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Laut einem rezenten Artikel auf Pitchfork wechseln immer häufiger Indie-Bands zu Major-Labels. So geschehen dieser Tage mit den Neuveröffentlichungen von Arcade Fire, Grizzly Bear und LCD Soundsystem. Dies erkläre sich u.a. dadurch, dass die Major-Labels für viele Bands die letzte Rettung seien, wenn es darum gehe, im Zeitalter des Streamings zu überleben.

Statistisch gesehen benötigt man nämlich 1.500 Album-Streamings, um die gleiche Geldsumme zu erwirtschaften, die man mit einem einzigen Albumverkauf verdient. Wobei bei dem eingebrachten Geld noch eine Menge Unkosten abzurechnen sind, bevor der Musiker überhaupt etwas davon sieht. Logisch also, dass man auf dem sinkenden Schiff der Musikindustrie in die gepolsterten Rettungsboote der ersten Klasse flieht. Aber wo sollen diese überhaupt hin?

Nimmt man diese Gleichung nämlich genauer unter die Lupe, wird klar, dass in einem Zeitalter des Streamings auf Dauer nur die Musiker überleben können, die sich dem Mainstream annähern – und ihre künstlerische Kreativität dabei oft aufgeben. Züchten Internet und die Streamingdienste nun uniforme, unaufgeregte, risikolose Kunst?

Die amerikanische Kultband Brand New hat letztes Wochenende ihre voraussichtlich letzte Platte veröffentlicht – nach acht Jahren Wartezeit. Eine solche kreative Schaffenspause können sich heute nur die ganz Großen erlauben. Die anderen dürfen sich abrackern – und verdienen trotzdem kaum etwas. Dies ist umso bedauerlicher, da ein Künstler das Recht haben müsste, sich für ein Werk acht Jahre zu nehmen. Diese Zeit kann sich allerdings fast niemand mehr nehmen.

Nehmen wir ein lokales Beispiel. Mutiny On The Bounty sind weltweit bekannt. Ihre Platten werden in renommierten ausländischen Musikzeitungen besprochen und im Ausland vertrieben. Sie werden für wichtige Festivals gebucht. Am letzten Wochenende waren auf dem britischen Festival „ArcTanGent“ jede Menge Fans, die mit Mutiny-T-Shirts herumliefen. Trotzdem könnten die Bandmitglieder nach eigener Aussage niemals bloß von ihrer Musik leben.

Die Ursache liegt in einer sehr unbequemen Feststellung. Als es noch in den Kinderschuhen steckte, hat das Internet auf eine utopische Art und Weise den freien Zugang zu u.a. Musik und Filmen vorgegaukelt. Dass dies im Neoliberalismus nichts weiter als eine Utopie sein könnte, war damals gleich, man wusste ja noch nicht, wie sehr Internet und Marktwirtschaft miteinander verschmelzen würden.

Man ahnte nicht, wie sehr die Leute auf dem World Wide Web reden, lesen, flirten und einkaufen – kurzum: leben würden. Schnell hat man die Notwendigkeit des Einflechtens des Internets in die Marktwirtschaft eingesehen. Nur sind die Marktmodelle, die durch das Kollidieren der utopischen Freiheiten und Bereitstellungen des Internets und der Gier des Markts entstanden sind, einfach nicht kompatibel mit den Realitäten der Kunstszene.

Internet hat mit Myspace und Konsorten erheblich zur Demokratisierung und Vervielfältigung der Musikszene beigetragen. Aber die Myspace-Generation wird nun vor einen überfluteten Markt gestellt. Dass es vielleicht auch anders geht, zeigt wiederum das Beispiel von Brand New. Die haben nämlich überhaupt kein Label, ihre neue Platte ist trotzdem zurzeit in aller Munde – und scheint jetzt schon einem kommerziellen Erfolg versprochen.

Leonie
25. August 2017 - 9.32

Herr Schinker, war die Musikszene nicht von Gier geprägt als eine Cd noch 1000 Franken kostete? Machten damals die Künstler Musik der Musik willen oder um schnell und einfach reich zu werden?