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Spitzenstrom für den deutschen Markt

Spitzenstrom für den deutschen Markt
(Tageblatt/Fabrizio Pizzolante)

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Es ist eine der größten Baustellen des Landes. 155 Millionen Euro werden investiert. Bis zu 300 Arbeiter pro Tag sind dort beschäftigt. Das Resultat: In einem Jahr wird das Pumpspeicherkraftwerk der SEO in Vianden das drittgrößte in Europa sein.

Im Jahr 1959 wurde mit dem Bau begonnen. Seit 1964 ist das Pumpspeicherkraftwerk in Vianden aktiv. 1970 wurde vergrößert: Eine zehnte Maschine kam hinzu.

Das Kernstück der neuen Maschine mitten in einem Berg. (Bild: Tageblatt/Fabrizio Pizzolante)

Der Stausee

Im Gegensatz zum Stausee bei Esch/Sauer ist der Stausee vor Vianden nicht für Freizeitaktivitäten geöffnet. Innerhalb von kürzester Zeit kann der Wasserstand im Unterbecken um acht Meter fallen oder steigen, so Fernand Zanter. „Da entstehen Strömungen, die Boote anziehen können. Das ist gefährlich.“

Auch für Hochwasserschutz sei der Staudamm nicht geeignet, so der SEO-Direktor. Wir dürfen nichts am Lauf der Our verändern. Das Unterbecken wird nur dazu benutzt, um das Oberbecken mit Wasser zu füllen oder es zu leeren.

Derzeit wird wieder gebaut: Eine elfte Maschine kommt hinzu. Zu diesem Zweck wurden innerhalb der letzten zwölf Monate 150.000 m3 Gestein aus dem Berg geholt. 1.700 Meter Stollen wurden in den Öslinger Schiefer gebohrt.

«Stromveredelung»

Das Funktionsprinzip des Kraftwerks ist immer noch das gleiche wie vor 40 Jahren: Die SEO („Société électrique de l’Our) kauft günstigen Strom, wenn es einen Überschuss in den europäischen Netzen gibt. Diese billige Energie nutzt sie dann, um Wasser aus dem „Unterbecken“ (Staudamm der Our vor Vianden) in das sogenannte Oberbecken (künstlicher See auf dem Berg) zu pumpen. Steigt dann die Nachfrage nach Strom – und damit auch der Preis, dann wird das Wasser wieder in das untere Becken laufen gelassen. Dieser Wasserdruck treibt Turbinen an, und neuer, teurer Strom wird produziert.

„Wir nennen das Stromveredelung“, so Fernand Zanter, der für die Technik zuständige Direktor der SEO, gegenüber dem Tageblatt.

Börsenprodukt

Dabei gilt es zu bemerken, dass 25 Prozent mehr Strom für das Pumpen benötigt wird, als die Produktion nachher hergibt. Zudem – falls man das gesamte Oberbecken füllen will, dann dauert das Hochpumpen des Wassers sieben Stunden, während das Ablassen des Wassers nur vier Stunden in Anspruch nehmen würde.

Und auch wenn die Funktionsweise noch immer die gleiche ist, so ist die Arbeit heute dennoch anders als noch vor einigen Jahren. „Früher, in der alten Welt, produzierten Kohle- und Kernkraftwerke Strom rund um die Uhr“, erklärt Fernand Zanter. „Wir haben uns dann um den Ausgleich gekümmert, etwa wenn mittags zusätzliche Energie fürs Kochen, oder abends fürs Fernsehen benötigt wurde.“ Seit Beginn der Liberalisierung auf dem deutschen Strommarkt in den 90er Jahren „wird Strom täglich an der Börse gehandelt“, so Zanter.

Wandel

Dementsprechend „kann der Strompreis heute auch tagsüber billig sein.“ Ist das der Fall, dann schaltet die SEO ihre Maschinen an und pumpt Wasser ins Oberbecken. „Das ist heute eine ganz andere Arbeit“, so Zanter. „Wir pumpen und turbinieren 24 Stunden pro Tag – die Maschinen kommen jeweils nur sehr kurz zum Einsatz.“

Dieser Wandel entstand vor allem wegen der zunehmenden Produktion von erneuerbaren Energien in Deutschland. Da die Herstellung dieser Energien abhängig von Wind und Sonne ist, sind sowohl die Produktionsmengen – wie auch die Preise – viel volatiler geworden. „Es handelt sich um große Schwankungen, die sehr schnell kommen können – dadurch müssen wir die Produktion deutlich mehr regulieren.“

Gleichzeitig sei auch die Preisdifferenz zwischen teurem und billigem Strom in den letzten Jahren deutlich kleiner geworden, so Zanter.
Doch um den Strompreis, wie auch um den Verkauf des produzierten Spitzenstroms, muss sich die SEO keine Gedanken machen. Sie verkauft keinen Strom. Alles, was sie produziert, wird automatisch an den deutschen Energiekonzern RWE geliefert. „Die bestimmen dann, wo der Strom eingesetzt wird“, so Zanter. „Wenn das O.k. aus Deutschland kommt, dann starten wir die Turbinen.“

Seit Beginn der Aktivitäten fließt der gesamte in Vianden produzierte Strom ins Nachbarland. „Wir sind nur an das deutsche Netz angeschlossen – und somit auch an das europäische“, erklärt Fernand Zanter.

