Eine richtige Flut an E-Mails galt es in den vergangenen Wochen zu bewältigen. Von jeder Webseite, jedem Club und jeder Firma, mit der ein Privatmensch in den letzten Jahren in Kontakt stand und auf deren Listen die persönliche E-Mail-Adresse vorkommt, gab es Post. Allen wurde mehr oder weniger lange vor (und nach) dem Stichdatum (25. Mai) bewusst, dass es zu handeln gilt. Die neuen europäischen Bestimmungen zum Datenschutz müssen eingehalten werden.
Den Anfang machten die Anwaltskanzleien vor etwa zwei Monaten. Interpretiert wurden die neuen Regeln jedoch von jedem anders. Die einen fragen um die Erlaubnis, den Namen und die E-Mail-Adresse (zu definierten Zwecken) in den Listen halten zu dürfen. Andere machten sich das Leben leichter und verschickten E-Mails, bei denen eine Nicht-Antwort als Zustimmung galt. Noch andere, vor allem größere Konzerne, nahmen eine tiefgreifende Überholung ihrer Datenschutzeinstellungs-Möglichkeiten in Angriff.
Die potenziell drohenden Geldstrafen bei Nichteinhaltung sind hoch: Satte vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes können sie eine Firma kosten. Auch die Luxemburger Datenschutz-Behörde soll innerhalb von zwei Jahren auf fast 50 Mitarbeiter aufgestockt werden, um die Einhaltung der Regeln überprüfen zu können.
Viele Unternehmen machen sich nun Sorgen. Sie sind neuerdings nämlich selbst dafür zuständig, dass in ihrem Geschäft ordnungsgemäß mit Daten verfahren wird. Jedes Unternehmen und jede Institution wurde somit gezwungen, sich Gedanken zu dem Thema zu machen – schon allein dadurch, dass das unbegründete Sammeln von Daten nun verboten ist.
Doch trotz all dieses Aufwandes auf beiden Seiten (Firmen und Privatpersonen) wird die aktuelle Direktive ihr hohes Ziel nicht erreichen. Wenn ein Verbraucher nämlich eine bestimmte Dienstleistung will – dann wird er gezwungenermaßen auch die betreffenden Datennutzungs-Bedingungen akzeptieren müssen. Bis die Unternehmen für ihre Dienstleistungen differenzierte Angebote (etwa eines gratis mit Datennutzung und eines kostenpflichtig mit vollem Datenschutz) vorlegen, wird noch viel Zeit vergehen. Auch die volle Kontrolle über das eigene Mobiltelefon oder darüber, welche Daten das Betriebssystem des eigenen Computers versendet, wird der Verbraucher nicht erhalten.
Ein weiterer, überaus ernsthafter Kritikpunkt, ist, dass die neuen Regeln zu mehr Intransparenz im Internet führen. Noch vor zwei Wochen war es jedem interessierten Surfer möglich, zu erfahren, wer der Besitzer einer spezifischen Internet-Adresse ist. Heute jedoch fällt dies in den Bereich Privatsphäre und die Daten werden geheim gehalten.
Doch trotz aller Kritik und aller Unvollkommenheit der neuen Regeln – allein durch das Erhalten der E-Mails wird den Verbrauchern bewusst, dass sie Rechte haben – und diese auch einfordern können. Das Thema ist den Wählern wichtig, wie Umfragen zeigen.
Nun gilt es noch, sicherzustellen, dass die neuen Regeln nicht einfach mit einem Schauprozess gegen Facebook enden, sondern dass die Privatwirtschaft aus eigenem Interesse die Chance wirklich nutzt, um das bereits verloren gegangene Vertrauen der Menschen wieder aufzubauen. Und dass die aktuellen Regeln in Zukunft weiter verbessert werden.
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