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Pervertierte Empörungskultur

Pervertierte Empörungskultur

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Was unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit passiert, ist wenig konstruktiv, sagt Dhiraj Sabharwal.

Empörung kann etwas Wunderbares sein. Spätestens seit dem Erfolg von Stéphane Hessels «Indignez-vous» ist Rebellieren selbst für Biedermänner ein Thema. Allerdings würde sich der arme Hessel täglich mehrere Male im Grab umdrehen, erlebte er mit, wie wenig sein Essay von verschiedenen Wutbürgern verstanden wurde.

Denn Hessel plädierte für mehr politischen Widerstand und Mut zum Formieren von sozialen Protestbewegungen. Allerdings wird Empörung unter dem Eindruck von Schlagwörtern wie «Fake News» und «Lügenpresse» oft nur noch als bitterböses Instrument genutzt, um in der digitalen Welt dem eigenen Frust und Hass freien Lauf zu lassen. Auch in Luxemburg. Blickt man sich bei uns auf verschiedenen Websites um, die sich einen harmlosen Anstrich geben, zeigen sich zum Teil haarsträubende Diskussions-Unkulturen. Man fordert Meinungsvielfalt – erträgt es aber nicht, wenn die eigene Meinung kritisiert wird. Es wird wegen jeder zweiten Posse mit dem Anwalt gedroht, Verleumdung geschrien und oft haarscharf an der Illegalität vorbei geschrieben.

Empörung ist angesichts der sozialen Ungleichheit und Ungerechtigkeit, die in diesem Land, in Europa und auf globaler Ebene dominieren, von höchster Bedeutung. Kein Zweifel. Allerdings darf Empörung nicht zu etwas verkommen, das Hessels Botschaft pervertiert: einem verantwortungs- und mitleidslosen Verhalten, das lediglich dem unreflektierten, bösartigen und unberechtigten Niedermachen des Gegenübers dient.

Grober Jean-Paul
22. November 2017 - 10.45

Empörung ist gut, glaube kaum, dass Hessels damit gemeint hat die Keule zu schwingen, wie in der Steinzeit. Empörung heißt auch sich zu engagieren um Ungerechtigkeiten beiseite zu schaffen. Die wenigen Empörer die ich bisher kennen gelernt habe konnten nur das Maul aufreißen.

Peter Mutschke
21. November 2017 - 20.54

Richtig Marek.
In Diktaturen wurde/wird man gezwungen das zu sagen bzw zu schreiben was den Machthabern passt.Ansonsten heißt es Schnauze halten bzw Schreibstift liegen zu lassen.Wenn ich sehe was für ein Mainstream herrscht ohne jeden Zwang.Das erinnert an die Blockwartmentalität von Zeiten die ich hoffte der Vergangenheit anzugehören.

marek
21. November 2017 - 16.31

normalerweise hätte dieser Artikel zu diesem Zeitpunkt mehrere User auf den Plan rufen müssen! Wo ich mich letzte Woche in einem Artikel gehörig verrannt habe, aber schlussendlich trotzdem mit Humor aufgenommen habe, andere User brutal auf mich verbal eingeschlagen haben, zeugt doch dass wir viele Feiglinge in unseren Reihen haben.

Marius
21. November 2017 - 14.47

Inmitten der europäischen Vielfältigkeit und seiner zivilisierten, kultivierten und scheinbar perfekten Gesellschaftsordnung, gilt es heutzutage als intellektuell und gesellschaftspolitisch korrekt, und in manchen Fällen sogar vorbildlich, seine intensivsten und persönlichsten Emotionen und Gefühle zu beherrschen, respektive zu unterdrücken, wenn es darum geht, sich kritisch mit unterschiedlichen Sachverhalten auseinanderzusetzen, seien es politische oder kulturelle Angelegenheiten, oder sogar persönliche oder gesellschaftspolitischem Inhalte.
Der ungeschriebene und anfänglich umstrittene Grundsatz, der im angelsächsischen Sprachgebrauch mit dem Schlagwort „political correctness“, umschrieben wird, hat auch im kleinen Großherzogtum lautlos Einzug gehalten und ist, wie zu erwarten war, auf gedämpfte Zustimmung gestoßen. Dieses kleine Land, das sich gerne menschenfreundlich und weltoffen gibt, hat sich seitdem mit diesem Prinzip zu arrangieren versucht. Wovon man angeblich nicht sprechen darf, darüber sollte man sich ständig empören, und es am Ende trotzdem sagen, meinte Hessel. Ratsam wäre es allemal in diesem Zusammenhang, auf die Lebensweisheit von Voltaire zurückzugreifen, der hierzu meinte: „Alles was du sagst, sollte wahr sein. Aber nicht alles was wahr ist, solltest du auch sagen“.