man muss also stets bereit sein und sich warmhalten, weil es zu jedem Moment wieder weitergehen kann. Das gilt aber für jeden Spieler. Gegen Kohlschreiber war es diesmal aber ein bisschen anders. Denn auch wenn entschieden worden wäre, das Match fortzusetzen, hätte so oder so nicht am selben Tag zu Ende gespielt werden können. Das ist nie sehr glücklich.
Insgesamt hast du gegen Kohlschreiber aber eine gute Partie hingelegt. Davon kann man sich zwar nichts kaufen, aber was nimmst du vom Wimbledon-Turnier mit?
Ich habe ein Spiel gewonnen. Das war mein Ziel. Ich bin zwar noch immer nicht auf meinem gewünschten Niveau, aber ich werde weiter hart an mir arbeiten. Es bleibt mir ja auch nicht viel anderes übrig. Ich bin aber froh darüber, dass ich eine Runde weitergekommen bin, denn so ist mein Start bei den US Open im Hauptfeld gesichert.
Wie geht es jetzt für dich weiter? Gibt es schon Änderungen in der Turnierplanung, denn nach dem jetzigen Stand der Dinge würdest du in der neuen Weltrangliste auf Platz 95 zurückfallen …
Nächste Woche werde ich zum Rasenturnier nach Newport reisen. Auch in Los Cabos (30. Juli – 4. August) in Mexiko werde ich wohl aufschlagen. Das genaue Programm danach kenne ich aber noch nicht. Ich bin auf jeden Fall bei vielen Turnieren angemeldet. Aufgrund meiner Weltranglistenposition werde ich bei den Masters-Turnieren in Toronto und Cincinnati aber nicht mehr ins Hauptfeld hineinkommen. Ich bin mir noch nicht im Klaren darüber, ob ich dort in der Qualifikation antreten oder an zwei Challenger-Turniere teilnehmen werde. Vielleicht gönne ich mir aber auch eine kleine Pause.
Bist du mental gesehen bereit dafür, wieder auf der Challenger-Tour oder in der Qualifikation zu spielen? Vor knapp drei Monaten standest du noch unter den Top 30 der Welt …
Das Challenger-Turnier in Vancouver ist z.B. ein sehr schönes Turnier. Ich wollte unbedingt wieder einmal dorthin zurückkehren. Es ändert sich an sich nicht viel für mich. Es stimmt schon, dass diese Situation sicherlich nicht die ist, die ich mir vor der Saison erwartet habe. Aber wenn man nur wenige Spiele gewinnt, dann fällt man logischerweise in der Weltrangliste zurück. Würde ich mich um Platz 160 bewegen und nur noch an Challenger-Turnieren teilnehmen, wäre das wahrscheinlich eine andere Sache. Hier habe ich noch immer die Möglichkeit, entweder bei einem Masters-Turnier in der Qualifikation oder bei einem Challenger-Turnier starten zu können. Mich stört das nicht. Ich habe wirklich Lust darauf, zu spielen. Ich weiß aber auch, dass es nicht einfach werden wird. Ich kann bei diesen Turnieren zwar einige Siege einfahren, ich kann aber auch gegen Spieler verlieren, die nicht unter den Top 200 sind. Würde das zweite Szenario eintreten, würden meine Selbstzweifel wohl noch größer werden.
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