Unklar ist, wie viel RWE an der SEO verdient

Für die RWE war Vianden schon damals ein interessanter Standort, um ein Pumpspeicherkraftwerk zu bauen, so Zanter. Es „gibt nur wenige Orte, wo es ein Ober- und ein Unterbecken gibt, und wo das Gefälle zwischen beiden steil genug ist“, damit das Wasser Turbinen antreiben kann. Zudem war das Ourtal damals nur sehr spärlich bewohnt. Insgesamt mussten für den Bau des Staudammes nur eine Handvoll Häuser in Bivels neu gebaut werden.
Im Gegenzug für den gelieferten Strom muss RWE für alle Kosten der SEO aufkommen. Der Konzern hat alle Investitionen finanziert.

Diese besondere Art der Zusammenarbeit basiert auf einem Staatsvertrag Luxemburgs mit Rheinland-Pfalz und der RWE. Der Vertrag legt für 99 Jahre fest, wie der Grenzfluss genutzt werden soll. Auf Basis dieses Staatsvertrages hätte in den 70er Jahren auch das in Remerschen geplante Atomkraftwerk – ebenfalls zusammen mit RWE – gebaut werden sollen. Dazu kam es jedoch nicht.

Produktion

Wie viel Geld RWE schließlich mit dem Strom aus Vianden verdient, ist der SEO nicht bekannt. „Wir sind um die Produktion bemüht“, so Zanter. „Beim Gewinn, den wir ausschütten, handelt es sich um eine fest definierte Dividende. Das sind etwa zwei Millionen Euro im Jahr.“

Die wichtigsten Aktionäre der SEO sind der Luxemburger Staat und der Energiekonzern RWE. Beide halten je 40 Prozent der Anteile.

Neuerungen

„Für RWE jedoch sind wir das größte Pumpspeicherkraftwerk“, so Zanter. „Zudem sind wir schnell, flexibel, und die Kosten stimmen. Innerhalb von ein bis zwei Minuten können wir (mit den Maschinen 1-9) rund 900 MW ins Netz speisen.

Mit der neuen elften Maschine, die derzeit gebaut wird, kommen neben den bautechnischen Herausforderungen auch noch verwaltungstechnische Neuerungen auf die SEO zu. Die neue Maschine wird nämlich zur Hälfte von dem Luxemburger Energiekonzern Enovos finanziert. Gemeinsam mit RWE teilen sich beide dann den dort erzeugten Strom.

Der Drittgrößte auf der Welt

Aus bautechnischer Sicht muss, neben den Stollen und der Kaverne im Berg für die Maschinen, auch das Oberbecken erweitert werden. Zu den 6,8 Millionen m3 Fassungsvermögen kommen weitere 0,5 Millionen m3. Zu diesem Zweck wird eine Art Mauer rund um das Becken gebaut.

Anfang 2010 wurde mit den Arbeiten begonnen – Mitte 2013 soll die Maschine in Betrieb genommen werden.
Durch die elfte Maschine wird in Vianden eine zusätzliche Produktionskapazität von 200 MW hinzukommen. Damit wird das Werk der SEO in Vianden (mit einer gesamten Kapazität von 1.300 MW) von der Nummer vier zur Nummer drei in Europa aufsteigen.

Stromlieferanten

Das größte Pumpspeicherkraftwerk Europas, mit einer Kapazität von 1.820 MW, steht in den französischen Alpen, das zweitgrößte in Wales, Großbritannien. Überholen wird die SEO die derzeitige Nummer drei in Europa, ein italienisches Werk mit einer Kapazität von 1.200 MW. In der gesamten Branche gibt es derzeit sehr viel Bewegung. Europaweit sind etwa 50 neue Pumpspeicherwerke im Bau oder in der Planung. Sie werden für den Erfolg der Energiewende benötigt. Strom kann man nicht speichern – Wasser schon.

Doch die SEO ist mehr als nur das Werk in Vianden. Insgesamt beschäftigt sie 200 Mitarbeiter – davon 140 in Vianden. Etwa 35 Mitarbeiter sind in der Verwaltung in Luxemburg-Stadt tätig.

Zur SEO zählt seit 2003 noch eine gemeinsame Tochtergesellschaft mit Enovos, Soler, die Windanlagen in Luxemburg plant und betreibt.

Daneben betreibt das Unternehmen noch zehn Laufwasserkraftwerke, etwa in Schengen, Rosport und Grevenmacher.
Doch viele der Luxemburger Laufwasserkraftwerke produzieren im Sommer nicht, da dann oft nicht genügend Wasser im Fluss ist.