Donald Trump und Kim Jong-un haben ihren historischen Gipfel tatsächlich erfolgreich abgeschlossen. Gemeinsam wollen sie «Frieden, Wohlstand und Sicherheit der koreanischen Halbinsel und der Welt» fördern. Das Treffen ist eine Weltpremiere – und trotzdem wird über einen anderen Mann geredet.
Einen, der seine Tränen heute nicht zurückhalten konnte. Einen, dem der nordkoreanische Diktator und sein Clan mit den Jahren ans Herz gewachsen sind. Einen, der nicht nur wegen seiner Erscheinung auffällt, sondern auch durch seine Vita: Basketballstar, kurz Wrestler, Ausflüge ins Showbusiness – und ein enger Freund Kims und seiner Generäle. Dennis Rodman, als Sportler gefürchtet, später gerne belächelt, hat den Pfad zwischen Nordkorea und den USA mit geebnet. Eine Feststellung, an der schwer vorbeizukommen ist. So abstrus sie auch klingen mag. Die Geschichte reicht einige Jahre zurück, begonnen hat sie mit einem Babynamen.
Dennis Rodman ist wieder mittendrin
Dass sie Ju-ae heißt, weiß die Welt nun seit fünf Jahren. Den Namen der Tochter des koreanischen Machthabers Kim gab dieser nicht selber bekannt. Er sickerte auch nicht durch. Dennis Rodman erzählte davon. Das Enfant terrible des US-Basketballs der 1990er Jahre klärte die Welt also auf über den Babynamen des Enfant terrible der Weltpolitik. Das war im Jahr 2013.
Nun schreiben wir das Jahr 2018, und Dennis Rodman ist wieder mittendrin. Am Morgen haben Donald Trump und Kim Jong-un bei einem historischen Gipfel in Singapur eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Sie macht Hoffnung auf eine vollständige Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel und bessere Beziehungen zwischen beiden Ländern. Beide Seiten wollen «Frieden, Wohlstand und Sicherheit der koreanischen Halbinsel und der Welt» fördern. Das lässt auch Denis Rodman nicht kalt. Ganz im Gegenteil sogar, aber dazu später mehr.
«Kim ist ein awesome guy»
«Ich hielt Ju-ae im Arm und habe mit Kims Frau Ri gesprochen», sagte Rodman. Er sei ein guter Vater und habe eine wunderbare Familie. Und sowieso, «Kim ist ein awesome guy». Der tolle Kerl hielt bis vor kurzem zumindest den Teil der Welt in Atem, der sich gerne in Atem halten lässt. Kim, der im April 2012 seinem Vater an die Spitze der Macht in Nordkorea folgte, testete Atombomben, dass die Seismografen ausschlugen, und schoss Raketen übers Meer, dass die Japaner von Alarmen aus dem Bett gefegt wurden. Der Alarm stellte sich nachträglich als falscher heraus. Aber das Beispiel zeigt: Kim Jong-un und seinem Nordkorea hat die Welt auch die größten Dummheiten zugetraut.
In dieser Position steht die Leuchtende Sonne des 21. Jahrhunderts, wie einer von Kims Dutzenden Titeln in Nordkorea lautet, nicht alleine da. Donald Trump und seinen USA traut die Welt noch viel größere Dummheiten zu. Die anderthalb Jahre seiner Präsidentschaft geben allen Anlass, genau das zu denken. Seit Trump da ist, baut er die alte Weltordnung auseinander. Verträge werden gekündigt, ehemalige Freunde werden beleidigt, ehemalige Feinde hofiert.
Als Trump Nordkorea mit der Auslöschung drohte
Im vergangenen September sprach Trump vor der UN-Vollversammlung. Es war einer dieser Auftritte, nach denen den anderen Akteuren nichts blieb, als die Scherben aufzukehren, um nachher ernüchtert feststellen zu müssen, dass das alles nur mehr schwer zu reparieren sein wird. Trump hatte einen Grundkonsens, der im Herzen der Vereinten Nationen seit 70 Jahren Bestand hatte, zu Staub geredet: Er hatte einem ganzen Volk mit Auslöschung gedroht.
«Fire and Fury» sollten über Nordkorea kommen, sollte der «Irre» Kim nicht einschwenken und Trumps Anweisungen gehorchen. Trump hat damals ein Tabu gebrochen. Nachher haben sich Diplomaten getraut, Dinge zu sagen, die sie davor vielleicht nicht gesagt hätten. Sollte diese Rede irgendwann einmal als notwendiges Übel gesehen werden, um zu dem heutigen Friedensgipfel zu gelangen, sollte nicht vergessen werden, zu welchem Preis dieser erkauft wurde.
Auf CNN brechen sich die Tränen Bahn
Kims Tochter Ju-ae ist nun fünf Jahre alt, und ihr Vater hat soeben ein historisches Abkommen unterzeichnet. Nordkorea und die USA kommen sich näher. Zumindest haben sie das vereinbart. Man weiß es nicht erst seit dem G7-Gipfel vom vergangenen Wochenende in Kanada – ein falscher Satz, ein Tweet, und alles ist wieder über den Haufen geworfen.
Dennis Rodman war in der Zwischenzeit noch oft in Nordkorea. Auch nach Singapur, wo Trump und Kim sich trafen, war er gereist. Am Morgen schluchzt der Mann, der einst die NBA zum Fürchten brachte, bei CNN so sehr in die Kamera, dass dem Moderator das Gesicht fast entgleitet. Es ist ein emotionaler Auftritt von einem emotionalen Menschen. Es sieht danach aus, dass sich da ein Mann aufrichtig darüber freut, das Land, das er «so in sein Herz geschlossen hat», aus der Sackgasse treten zu sehen. Ein Schritt, zu dem er, wie er es selber sieht, einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet hat.
Die Welt spiegelt sich auch in diesem Bild
So spiegelt sich die Welt im Juni 2018 auch in diesem Bild. Auf CNN weint ein volltätowierter, 2,01 Meter großer Mann mit Piercings im Gesicht. Er hat eine dicke Sonnenbrille auf und muss sich die Krokodilstränen aus dem Gesicht wischen. Auf seinem Kopf sitzt eine Baseballkappe mit Trumps «Make America Great Again»-Spruch. Am Oberkörper ein T-Shirt, mit dem er Werbung macht für Pot-Coin, eine Kryptowährung für die in den USA stark wachsende Marihuana-Industrie. Im Jahr 2013 hat Pot-Coin das erste Mal eine Reise Rodmans nach Südkorea gesponsert.
Oder anders formuliert: Mit Gras-Geld gesponserter Basketball-Desperado führt den Psycho-Präsidenten der größten Weltmacht mit dem letzten Kommunisten-Outlaw-Diktator erst an einen Tisch und dann zum Frieden. Eine Geschichte, wie sie nicht einmal dem größten Kiffer im Plauderrausch einfallen könnte.
Top-Artikel, Felicitatiounen!!
Gutt geschriwwen, hu misse laachen. Eng Episode fir an ee Marvel-Comic!