Wenige Stunden, nachdem sie Ralph Steinman aus Kanada als Nobelpreisträger benannt hatte, erfuhr die Nobel-Jury: Der Forscher ist tot. Er wird dennoch geehrt. Auch ein Forscher aus Luxemburg bekommt die hohe Auszeichnung.
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Erstmals seit 50 Jahren bekommt ein Toter einen Nobelpreis zuerkannt. Die Jury in Schweden hatte den Immunforscher Ralph M. Steinman aus Kanada am Montag als Medizin-Nobelpreisträger benannt. Nach ihren Statuten dürfen Menschen eigentlich nicht posthum mit dieser hohen Auszeichnung geehrt werden. Die Juroren wussten jedoch nichts von Steinmans Tod drei Tage zuvor, als sie ihm am Montag den Nobelpreis zusammen mit dem gebürtigen Luxemburger Jules A. Hoffmann und dem US-Forscher Bruce A. Beutler zuerkannten.
Die Forscher erhalten den Preis für wegweisende Arbeiten zum Immunsystem, die zu Impfstoffen und Krebstherapien führten. Nach Angaben der Rockefeller-Universität in New York, an der Steinman forschte, starb er im Alter von 68 Jahren an Krebs. Vor vier Jahren sei bei ihm Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert worden. Er habe mit einer selbstentwickelten Immuntherapie auf Basis der von ihm entdeckten dendritischen Zellen sein Leben noch verlängern können.
Nach langer interner Diskussion erklärte die Stiftung am Montagabend, das Verbot der posthumen Auszeichnung beziehe sich nur auf eine bewusst in diesem Sinne getroffene Wahl. Die Juroren hätten die Entscheidung am Freitag um 14.30 Uhr getroffen, ohne von Steinmans Tod um 11.30 Uhr etwas zu wissen. Die Rockefeller-Universität teilte den Tod am Montag im Internet mit, kurz darauf tat dies auch die Nobelstiftung.
Letzte Posthum-Vergabe
Steinmans Angehörige bekommen umgerechnet rund 550 000 Euro, die Hälfte der Gesamtdotierung für den Medizin-Nobelpreis. Die andere Hälfte teilen sich Hoffmann und Beutler.
Der Ex-Sekretär des Physik-Komitees, Anders Baranyi, verwies auf die letzte posthume Nobelpreisbekanntgabe: Der schwedische UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld war im September 1961 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen und bekam den Friedensnobelpreis wenige Wochen später zuerkannt. Später wurden die Statuten für alle Nobelpreise so verändert, dass dies nicht mehr möglich war. In einem anderen Fall starb der gekürte Wirtschafts-Nobelpreisträger William Vickrey 1996 zwischen Zuerkennung und Verleihung.
Jahrelange harte Arbeit
Der Präsident der Rockefeller Universität, Marc Tessier-Lavigne, sagte zur Ehrung für Steinman: «Die Nachricht ist bittersüß, da wir diesen Morgen von Ralphs Familie erfahren haben, dass er vor wenigen Tagen nach einem langen Kampf gegen den Krebs gestorben ist. Unsere Gedanken sind bei Ralphs Ehefrau, Kindern und Familie.» Seine Tochter Alexis Steinman sagte: «Wir sind alle so berührt, dass die vieljährige harte Arbeit meines Vaters für den Nobelpreis ausgewählt wurde.»
Der Immunologe Steinman, der 1943 in Montréal geboren wurde, hatte bereits 1973 die dendritischen Zellen entdeckt. Sie präsentieren den T-Immunzellen Bruchstücke der Eindringlinge, so dass sie die Keime erkennen und spezifisch bekämpfen können. Danach behält das Immunsystem die Bruchstücke im Gedächtnis, so dass es beim nächsten Angriff schneller reagieren kann – auf diese Weise erwirbt sich der Körper im Laufe des Lebens ein Immunsystem mit spezifischen Waffen.
Forscher aus Luxemburg
Der 1941 in Luxemburg geborene Jules Alphonse Hoffmann und der US-Amerikaner Beutler werden für Arbeiten zur Alarmierung des angeborenen Abwehrsystems geehrt, wie das Karolinska-Institut mitteilte. Hoffmann, der in Luxemburg zur Welt kam, entdeckte in der Fruchtfliege das Gen namens Toll. Es wird zur Abwehr von Eindringlingen angeschaltet. Daraufhin entsteht das Toll-Eiweiß, das Krankheitserreger erkennt und das angeborene Immunsystem alarmiert. Der heute 53 Jahre alte Beutler, der an verschiedenen US-Universitäten forschte, entdeckte ein ähnliches Eiweiß in Mäusen und damit Säugetieren, das ebenfalls das angeborene Immunsystem aktiviert. Heute sind viele Toll-ähnliche Proteine bekannt.
«Die diesjährigen Nobelpreisträger haben unser Verständnis vom Immunsystem revolutioniert, indem sie Schlüsselprinzipien für seine Aktivierung entdeckten», erläuterte das Karolinska-Institut. Die Erkenntnisse sind nach Angaben der Jury in vieler Hinsicht nützlich, beispielsweise für bessere Impfstoffe, für Krebstherapien und für die Behandlung von Autoimmunkrankheiten.
Revolution in der Immunologie
«Mit dem Nobelpreis werden hier große Durchbrüche im Bereich der Immunologie gewürdigt», sagte auch der Präsident der Akademie Leopoldina, Jörg Hacker. Er freue sich, dass mit Jules Hoffmann, 1941 in Echternach (Luxemburg) geboren, der auch einmal an der Universität Marburg geforscht hat, ein aktives Leopoldina-Mitglied unter den Preisträgern sei. Zudem hatten alle drei Forscher schon eine Auszeichnung der Humboldt-Stiftung erhalten.
An diesem Dienstag und Mittwoch werden die Träger des Physik- und des Chemie-Nobelpreises benannt. Die feierliche Überreichung findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.
Daisy Schengens Laufbahn beim Tageblatt begann 2010 als Online-Redakteurin, später in der Lokalredaktion, bevor sie leitende Redakteurin des Magazin-Hefts wurde. Ihre Schwerpunkte umfassen die Themengebiete Gesundheit und Ernährung. Die gebürtige Bulgarin hat einen Magisterabschluss in Germanistik und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihrem Sohn lebt sie an der Mosel. Wenn sie nicht über Genuss und Gesundheit schreibt, widmet sie sich dem Tanz(-sport).
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