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Misstöne

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In genau einer Woche übernimmt der Fußball die Themenhoheit in der Welt. Erstmals findet eine Weltmeisterschaft in Russland statt, was schon im Vorfeld für einige Misstöne sorgte, angefangen mit der skandalumwitterten WM-Doppelvergabe an Russland und Katar im Jahr 2010 und aufgehört mit den politischen Spannungen zwischen Russland und dem Westen.

Spätestens wenn der Gastgeber im Eröffnungsspiel auf Saudi-Arabien trifft, dürfte die Politik in den Hintergrund rücken. Misstöne wird es dennoch geben. Und zwar sportlicher Natur. Denn die 21. Weltmeisterschaft wird als erste in die Geschichte eingehen, bei der ein Videoassistent zum Einsatz kommt.

Auf den ersten Blick ist das keine so schlechte Sache, denn da es bei einer Weltmeisterschaft auch stets um Universalität geht, wurden (und werden) Schiedsrichter eingesetzt, die vielleicht nicht ganz das Niveau eines europäischen oder südamerikanischen Top-Referees haben. Wobei – das nur am Rande bemerkt – längst nicht nur die Unparteiischen aus den kleineren Fußball-Nationen für die großen Fehlentscheidungen der WM-Geschichte verantwortlich waren.

Solche gab es jedenfalls viele: das Wembley-Tor 1966 und umgekehrt der Lampard-Weitschuss im Achtelfinale 2010. Ohne die «Hand Gottes» wäre Argentinien 1986 vielleicht nicht Weltmeister geworden. Und 2006 wäre Italien bei einer korrekten Entscheidung im Achtelfinale ausgeschieden und nicht Titelträger geworden. Auf der anderen Seite wäre die Squadra Azzurra vier Jahre zuvor, ebenfalls im Achtelfinale, niemals gegen Gastgeber Südkorea ausgeschieden. Wäre, wäre Fahrradkette, würde Deutschlands Rekordnationalspieler dazu sagen.

Nur: Hätte es all diese Fehlentscheidungen mit Videobeweis nicht gegeben? Und macht der Videoassistent den Fußball gerechter?

Nach den Erfahrungen in der abgelaufenen Saison in Deutschland zu urteilen eher nicht. Dort lief die «Testphase» zehn Monate lang und provozierte fast jedes Wochenende wütende Reaktionen von den Beteiligten. Trotz Videobeweises gab es Fehler zuhauf und selbst zehn Monate Erfahrung konnten eine vielleicht spielentscheidende falsche Schiedsrichterentscheidung im Pokalfinale nicht verhindern. Beim Fußballweltverband FIFA testete man den Videobeweis bei der WM-Generalprobe, dem Confed-Cup 2017, und die Misstöne blieben nicht aus. Die Entscheidung, technische Hilfe bei der nächste Woche beginnenden WM einzusetzen, fiel erst im März und wirft die Frage auf, wie gut die Videoschiedsrichter aus unterschiedlichen Ländern geschult sind und wie sie zusammen funktionieren werden. Der Videobeweis riskiert also zum eigentlichen Aufregerthema der Weltmeisterschaft zu werden.

Dabei wäre eine grundsätzliche Debatte über technische Hilfsmittel im Fußball angebracht. Offensichtlich ist, dass der Videobeweis keine absolute Richtigkeit der Entscheidung garantieren kann. Zu schnell und komplex ist der Fußball in den letzten Jahrzehnten geworden. Gleichzeitig nimmt der Videoassistent dem Fußball ein Stück seiner Spontanität und seiner Originalität. Und er ist Gift für die Stimmung im Stadion.

Vielleicht kann der Videobeweis den Schiedsrichtern auf dem Rasen auf lange Sicht tatsächlich helfen, momentan ist er aber eher ein einziges Ärgernis. Davon kann sich die Welt ab kommendem Donnerstag überzeugen.