Jens Voigt hat sein Motto auf seinem Fahrrad stehen. Unter dem Schriftzug „Shut up, legs“ sind einige Zahlen aufgelistet, wie z.B. 805.000 zurückgelegte Kilometer, 3.100 kg Pasta verzehrt, 100 Stürze, usw. So manchen würde der ständige Blick auf diese Zahlen vielleicht verzweifeln lassen, aber Voigt scheinen sie zu motivieren, wie man am Mittwoch sah. Nach der Etappe ließ er außerdem durchblicken, dass vielleicht noch einige Kilogramm Pasta hinzukommen könnten.
Seine Rennmaschine gibt Auskunft über „The Jensie“. (Bild: Tageblatt/Gerry Schmit)
Jens, das war wieder einmal großes Kino von dir. Ausgerissen, abgehängt, wieder aufgefahren und dann noch um den Etappensieg mitgestritten.
Jens Voigt: „Ich hoffe nicht, dass es bloß Kino war, sondern auch eine gute Leistung, hoffe ich. Aber das Ganze hat mich heute viel Kraft gekostet. Ich bin ziemlich knülle, muss ich sagen. Aber wir können auch nicht 20 Mann fahren lassen, ohne dass jemand von uns dabei ist. Im Colombier hatte ich richtig gelitten und war etwas abgehängt. Dann fand ich mich in der zweiten Gruppe wieder, als ich dann aber merkte, dass meine Mitstreiter noch kaputter waren als ich, habe ich versucht den Anschluss nach vorne zu finden. Das hat dann glücklicherweise auch geklappt.“
Wie ist das Finale der Etappe verlaufen?
„Der kleine Schlussanstieg zum Ziel, was eigentlich überhaupt kein Berg ist, war nach dieser langen und anspruchsvollen Etappe sehr schwer und ich war so kaputt … Ihr mögt euch gar nicht vorstellen, wie kaputt ich war. Der letzte Kilometer kam mir vor wie eine halbe Stunde. Zum Schluss habe ich die anderen etwas mehr Führungsarbeit leisten lassen, um noch eine kleine Reserve zu haben. Ich kam zum Schluss auch immer näher an Devenyns heran, doch ich wusste, dass Thomas Voeckler zu mir aufschließen würde und dass er noch sehr stark war.“
Hast du an den Etappensieg geglaubt?
„Ja klar, ich glaube eigentlich fast immer an mich. Das ist jetzt keine Arroganz, aber ich habe schon das eine oder andere Mal gesehen, dass es geklappt hat. Ich sage mir immer: du bist ein guter Fahrer und kannst gewinnen. Sonst bräuchte ich ja nicht mitzufahren.“
Auch als du abgehängt wurdest?
J.V.: „Ich bin ja schon ein, zwei Jahre dabei und wurde auch schon mal abgehängt. Doch ich habe in meiner Karriere auch schon gesehen, dass man zurückkommen kann. Das klingt jetzt zwar wie eine alte Platte, doch das Rennen ist erst hinter dem Zielstrich vorbei und bis dorthin kann sehr viel passieren. Man muss immer wieder versuchen, zurückzukommen. Aufgeben gibt es nicht. Heute hat es ja recht gut geklappt. Ein bisschen mehr Frische, dann wäre auch der Etappensieg drin gewesen. So war es ein toller Tag für die Mannschaft und ein sehr schöner Tag für mich.“
Neben dir hat RadioShack auch eine gute Mannschaftsleistung gezeigt.
„Ja, absolut. Wir waren mit vier Fahrern in der Gruppe der Favoriten vertreten. Ich glaube nicht, dass ein anderes Team so viele Fahrer vorne dabei hatte. Das stimmt natürlich auch für die nächsten Tage positiv. Speziell morgen (am Donnerstag) denke ich, dass wir mit dieser Mannschaft noch einige Karten ausspielen können. Ich werde mich morgen (am Donnerstag) verstecken und versuchen, irgendwie durchzukommen, aber wir haben fünf starke Fahrer, die etwas bewegen können.“
„Shut up, legs“
Dein Motto, das auch auf deinem Fahrrad steht, lautet „Shut up, legs“. Ein ganz passendes Motto für den heutigen Tag oder?
„Ja, ganz sicher, das habe ich heute mehr als einmal zu mir selber gesagt. Die Beine sagten immer wieder ‹lass mich in Ruhe, wir können nicht mehr.› Darauf antwortete ich dann: ‹Nein, nein, nein, ihr müsst schon noch ein bisschen weitermachen. Ein bisschen muss es noch gehen bei euch›. Aber wie gesagt, im Endeffekt war es ein sehr schöner Tag.“
Zu deinem Teamkollegen Frank Schleck hast du gesagt, dass du dich durch Zufall in der Gruppe wiedergefunden hast. Der glaubt aber nicht an so viele Zufälle …
„Naja, ich lebe jetzt schon seit 20 Jahren von diesen Zufällen. Immer wieder klappt es irgendwie mit diesem Zufall und ich bin auch sehr froh darüber.“
In den letzten Jahren konntest du deine Ausreißversuche nicht so umsetzen, da ihr immer auf das Gesamtklassement gefahren seid. War das heute so ein bisschen die Befreiung des wahren Jens Voigt?
„Ich hatte ja einmal den Titel ‹der Elvis der break-aways› und ich dachte mir, dass ich dem mal wieder gerecht werden muss und zeigen, dass ich noch nicht tot bin. Jetzt hatte ich eben zweimal wieder die Chance, fahren zu können, und die habe ich auch ganz gut wahrgenommen.“
Wie lange sehen wir den „Elvis der break-aways“ noch während der Rennen?
„Da muss man abwarten, aber im Moment wäre ich bekloppt genug, um noch ein Jahr dranzuhängen.“
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