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«Möwe» im Weltall feiert 75. Geburtstag

«Möwe» im Weltall feiert 75. Geburtstag
(dpa)

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Ein dreitägiger Raumflug macht Valentina Tereschkowa 1963 als erste Frau im All weltberühmt. Doch das Mädchen aus der russischen Provinz suchte nie das Licht der Öffentlichkeit.

Von einer Näherin in der russischen Provinz zur ersten Frau im Weltall: Die Geschichte der Kosmonautin Valentina Tereschkowa klingt wie ein modernes Märchen. «Ich habe schon als Kind von einer Reise zu den Sternen geträumt. Zur Not wäre ich auf einem Besen hingeflogen», sagte die Raumfahrt-Pionierin vor ihrem 75. Geburtstag an diesem Dienstag (6. März) einer Moskauer Zeitung.

In einem Wostok-Raumschiff startet Tereschkowa am 16. Juni 1963 vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan, mit Zwiebeln und Brot als Nahrung – und sehr nervös, wie sie Jahre später einräumt. «Ich durfte lange Zeit nichts erzählen. Weder, wie ich mich während des Fluges fühlte, noch, dass es technische Probleme gab.» Nach rund 49 Erdumrundungen in knapp 71 Stunden katapultiert sich die 26-jährige Abenteurerin in sieben Kilometern Höhe aus der Kapsel und landet am Fallschirm nahe Nowosibirsk. Tereschkowas Funkrufzeichen bringt ihr ihren bis heute währenden Spitznamen ein: Tschaika (Möwe). Bis zum Flug von Swetlana Sawizkaja 1982 bleibt sie die einzige Raumfahrerin.

Einfache Arbeiterin

Wohl niemand hatte der am 6. März 1937 in einem Dorf nahe der Wolga-Stadt Jaroslawl geborenen Tereschkowa an der Wiege gesungen, dass sie einmal Weltgeschichte schreiben wird. Ihr Vater fiel im Winterkrieg» mit Finnland, als sie drei Jahre alt war. «Da kein Grab existiert, hielt der sowjetische Geheimdienst meinen Vater lange für einen Überläufer und verweigerte mir als «Tochter eines Verräters» zunächst die Zustimmung zum Flug», erzählt sie.

Als Jugendliche arbeitet Tereschkowa zunächst in einem Reifenwerk, dann als Zuschneiderin in einer Fabrik. Ihre Leidenschaft gilt aber der Raumfahrt. «Ich wollte dem Himmel nahe sein. Daher begann ich mit Fallschirmspringen.» In der Abendschule erwirbt sie 1960 ein Technikerdiplom und bewirbt sich 1962 – im allgemeinen Hochgefühl nach dem Flug des ersten Kosmonauten Juri Gagarin – bei der Raumfahrtbehörde Glawkosmos.

Passendes «Kaderprofil»

«Es ist kein Geheimnis, dass die Sowjetunion im Wettlauf mit den USA aus Propagandagründen die erste Frau ins All bringen wollte», erzählt Tereschkowa. Eine einfache Arbeiterin aus der Provinz: Kremlchef Nikita Chruschtschow persönlich soll sie ausgewählt haben, weil das «Kaderprofil» stimmte, heißt es noch heute in Moskau. Auch die Heirat mit dem Raumfahrt-Kollegen Andrijan Nikolajew 1963 soll der Kreml angeordnet haben. Aber die Ehe, aus der Tochter Jelena hervorgeht, zerbricht. Ihr zweiter Mann, ein Chirurg, stirbt 1999.

«Trotz aller Rückschläge habe ich im Leben Glück gehabt», sagte Tereschkowa dem Fernsehen. Nach ihrem Flug blieb sie im Planungsstab der Raumfahrtbehörde und übernahm auch Ämter in der Kommunistischen Partei. Derzeit sitzt sie als Abgeordnete der Partei Geeintes Russland von Regierungschef Wladimir Putin im Rat von Jaroslawl.

Einziger Traum

Bis heute genießt Valentina Wladimirowna Tereschkowa hohes Ansehen in der russischen Bevölkerung. Bei gesellschaftlichen Anlässen ist sie aber selten zu sehen. «Ich spiele lieber mit meinem Enkel Alexej oder meiner Perserkatze», sagt die Jubilarin, die sich gerne auch Herrensakkos passend umschneidert. Einen Traum hat sie noch: «Ich würde gerne erleben, dass der Mensch auf dem Mars landet.»