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„Die Franzosen wollen unser Geld“

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Freud und Leid liegen oft nah beieinander. Vergangene Woche unterzeichneten Luxemburg und Frankreich ein neues Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Es ist das erste für Luxemburg, das konform ist mit internationalen Steuerprinzipien. Und ein weiteres Kapitel im Kampf des Landes um die Konkurrenzfähigkeit seines Finanzplatzes. Doch die Meinungen gehen auseinander. Besonders die Fondsbranche hat Bedenken.

Am vergangenen Dienstag herrscht große Zufriedenheit in Paris. Eben hat Luxemburg ein neues Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung abgeschlossen. Mit Frankreich, unserem großen, in Finanzfragen immer argwöhnischer auftretenden Nachbarn. Zuvor hatte es in Luxemburgs Finanzkreisen bereits rumort. Vor allem die Investmentfonds-Industrie befürchtete Schlimmes. Die Oppositionsparteien CSV und ADR sprangen auf den Zug auf. Die Sorgen sind auch eine Woche später nicht ausgeräumt. Es geht um Geld. Viel Geld.

Alle zusammen kritisierten sie die Verschwiegenheit von Pierre Gramegnas Finanzministerium in dieser Angelegenheit. Niemand wusste, was genau in den Papieren steht, die Luxemburgs Steuerverhältnis zu Frankreich maßgeblich regeln werden. Die Lobbyisten des Finanzplatzes wie ABBL (für die Banken) und ALFI (für die Fonds) bekamen erst genauen Einblick, nachdem das Finanzministerium eine Kopie des Vertrages online gestellt hatte. Das war am Freitag. Ihre Kommunikation gründete bis dahin auf einer Vorabversion ohne Gewähr, einem sogenannten «Draft». Ihre Reaktionen waren geprägt von Zweifeln. Die scheinen nicht ausgeräumt. Jetzt sind es ABBL und ALFI, die schweigen.

Wie die BEPS-Prinzipien das Business antreiben

Das in der Fachsprache Double Tax Treaty (DTT) genannte Abkommen ist für Luxemburg ein besonderes. Das wurden auch die Minister Pierre Gramegna und Etienne Schneider vergangene Woche in Paris nicht müde, zu betonen. Es ist das erste DTT, das Luxemburg abschließt und das konform ist zu den BEPS-Prinzipien der OECD. Es hat den Segen eines großen Landes wie Frankreich und soll als Blaupause für künftige Abkommen dieser Art dienen.

Das Akronym BEPS steht für Base Erosion and Profit Shifting. Die OECD ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Ihr gehören 35 Länder an, vor allem europäische, aber auch die USA, Kanada, Japan und einige mehr. Demnach ein Verein mit eher reichen Mitgliedern. Und Luxemburgs Halt, wenn es darum geht, seinen Finanzplatz und dessen Gewohnheiten vor EU-europäischen Regeln der Verschärfung zu schützen. Die OECD kann keinem Land Befehle erteilen. Wir sind hier im Bereich der Soft Governance, also der weichen Steuerungsinstrumente.

Luxemburg ist BEPS-Musterschüler. Was der BEPS-Aktionsplan ist, lässt sich einfach zusammenfassen. BEPS sind zehn OECD-Prinzipien, die Folgendes besagen: Wenn sich internationale Betriebe an verschiedenen Orten niederlassen, wo sie nicht produzieren, wollen wir den Beweis dafür haben, dass sie das nicht tun, um Steuern zu sparen.

Luxemburg als Musterschüler

Luxemburg setzt die Regeln fleißig um. Aus mehreren Gründen. Der erste lautet, dass sie einen Ausweg aus der Ecke der international Verschmähten bieten. Wenn es am Ende um schwarze oder graue Listen geht, kann Luxemburg kommen und sagen, schaut her, wir sind BEPS-konform, wir gehören auf die weiße Liste. Überlebenswichtig für das Land, solange keine tragfähige Alternative zum Geld aus dem Finanzplatz da ist.

