Zuerst die guten Meldungen: Die Branche der Schifffahrt ist in Luxemburg kein Stiefkind mehr – und das, obwohl das Land keinen Meereszugang hat.
Zum Neujahrsempfang in der Handelskammer am Dienstagabend kamen mehr als 160 Gäste. Sie vertreten Luxemburger Unternehmen, die alle direkt oder indirekt mit der Branche zu tun haben. Während die einen Schiffe betreiben, bieten die anderen ihnen Versicherungen, Kredite, Beratungen und andere Dienstleistungen an. Dazu zählt selbst die SES, welche die Kommunikation zwischen den Schiffen per Satellit ermöglicht.
Mit solch gut besuchten Veranstaltungen «ist es uns gelungen, zu zeigen, dass die Luxemburger Wirtschaft nicht nur aus Banken besteht», so einer der Gäste.
«Letztes Jahr haben wir an Visibilität und an Kredibilität gewonnen», unterstrich dann auch Freddy Bracke, Präsident des Luxemburger Schifffahrtsverbands «Cluster maritime luxembourgeois», in seiner Rede.
Visibilität und Kredibilität
Dabei denkt er unter anderem an den europäischen Dachverband der Schiffbesitzervereinigungen «European Confederation of Shipowners associations». Seit letztem Jahr ist Luxemburg durch «Fedil Shipping» in dem europäischen Verband vertreten. Bisher war Luxemburg nicht selbst, sondern mittels einer belgischen Schiffpatronatsvereinigung in dem Gremium präsent. «Jetzt haben wir unsere eigene Stimme» und können die Entwicklungen auf europäischem Niveau direkt mit verfolgen, so Freddy Bracke.
Daneben hat Luxemburg seit 2011 die Vizepräsidentschaft des Netzwerks der europäischen «Cluster maritimes.» «Das ist klever gespielt, für ein Land ohne Meereszugang», so Bracke. Vertreten wird Luxemburg in dieser Organisation durch Fabrice Maire, Mitglied des Verwaltungsrates des Luxemburger «Cluster maritime» und Direktor der Firma Socatra/Intershipping im Großherzogtum.
Zudem hat der noch relativ junge Schiffffahrtsverband Luxemburgs entschieden, in Zukunft enger mit dem größeren Verband «Cluster for logistics» zusammenzuarbeiten. Hintergrund ist, dass die «Schifffahrt eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung einer Politik für den Luxemburger Logistiksektor spielen will», so der Präsident des Verbandes.
Die Zusammenarbeit ermögliche zudem, mehr Mittel in die Analyse der Stärken und Schwächen des Sektors investieren zu können. Auch in Zahlen konnte der Sektor in Luxemburg zulegen. So ist die Anzahl der Schiffe, die unter Luxemburger Flagge über die Weltmeere kreuzen, auf 220 Stück angestiegen. Auf ihnen arbeiten zwischen 4.000 und 5.000 Matrosen.
Branche litt 2011
Trotz all dieser positiven Nachrichten für die Luxemburger Schifffahrt war 2011 eigentlich ein schlechtes wirtschaftliches Jahr für die Unternehmen der Branche. «Das Jahr war dramatisch und wir würden es gerne so schnell vergessen wie nur möglich», fasst Freddy Bracke die Stimmung zusammen.
Der Grund hierfür ist nicht in Luxemburg zu finden, sondern in der Entwicklung der Weltwirtschaft. Da 90 Prozent aller weltweit gehandelten Waren per Schiff transportiert werden, ist die Branche sehr anfällig für Konjunkturschwankungen.
Unstabile Preise
Letztes Jahr sei zwar besser gewesen als 2009 und 2010, als das Volumen der transportierten Tonnen drastisch einbrach, so Bracke. Das Vor-Krisen-Niveau ist dennoch nach wie vor nicht erreicht. Die Konsequenz seien hohe Preisschwankungen pro Tonne, was der Planung der Unternehmen nicht entgegenkomme.
Des Weiteren bedauert die gesamte Branche den frühzeitigen Rücktritt von Wirtschaftsminister Jeannot Krecké. «Er hat viel für den Sektor gemacht, und es ist wichtig, eine solche Person an Bord zu haben», so Freddy Bracke.
Während Jeannot Kreckés Amtszeit hat die Anzahl der in Luxemburg registrierten Schiffe deutlich zugelegt, der «Cluster maritime» wurde gegründet, und der gesamte Sektor hat es geschafft, als integraler Bestandteil der nationalen Wirtschaft wahrgenommen zu werden.
Minister mit maritimer Leidenschaft
Auch hatte der Minister eine klare Vision für den Sektor. Er wollte nicht, dass Luxemburg zur «Billigflagge» verkomme. «Entweder hat Luxemburg ein qualitativ hochwertiges Schifffahrtsregister, oder es hat keine Schiffe», war seine Devise. Nur so sei es möglich, dass sich die öffentliche Meinung im Falle eines Unfalls gegen die Branche drehe.
Auch der Chef der staatlichen Aufsichtsbehörde der Luxemburger Schifffahrt, Robert Biwer, bedauert, dass der zukünftige Wirtschaftsminister nicht die gleiche «Leidenschaft» für den Sektor empfindet wie sein Vorgänger. «Wir müssen nun dafür sorgen, dass auch er von dem Virus infiziert wird», scherzte er.
Daneben kündigte er eine größere Neuerung in der Piratenbekämpfung an. Seit September 2009 finanziert das Land zwei Flugzeuge, die die Küste vor Somalia überwachen und Ausschau nach Piraten halten.
Sicherheitsbeamte an Bord
Neu ist nun, dass Luxemburger Schiffe bewaffnete Sicherheitsbeamte an Bord nehmen dürfen, um die Schiffe gegen Piratenangriffe zu verteidigen. Bisher wurde die Auffassung vertreten, dass zivile Cargo-Schiffe nicht bewaffnet sein dürfen, um im Kriegsfall nicht versenkt zu werden.
Die Reeder dürfen jedoch nicht jedes Schiff bewaffnen, sie müssen konkrete Anfragen für konkrete Routen stellen.
Dass es einen Bedarf für solche Schutzmaßnahmen gibt, hat letztes Jahr gezeigt: Weltweit wurden insgesamt 231 Schiffe angegriffen, 450 Seemänner wurden entführt und 15 getötet. Nach wie vor werden 172 Matrosen auf zehn Schiffen vor Somalia als Geiseln gehalten. In Westafrika war letztes Jahr auch ein Luxemburger Schiff einem Piratenangriff zum Opfer gefallen.
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