«Ich will Mittal nicht mehr in Frankreich haben», heißt der Titel in der Montagausgabe der französischen Wirtschaftszeitung «Les Echos». Frankreichs Minister für den Erhalt industrieller Arbeitsplätze, Arnaud Montebourg, greift das Unternehmen ArcelorMittal mit der Aussage frontal an. ArcelorMittal sei nicht vertrauenswürdig. ArcelorMittal habe alle Abmachungen gebrochen, die das Unternehmen jemals mit Frankreich getroffen habe, wirft Montebourg dem Konzern vor. Seine Schlussfolgerung: Man müsse ArcelorMittal in Frankreich verstaatlichen. Der Aussage schließen sich mittlerweile in Lothringen alle Politiker, sowohl von rechts als auch von links, an.
Die Folge: Die französischen Fernsehsender und auch Rundfunksender sind am Montag früh bereits zu eine halben Tatsachen-Berichterstattung übergegangen. «Der Standort ArcelorMittal in Lothringen wird möglicherweise verstaatlicht», berichtet der Fernsehsender LCI in seiner Nachrichtenaufmachung am Morgen.
Verstaatlichung
In der vergangenen Woche bereits hatte Montebourg bereits eine Verstaatlichung gefordert. Da gab es noch ein halbes Dementi von Arbeitsminister Michel Sapin, der an die Zeit von 1981 bis 1983 in Frankreich erinnerte und sagte: «Es ist nicht mehr die Zeit der Verstaatlichungen.»
Seit letzter Woche hat sich die Situation verschärft. Warum?
Die beiden Hochöfen in Florange, die in Wirklichkeit in Hayange stehen, sind eher kleinere Hochöfen mit einem Produktionsvolumen von etwa zwei bis 2,5 Millionen Tonnen. Sie sollten einem Plan des Herstellers Arcelor aus dem Jahre 2002 zufolge bereits im Jahre 2002 stillgelegt werden. Nach der Fusion von Mittal Steel und Arcelor hatte das neue Unternehmen die Fortführung beschlossen. Mit der Stahlkrise, die seit 2008 andauert, geriet Florange wieder in das Blickfeld des Konzerns. Mit einer Überschuss-Produktion von 50 bis 70 Millionen Tonnen Stahl in Europa schloss ArcelorMittal sieben seiner 25 Hochöfen in Europa. Die Hochöfen in Florange wurden vor 14 Monaten «schlafen» gelegt. Im Oktober 2012 beschloss das Unternehmen, sie endgültig zu schließen.
Kaufinteressenten
Minister Montebourg stand damals vor den Arbeitern der Hochöfen und sprach von einem Machtkampf mit ArcelorMittal. Er forderte von dem Unternehmen drei Monate, um die beiden Hochöfen verkaufen zu können. ArcelorMittal bewilligte zwei Monate, fügte den Hochöfen die Kokerei und das Stahlwerk hinzu, um eine Einheit zu schaffen, die verkaufbar ist.
Es war absehbar, was nun eingetreten ist. Gerüchten zufolge hat die französische Regierung zwei Kandidaten, die sich für Florange interessieren. Der Präsident der französischen Nationalversammlung bestätigte das Gerücht am Montag früh in einem Fernseh-Interview. Allerdings: Die beiden Kandidaten fordern zusätzlich den Verkauf einer Walzstraße, damit das Werk wirtschaftlich betrieben werden kann. ArcelorMittal weist das zurück. ArcelorMittal hat gegenüber Tageblatt.lu auch erklärt, dass man den dort erzeugten Stahl nicht abnehmen werde. Den Gerüchten zufolge soll es sich bei den beiden Unternehmen, die sich für Florange interessieren, um Severstal aus Russland und um Ascometal aus Frankreich handeln. Severstal hat mit ArcelorMittal noch eine Rechnung offen: Severstal war in der Phase der Übernahme als «weißer Ritter» für Arcelor aufgetreten, was die Aktionäre allerdings abgelehnt hatten.
Ascometal gehört einem Risikokapitalfonds. Das Unternehmen ist in den 90er Jahren aus dem damaligen Staatskonzern Usinor ausgegliedert und an den italienischen Lucchini Konzern verkauft worden, der Ascometal dann an einen Fonds abgab. Nicht auszuschließen, dass hier eine «patriotische» französische Bestrebung mitspielt, die darauf aus ist, den alten Usinor Konzern wieder zu beleben, der ursprünglich in Arcelor aufgegangen war.
Allerdings lässt sich hier keine industrielle Philosophie feststellen. Ascometal arbeitet im Bereich der Langstahl Spezialstähle. Florange ist eine Flachstahl-Fabrik, die vornehmlich für Automobilhersteller produziert.
Enteignung
Französische Politiker spielen derzeit das Szenario der Enteignung von Florange durch. Diese Enteignung soll nur zeitweilig erfolgen. Zusammen mit einem industriellen Partner soll Florange dann modernisiert werden. Die Kosten sind von einem von der französischen Regierung bestellten Gutachter auf bis zu 500 Millionen Euro in einem Zeitraum von bis zu vier Jahren beziffert worden.
Das Pokerspiel geht bis zum Ende der Woche. ArcelorMittal geht immer noch davon aus, dass am Ende der Woche die Sozialplanverhandlungen für die 624 Mitarbeiter beginnen werden, die die beiden Hochöfen bis vor 14 Monaten betrieben haben.
Eine Enteignung ist möglich, weil die gesamte Anlage Florange als eigenständiges Unternehmen, dessen Kapital von ArcelorMittal gehalten wird, beim Handelsgericht in Nancy eingetragen ist.
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