Ein anderer Grund hat wiederum direkt mit den Investmentfonds in Luxemburg zu tun. Eine Branche, die in Luxemburg kaum ein Außenstehender überblickt, die aber für die Wirtschaftskraft des Landes von überragender Bedeutung ist. Eine Zahl dazu: In Luxemburg beheimatete Fonds verwalten Vermögen in einer Höhe von rund 4.200 Milliarden Euro. Übertroffen wird diese Summe weltweit nur von den USA.

Ucits und AIFMD

Fonds, die in Luxemburg aufgelegt werden, sind geregelt. Während bis vor kurzem vor allem sogenannte Ucits-Fonds das Wachstum der Branche antrieben, hat sich das Blatt im vergangenen Jahr gewendet. Eine historische Zäsur. Die der Ucits-Richtlinie unterliegenden Fonds (in die jeder investieren kann) wuchsen weniger stark als jene, die der AIFM-Direktive unterliegen (die sich nicht an Kleinkunden richten).

Beides sind EU-Direktiven. AIFMD steht für Alternative Investment Fund Manager Directive, Ucits für Undertakings for Collective Investment in Transferable Securities. Neben den Rechten, wer worin investieren darf, gibt es weitere Unterschiede. Bei Ucits wird das Produkt reglementiert, unter AIFMD der Manager des Fonds.

Die Fondsbranche florierte also zuletzt vor allem wegen der AIFMD-Fonds. Das sind vor allem Private-Equity-Fonds und Real-Estate-Fonds. Ucits-Fonds bilden weiter den Löwenanteil, die anderen aber wachsen schneller. Investiert wird dabei in Unternehmen, die nicht börsennotiert sind (gerne in Start-ups), beziehungsweise in Immobilien. Während bei Ucits vor allem in liquide Vermögenswerte investiert wird. Unter AIFMD ist das Risiko größer: Es sind höhere Gewinne möglich, aber auch höhere Verluste.

Über Strategie lässt sich streiten, sagt Gramegna

Die AIFM-Direktive bringt uns wiederum zurück zu den BEPS-Prinzipien der OECD. Die Direktive beinhaltet eine Klausel, die Letterbox Entities untersagt. Keine Briefkastenfirmen also. Was ja auch die BEPS-Prinzipien verlangen. In der Tat haben in den beiden vergangenen Jahren mehrere große Private-Equity- und Real-Estate-Gesellschaften jeweils um die 150 Mitarbeiter nach Luxemburg gebracht. Insgesamt gibt es in Luxemburg mindestens 250 AIFM, die die Finanzaufsichtsbehörde CSSF darauf hin geprüft hat, dass sie mehr sind als bloß eine leere Schale.

Im Alltag ist es so, dass die Investment-Entscheidungen nicht in Luxemburg getroffen werden. Luxemburg kann trotzdem hingehen und wie folgt für sich werben: Wir sind BEPS-konform, kommt her – ihr könnt sagen, hier habe ich meine Risikomanager, meine Buchhalter für die Fonds und jene, die auch die Investments in meinen Zielgesellschaften tätigen können, hier sind die Banken, die meine Investments finanzieren. Und wenn ihr genug Personal mitbringt, schaut mal bei der Steuerbehörde vorbei, was sich da machen lässt in Sachen Advanced Tax Agreement, also den durch LuxLeaks berühmt-berüchtigt gewordenen verbindlichen Steuervorbescheiden. Das ist, nicht nur in Luxemburg, Business as usual.

Unbehagen

Zurück zu den luxemburgisch-französischen Beziehungen, zurück zum neuen, erstmalig unter OECD-Standards zustande gekommenen DTT für Luxemburg. Zurück zu den Sorgen und Ängsten der Fondsindustrie Luxemburgs. «Die Franzosen wollen unseren Fondsplatz zerstören», sagt ein Kenner der Branche, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Das sei einfaches Geld, an diesen Topf wollten die Franzosen ran.

Wie er denken viele. Und wundern sich, wieso ein solches Abkommen, das als Muster für künftige dienen soll, ausgerechnet mit Paris unterzeichnet wird. «Plus que des voisins», hieß es während der Staatsvisite. Ja, vor allem Konkurrenten, heißt es vom Finanzplatz. «Über Strategie lässt sich streiten», sagte vergangene Woche Gramegna dazu.

