Vor zwei Jahren war der Tool-Sänger Maynard James Keenan mit seiner Drittband Puscifer in der Rockhal. Diese besuchte er nun erneut mit seinem Zweitprojekt A Perfect Circle. Das Konzert war einwandfrei, die Menge respektierte das Handyverbot und die neuen, ruhigeren Songs vermochten es durchaus, mit den älteren Klassikern mitzuhalten. In zwei Jahren kann Keenan also ruhig mit seiner Hauptband Tool zurückkehren.
Maynard James Keenan mag definitiv keine Kameras – schon vor zwei Jahren, als er mit Puscifer in der Rockhal auftrat, patrouillierten griesgrämige Security-Leute, die jedem, der auch nur versucht war, ein Foto zu schießen oder gar ein Video eines Songs zu machen, verdeutlichten, dass dies an jenem Abend strengstens verboten war. Kurz vor dem A-Perfect-Circle-Konzert wurde das Publikum dann auch gleich zweimal vorgewarnt: Eine Stimme verkündete, aus Respekt für die Band und die anderen Konzertgänger sei das Benutzen von Handys für Fotos und Filme strengstens verboten. Dies nicht zu beachten, würde mit einem «immediate removal» (es war unklar, ob damit nur die Fotos oder gleich das ganze Handy gemeint war) bestraft werden. Und tatsächlich traute sich während des Konzerts fast niemand, sein Handy rauszunehmen, um sich Maynards Verbot zu widersetzen. Dafür hat der Tool-Sänger, der bekanntlich auch bei Interviews durchaus verschroben auftritt, zu sehr den Ruf, mit solchen Sachen nicht zu spaßen.
Maynard liebt eben die Dunkelheit, den Schatten – der Sänger bleibt für den größten Teil des Konzerts im unbeleuchteten Hintergrund, wird vom spärlichen Licht als Schattenfigur umrissen und man erkennt nur, dass er die Haare mittlerweile wieder länger trägt. All dies – Maynards Schattendasein, das Handyverbot – deuten auf eine Band hin, bei der die Musik, und nur die Musik, im Vordergrund steht.
Im Schatten
Im Klartext bedeutet dies: Lag am Donnerstag bei Limp Bizkit noch der Akzent auf einer Nonsense-Party, einer Show, die mit dämlichen Sprüchen und vielen Cover-Versionen eigentlich nur gute Stimmung erzeugen wollte (und der nicht mal das gelang), war das Konzert von A Perfect Circle ein ästhetischer Genuss, bei dem die Musik und das sehr gelungene Bühnenbild im Zentrum standen. (Nebenbei bemerkt: Wie schön, mal ein Konzert zu sehen, ohne es durch die Prismen anderer Schirme inspizieren zu müssen.) Das Konzert beginnt dann auch mit dem Opener des neuen Albums «Eat the Elephant». Der jazzig angehauchte, klavierlastige, schöne Song ist ein gewagter, da sehr ruhiger Beginn. Er erlaubt jedoch, sofort klarzustellen, 1) dass die Band an ihr neues Album glaubt, 2) dass Maynards nach wie vor auch live zu den besten Sängern zeitgenössischer Musik gehört und 3) dass die Rockhal selten so gut klang wie an diesem Samstagabend. Diese drei Erkenntnisse sollten sich wie ein Leitfaden durch die Setlist ziehen, die mit 19 Songs fast zwei Stunden füllte.
Vom neuen Album wurden nämlich gleich acht Auszüge gespielt, die allesamt zeigten, wie stilistisch vielfältig und wandlungsfähig die Band, die nach 14 Jahren Pause endlich wieder eine neue Songsammlung veröffentlicht hat, mittlerweile ist – und wie sehr sie sich vom Tool-Sound wegentwickelt hat. Das Zusammenspiel der Musiker ist einwandfrei, die vielen Klaviereinlagen vom neuen Album vermischen sich mit Klassikern wie «The Noose», «Weak and Powerless». Als die Band «People Are People» von Depeche Mode covert, braucht man einige Zeit, um zu merken, dass da Billy Howerdel und nicht Maynard singt: Der bescheidene Kopf der Band, der selbst auf dem Album seines anderen Projekts Ashes Divide die Vocals lieferte, ist nicht nur ein talentierter Songwriter, sondern auch ein guter Sänger.
Als gegen Ende mit «The Outsider» und «The Package» zwei der großartigsten Songs dieser Band erklingen, merkt man deutlich, wie relevant diese Kompositionen, die immerhin schon 15 Jahre alt sind, immer noch sind.
Dass die stärksten Songs des Konzerts dann doch meist aus dem Frühwerk der Band stammen und meist an eine etwas sanftere Version von Tool erinnern, ist ein geringer Wermutstropfen. Denn Maynards Zweitband hat diese Woche der Rockdinosaurier – nach den Auftritten von The Offspring, Megadeth und Limp Bizkit und vor denen von Billy (Idol oder Talent) und Sting (mit, ja, Shaggy (!)) – mit einem ergreifenden und schönen Konzert beendet.
"....und man erkennt nur, dass er die Haare mittlerweile wieder länger trägt..."
Nur zur Info, Maynard hat bei A Perfect Circle schon immer eine Perücke getragen ;-). Er hat sonst eine Glatze.
Was soll dieser Aufreger. Film- und Videoverbot gilt bei jedem Konzert. Mal das Kleingedruckte auf der Rückseite des Ticket lesen!. Nur hält sich fast nie einer daran. Ist ja auch zu cool, in einem Konzertsaal zu sitzen und die Performance des Künstler auf seinem Mini-Display zu verfolgen. Am besten das verwackelte Video danach auch noch über irgendein asoziales Netzwerk verbreiten