Frankreichs mühsam restauriertes Fußball-Image ist nach dem beschämenden EM-Ende erneut ramponiert. Mit einer derben Schimpftirade hat Mittelfeldspieler Samir Nasri die Wunde von der WM 2010 wieder aufgerissen und der Grande Nation den nächsten Skandal eingebrockt. Franck Ribéry und Co. droht Liebesentzug durch die Öffentlichkeit und Chaos. Der Bayern-Star schlich nach der 0:2-Viertelfinalpleite gegen Titelverteidiger Spanien völlig niedergeschlagen als Letzter vom Platz, Trainer Laurent Blanc ließ in der Enttäuschung sogar seine Zukunft offen. «Welch eine Tristesse», schrieb «Le Parisien».
Nur zwei Jahre nach der französischen WM-Schmach von Südafrika rastete der frustrierte Nasri nach dem Schlusspfiff völlig aus. Auf die Bitte des Reporters um «eine Stellungnahme» fing er bereits an zu zetern, es würde immer nur «Scheiße» geschrieben. Als der Medienvertreter ihn daraufhin wüst zum Verschwinden aufforderte, bot der Profi von Manchester City erst an, die Dinge draußen zu regeln und verlor dann endgültig die Kontrolle über sich. «F… dich selber in den A…, geh deine Mutter f…», pöbelte der eingewechselte Nasri und bezeichnete den Journalisten als «Hurensohn». Als Nicolas Anelka 2010 den damaligen Trainer Raymond Domenech verbal angegriffen und das WM-Theater eingeleitet hatte, soll er ähnliche Worte gewählt haben.
Journalist erntet wüste Beschimpfungen
«Jetzt kannst du schreiben, dass ich schlecht erzogen bin», spottete Nasri zum Schluss seines Rüpel-Auftritts. Blanc empfand die Nasri-Affäre als «Respektlosigkeit» und als «sehr bedauerlich für sein persönliches Image und das der Nationalmannschaft.» Vor einer möglichen Verbandsstrafe soll der 24-Jährige angehört werden. «Nasri ist ein unheilbarer Wiederholungstäter», analysierte «Le Parisien». Bereits im Auftaktspiel gegen England (1:1) hatte er Ärger verursacht. Bei seinem Torjubel hatte Nasri aus Zorn über einen Zeitungsbericht den Zeigefinger auf die Lippen gelegt und einen Journalisten mit «Halt’s Maul» zum Schweigen aufgefordert.
Die französischen Kritiker werden in den kommenden Tagen nach der ersten Pflichtspielpleite gegen die keineswegs überzeugenden Spanier jedoch nicht verstummen. «Ein logisches Ende für machtlose Blaue», attestierte «L’Équipe» und titelte: «SOS Gespenster». Zu wenig Schwung entwickelte das defensiv gut organisierte Team von Nationaltrainer Laurent Blanc nach vorne. «Es ist traurig. Es ist bedauerlich, aber es ist halt Spanien», meinte Ribéry, «wir sind immerhin ins Viertelfinale gekommen, das ist Frankreich seit sechs Jahren nicht mehr gelungen.»
Die Niederlage «jetzt verdauen»
Mit müdem Schritt, seinen rot-weißen Schuhen in der Hand und dem Trikot von Andrés Iniesta über der Schulter verließ Ribéry nach der vierten verpassten Titelchance dieser Saison den Platz. «Wir müssen das jetzt verdauen und unseren Kopf hochnehmen», forderte er wenig später.
Wer die Mannschaft am 15. August bei der EM-Frustbewältigung im Testspiel gegen Uruguay und der anschließenden WM-Qualifikation mit erneuten Duellen gegen Spanien betreuen wird, ist dabei aber noch unklar. «Wir müssen alles im Detail analysieren», sagte Blanc und kündigte Gespräche für die «kommenden Tage» an.
«Nieten und dumm»
Die Verlängerung seines auslaufenden Vertrags galt nach dem Viertelfinaleinzug und dem damit erfüllten Verbandsziel eigentlich als Formsache. Die Undiszipliniertheiten Nasris, ein öffentlich gewordener Kabinenzoff und nur ein Sieg aus vier EM-Spielen hinterlassen jedoch nach verheißungsvollen Ansätzen mit zuvor 23 Partien ohne Niederlage einen verheerenden Eindruck.
«Die Mannschaft war wie betäubt, im Spiel des Teams hat es keine Reaktion gegeben. Schlimmer als ein Freundschaftsspiel», zürnte Welt- und Europameister Bixente Lizarazu nach dem K.o. gegen Spanien. «Im französischen Team sind der Intelligenzquotient und das Talent katastrophal», polemisierte der frühere Nationalspieler Jean-Michel Larqué in einer Radiosendung von RMC Sport vor dem Heimflug der Équipe, «sie sind Nieten und dumm.»
Hatem Ben Arfa, der nach einem Krach mit Blanc selbst vor dem Rauswurf gestanden haben soll, wollte gar nichts mehr hören, nur weg und ganz schnell in den Urlaub: «Wir müssen jetzt nach Hause gehen, uns entspannen – und diese Euro vergessen.»
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