Das Unbehagen hat seine Gründe. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA hat ihren Sitz in Paris. Vor kurzem versuchte sie, der CSSF und den anderen nationalen Aufsichtsbehörden in der EU ins Geschäft zu greifen. Wäre es nach ihr gegangen, würde die Entscheidung, welcher Fonds sich hier niederlässt, nicht mehr in Luxemburg getroffen, sondern in Paris. Der Wunsch wurde von den Europäern vorerst abgeschmettert. Die ESMA aber brachte es fertig, einen Fuß in die Tür zu drücken.

Vorteil von Paris, wenn es ums Lobbying geht

In Paris entscheidet die ESMA mittlerweile mit, wie viel Arbeit zum Beispiel ein britischer Vermögensverwalter, der in Luxemburg eine Verwaltungsgesellschaft gründet, zurück nach London delegieren darf. In dem Bereich ist die CSSF nicht mehr Herr im eigenen Hause.

Hier kommt der Brexit ins Spiel. Frankreich hat Ende vergangenen Jahres einen Coup gelandet, indem es die Europäische Bankenaufsicht (EBA) von London nach Paris lotste. Dort sitzt, wie beschrieben, bereits die ESMA. Gebündelte Kräfte demnach. Luxemburg wollte ebenfalls den Sitz der EBA haben. Verlor aber gegen Macron.

Und das hat seine Wichtigkeit. In der Branche geht es zu einem gehörigen Teil um Lobbying. Und für erfolgreiches Lobbying ist nichts wichtiger als Nähe. Nicht umsonst sitzen in Brüssel rund um die EU-Institutionen schätzungsweise mehr als 5.000 Lobbyisten.

Die Wichtigkeit der Nähe unterstreicht auch die Wirkung der Niederlassung der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt. Alle großen Banken folgten ihr, Frankfurts Bankenplatz boomte. «Für das Lobbying ist die Nähe zum Regulator von eminenter Wichtigkeit – überlebenswichtig», sagt ein anderer Branchenkenner. «Dieselben Restaurants, dieselben Bars, dieselben Veranstaltungen. So läuft das Geschäft mit dem Einfluss. Das Ganze ist ein eigenes Ökosystem, in dem musst du sitzen.»

«Auf den Brexit aufpassen»

Er sagt auch: «Auf den Brexit müssen wir aufpassen.» Weil die britischen Fondsgesellschaften die größten hier im Land sind. Wenn wir also nichts mehr nach London zurückdelegieren dürfen, ohne es in Paris vorzulegen, könnte sich, so die Befürchtung, bei britischen Asset Managern die Frage aufdrängen, wieso sie überhaupt noch in Luxemburg sein sollen. Wäre es nicht einfacher, in Paris zu sein, um Lobbying zu machen? «Hierum kreist das Spiel.» So laufe es, das sei die Wirklichkeit.

Eine knappe Woche ist seit der Unterzeichnung des DTT nun vergangen. Die Unklarheit besteht in vielen Bereichen fort. Und das trifft sogar die Experten des Finanzplatzes. Weder ABBL noch ALFI wollten am Montag kommunizieren. Ihre ersten Mitteilungen von vergangener Woche waren knapp, im Ton eher brüskiert gehalten.

Es ist eine komplizierte Materie. Es ist aber auch eine Materie, die für Luxemburg von großer Bedeutung ist. Auf die Details und die Stellungnahmen darf man gespannt sein. Doch eines sollte nicht vergessen werden: Ein Business wie unser Finanzplatz weckt Neid. Paris scheint ein Auge darauf geworfen zu haben.

BillieTH
27. März 2018 - 22.12

et avec l’attitude generale de complaisance que notre ministre de finances a montre les dernieres annees vis a vis OECD, G20 et EU, les francais ont tout le droit de penser qu’ils vont y arriver

C Schneider
27. März 2018 - 11.32

Das wissen die Luxemburger am besten, denn sie hüten ja die Milliarden der Franzosen

n der Parad
27. März 2018 - 6.22

Die lieben Franzosen....wollen im europäischen Orchester die erste Geige Spielen und pfeifen auf dem letzten Loch!