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Kein Wunder in Merl

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Heute auf den Tag genau vor 64 Jahren schaffte Deutschland das Wunder von Bern, indem es im Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft die Favoriten aus Ungarn mit 3:2 schlug. Tausende von Menschen weinten Freudentränen. Wenn es auch bei der aktuellen WM andere Tränen waren, so bleibt die Konstante, dass Fußball seit Jahrzehnten die Gemüter bewegt. Um das Spiel entstand in allen Ländern eine wahre Fußballkultur, mit Fanliedern und großen Spektakeln auf der Tribüne. Und damit wären wir (fast) beim famosen KEP, dem luxemburgischen Kulturentwicklungsplan, der am Freitag im hauptstädtischen Konservatorium in Merl vorgestellt wurde. Dort wurde viel von Reorganisation, Studien und neuen Institutionen gesprochen; Künstler ihrerseits bemängelten ihre bescheidenen Einkommen.

So weit wir nachlesen konnten, wurden wenige grundsätzliche Fragen gestellt, wie z.B. die von Danielle Igniti, Leiterin des Kulturzentrums «opderschmelz»: Warum wollen die Menschen Kultur? Was ist Kultur? Man könnte noch hinzufügen: Welche Kultur wollen die Menschen? Es scheint, dass «Kultur» oft nur mit künstlerischen Bereichen wie Theater, Tanz, Literatur und Musik gleichgestellt wird, die breite Masse sich jedoch eher der Populärkultur zuwendet. Die Unesco definiert Kultur wie folgt: «Die Kultur kann in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen.» Diese Definition geht also weit über das hinaus, was üblicherweise und auch von den Verantwortlichen im Kulturministerium unter Kultur verstanden wird. Fußballkultur, um nur mal sie stellvertretend für das zu nennen, was oft als populäre Kultur verschrien ist, hat definitiv emotionale und materielle Aspekte, die große soziale Gruppen kennzeichnen. Das Verständnis von Kultur scheint also auch eine soziale Grenze zu sein. Ein Anspruch der Kultur ist allerdings – und das steht auch im KEP –, dass sie wichtig für den sozialen Zusammenhalt ist.

Das Wort zitierte einen jungen Künstler, Gilles Pegel, der das Problem auf den Punkt brachte: «Unsere größte Baustelle ist die Akzeptanz in der Bevölkerung, damit Kultur nicht mehr als reine Geldverschwendung angesehen wird.» Und da könne ein Kulturentwicklungsplan wenig helfen. Dabei sei die Bildung gefragt. Recht hat er. Aber ein kulturelles Umfeld fördern geht über ein Schulfach hinaus. Camille Kerger, Direktor des «Institut européen de chant choral Luxembourg» und Mitglied der Plattform «Forum Culture», meinte in einem Interview, es sei ein Gesellschaftsproblem. Wenn die Kultur nicht breit in der Gesellschaft verankert sei, könne man auch bei den Lehrern – den Verantwortlichen für die Bildung – kein Interesse dafür erwarten. Fehlt der nötige Unterbau, die Basis, oder um es ökonomisch auszudrücken, die Nachfrage nach der Art von Kultur, über die es bei den «Assises culturelles» ging, dann kann man so viel reformieren, wie man will. Der geschaffene Oberbau wird dann so nutzlos sein wie ein extra für eine Fußball-WM gebautes Stadion: Es wird eine leere Hülle bleiben.

roger wohlfart
4. Juli 2018 - 14.49

Die kruziale Frage ist also: wo fängt Kultur an?