Italien will ab sofort alle über das Mittelmeer kommenden tunesischen Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückschicken. Immigranten, die sich schon im Land befinden, sollen eine befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, mit der sie auch in andere EU-Staaten einreisen können. Das erklärte der italienische Innenminister Roberto Maroni am Donnerstag in Rom. Dieser Schritt könnte vor allem den Flüchtlingsstreit zwischen Paris und Rom verschärfen. Zahllose Tunesier dürften versuchen, von Italien nach Frankreich zu reisen.
Ein Dekret, das allen bis Mittwoch in Italien angekommenen Flüchtlingen eine zeitlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung gewährt, sollte Maroni zufolge noch am Donnerstag in Kraft treten. Dies erlaube den Flüchtlingen «Bewegungsfreiheit in ganz Europa.» Da die meisten von ihnen nach Frankreich wollten, wäre ein gemeinsames Vorgehen von Rom und Paris wünschenswert, sagte Maroni. Paris habe sich in dieser Frage jedoch bisher leider «feindlich» verhalten. «Schengen muss jedoch respektiert werden», erklärte der Minister.
Frankreich stellt sich quer
Die französische Regierung reagierte hart und erschwert die Bedingungen für die Einreise von Migranten. Tunesische Flüchtlinge, die in Italien eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis bekommen, können ab sofort nur nach Frankreich weiterreisen, wenn sie mehrere Auflagen erfüllen. Die Zeitung «Le Figaro» veröffentlichte am Donnerstag eine entsprechende Dienstanweisung des Innenministers.
Demnach müssen Betroffene auch einen Pass oder eine besondere Reiseerlaubnis vorweisen. Sie müssen außerdem über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, konkret über 61 Euro pro Person und Tag, und sie dürfen die öffentliche Ordnung nicht stören.
Wahlkampf-Thema für 2012
Die französische Regierung warnt vor einer massiven Einwanderung. Das Thema spielt auch im Präsidentschaftswahlkampf für die Wahl 2012 eine Rolle, der bereits begonnen hat. Am 26. Mai wird Staatschef Nicolas Sarkozy in Rom erwartet, um mit Ministerpräsident Silvio Berlusconi vor allem auch über die Migrationsproblematik zu sprechen.
Italien und Tunesien verständigten sich auch auf gemeinsame Kontrollen vor der tunesischen Küste, eine entsprechende Vereinbarung wurde Maroni zufolge am Dienstag in Tunis unterzeichnet.
Drama vor Lampedusa
In der Nacht zum Mittwoch waren bei dem Kentern eines libyschen Fischerboots bis zu 250 Menschen vor der italienischen Insel Lampedusa ertrunken, die auch Hauptanlaufpunkt für tunesische Flüchtlinge ist. Die Küstenwache von Italien und Malta suchte am Donnerstag weiter nach Überlebenden. Die Hoffnung, noch welche zu finden, sei aber gering, hieß es. Nach neuen Angaben des Hafenamts in Lampedusa wurden 53 Flüchtlinge gerettet.
«Alle Tunesier, die nach der Unterzeichnung des Abkommens in Italien ankommen, werden nach Tunesien zurückgeschickt», erklärte Maroni. «Auf dem Papier existiert diese Regelung bereits. Nun gilt es, sie in die Tat umzusetzen».
Rom unterstützt tunesischer Küstewache
Um die Küstensicherung in Tunesien zu verbessern, sagte Rom nach einem Bericht des Mailänder «Corriere della Sera» (Donnerstag) Tunis Fahrzeuge und Technik zu. So sollen weitere gefährliche Massenfluchten über das Mittelmeer verhindert werden.
Seit Beginn der Unruhewelle in Nordafrika im Januar flohen nach Angaben des Innenministeriums mehr als 22 000 vorwiegend tunesische Flüchtlinge auf die süditalienische Insel Lampedusa. Das kleine Eiland liegt nur 130 Kilometer von der tunesischen Küste entfernt.
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