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Digitale Arbeitswelt unter der Lupe

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Die Menschen in Luxemburg haben vergleichsweise wenig Angst davor, durch den technischen Fortschritt ihren Job zu verlieren.

Auf 140 Seiten beschäftigt sich eine neue Studie mit der Digitalisierung. Kofinanziert wurde die Untersuchung vom Arbeitsministerium, der Arbeitnehmer- und der Handelskammer. Durchgeführt wurde sie von den deutschen Instituten ZEW und ISO. Ziel der Studie sei es, die Entwicklung der Digitalisierung und ihre möglichen Auswirkungen auf die Arbeitswelt aufzuzeigen und die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen vor dem Hintergrund der luxemburgischen Wirtschafts- und Arbeitsmarktstruktur zu diskutieren, heißt es in der Einleitung der Studie.

Für den Präsidenten der Arbeitnehmerkammer, Jean-Claude Reding, ist die neue Untersuchung gewissermaßen eine Ergänzung der Rifkin-Studie, die der amerikanische Autor für die Luxemburger Regierung angefertigt hatte und die kritisiert worden war, weil in ihr nicht genug über soziale Aspekte geschrieben worden sei. Das erklärte er am gestrigen Freitag bei der Präsentation der Studie im Arbeitsministerium. Die Wissenschaftler werteten einerseits bestehende Zahlenreihen aus, etwa jene des Statec, von Eurostat oder der OECD und führten qualitative Interviews mit 18 «Experten» aus verschiedenen Organisationen: Vertreter der Unternehmen und der Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Bildungseinrichtungen, Ministerien und Kammern.

Wurth: Digitalisierung macht mehr Flexibilität nötig

Die Zahlen zeigen, dass die Arbeitnehmer in Luxemburg mehrheitlich keine Angst davor haben, aufgrund des technologischen Fortschrittes in den nächsten zehn Jahren ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Lediglich 22 Prozent der Arbeitnehmer – 24 Prozent der Männer und 17 Prozent der Frauen – hatten in hohem oder in mittlerem Maße Angst, dass dies eintritt. Die Zahlen legen auch nahe, dass die Einwohner Luxemburgs sich überdurchschnittlich gut in der digitalen Welt zurechtfinden. 32 Prozent der Befragten gaben laut Eurostat an, über grundlegende digitale Kenntnisse zu verfügen. 54 Prozent besitzen diesen Zahlenreihen zufolge sogar höhere als grundlegende digitale Kenntnisse.

Für Handelskammer-Präsident Michel Wurth macht die Digitalisierung auch mehr Flexibilität nötig. In der Vergangenheit wurde den Arbeitnehmern seines Erachten nach – zu Recht – viel Flexibilität gewährt. So erhalten Eltern etwa Zeit, um sich um kranke Kinder zu kümmern, und müssten nicht arbeiten, obwohl sie selbst nicht krank sind. Mitarbeiter könnten auch während der Arbeitszeit Besorgungen machen. Im Gegenzug würden Arbeitnehmer auch am Wochenende schon einmal eine E-Mail beantworten. Für Wurth kommt es auf die richtige Balance an, die eine gute Atmosphäre in einem Betrieb ausmacht.

Herausforderung Plattformworker

Für Reding gibt es im Kontext der Digitalisierung eine Reihe von Themen, die es zu diskutieren gilt. Darunter sind: der Datenschutz, die Telearbeit, die Erreichbarkeit der Mitarbeiter rund um die Uhr sowie die Grenze zwischen Unabhängigkeit und Plattformworkern. Unter Letzteren versteht man Menschen, die über eine Internetplattform meist kleine Aufträge annehmen und erledigen. Oft haben sie keine umfassende Kontrolle über ihre Arbeitsgestaltung und die pauschale Kategorisierung als Mitarbeiter oder Freiberufler stellt Gesetzgeber sowie Gewerkschaften vor eine Herausforderung.

Ein Punkt der Studie, den auch Reding unterstreicht, ist die Verschiebung der gesundheitlichen Belastung der Arbeitnehmer. Weg von den Folgen einer körperlichen Belastung hin zu psychosozialen Problemen, die durch eine Verdichtung der Arbeit entstehen. Im Klartext: Roboter nehmen den Menschen die schwere Arbeit ab, dafür müssen Menschen aber immer mehr Daten aufnehmen und verarbeiten.

Frage nach neuen Steuersystemen

Die neue Studie (verfügbar auf der Internetseite des Arbeitsministeriums) enthält auch eine Reihe von Handlungsempfehlungen für Gesetzgeber und Unternehmen. So empfiehlt die Studie, dass «sozialpartnerschaftlich ausgehandelte Flexibilität oder neue Kompromisse für eine innovative Arbeitsorganisation» entwickelt werden. Allerdings seien hier auch gesetzliche Regeln zu formulieren, um der «Entgrenzung» der Arbeitszeit Einhalt zu gebieten. Einen größeren Nutzen würde «jedoch Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen zugesprochen, da diese einen gestalungsorientierten und partizipativen Konsens innerhalb des Betriebes anstreben».

Die Untersuchung diskutiert daneben eine Reihe neuer Steuern. Darin heißt es: «Diskutierte Steuerreformen im Kontext der Besteuerung der digitalen Wirtschaft umfassen sowohl Änderungen des herrschenden Systems als auch die Einführung grundlegend neuer Steuern.» Es sei allerdings problematisch, solche Steuern unilateral zu erheben, da sie «neue Handelsbarrieren einführen und digitalen Fortschritt hemmen könnten». Erwähnt werden, wenn auch sehr kritisch, u.a. eine Datensammelsteuer für Konzerne und eine Internetzugangssteuer. Ebenfalls diskutiert wird eine Quellensteuer auf digitale Transaktionen und eine Bit-Steuer auf Bandbreite.