Oprah Winfrey und Lance Armstrong kamen in ihrem mit Spannung erwarteten TV-Interview ohne Umschweife gleich zur Sache. Kein seichtes Abtasten, das Thema Doping spielte sofort die Hauptrolle – und Armstrong gestand umfassend. Nach über 13-jährigem Leugnen riss der Texaner die Mauer des Schweigens und Leugnens ein und gab jahrelanges Doping unter anderem mit EPO, Eigenblut, Kortison und Wachstumshormonen zu. Bei allen sieben Tour-de-France-Siegen zwischen 1999 und 2005 hätte er unerlaubte Mittel genommen. «Es ist zu spät und das ist mein Fehler», zeigt sich Armstrong einsichtig. «Die ganze Story war einfach über lange Zeit hinweg so perfekt und mythisch. Aber es war nur eine große Lüge.» Er habe sich selbst in diesem ganzen Lügengebilde verloren.
Den Weltverband UCI nahm er aber gegen Korruptionsvorwürfe in Schutz. Armstrong stritt ab, dass ein positiver EPO-Test während der Tour de Suisse 2001 vom Dachverband verschleiert worden sei. Teamkollegen hatten zuvor ausgesagt, Armstrong habe im Gegenzug der UCI 125 000 Dollar gespendet. «Die Geschichte ist nicht wahr», betonte Armstrong. «Es gab keine positive Probe, keine Bestechung des Labors, kein geheimes Meeting mit dem UCI-Chef», sagte er. «Manche Dinge waren vielleicht dubios, aber das hier nicht.»
Mit Doping zum TdF-Sieger
Bei der Ausstrahlung des ersten Teils des Gesprächs am Donnerstag (Ortszeit) gab der mit Jeans und Sakko ganz in blau gekleidete Ex-Radprofi Doping von Mitte der 90er Jahre bis 2005 zu. Seine Antworten wirken jedenfalls wohl überlegt. Sowohl er, wie auch Winfrey haben sich gut vorbereitet. In seinen Comeback-Jahren 2009, als er noch einmal Dritter bei der Tour geworden war, und 2010 (23. in Paris) sei er aber «clean» gefahren, sagte der Texaner weiter. Die Doping-Kontrollen zu dieser Zeit seien effektiver gewesen.
Dass, so wie im Usada-Bericht festgehalten, US Postal das ausgeklügeltste Dopingsystem der Sportgeschichte aufgebaut hätte, bestreitet Armstrong. «Es war sicherlich ein cleveres System aber es brachte auch Risiken mit sich. Und es hatte sicherlich nicht die gleichen Ausmaße wie das Dopingsystem in der DDR.» Über einige Vorfälle, die sein ehemaliger Teamkollege Tyler Hamilton in seinem Buch beschreibt, kann sich Armstrong nicht erinnern, er habe das Buch auch nicht gelesen. So weiss er z.B. nicht mehr, ob sie die gebrauchten Spritzen in leeren Cola Dosen versteckten. Die spektakuläre Moto-Man Geschichte, der das Team mit EPO belieferte bestätigte er jedoch.
Über seinen Arzt Michele Ferrari wollte sich der Texaner nicht äußern. Er beschreibt ihn aber als guten und klugen Mann. «Verschiedene Leute, die mit der ganze Geschichte in Verbindung gebracht werden, werden als Monster dargestellt. Doch das sind sie nicht.»
Brav und gefasst
Jahrelang hatte der Hartgesottene auf Doping-Verdächtigungen mit Prozessen geantwortet – am Donnerstag wirkte er ganz brav und gefasst. Er entschuldigte sich sogar bei seiner ehemaligen Physiotherapeutin Emma O’Reilly, die er verklagt und übel beschimpft hatte. Die Irin gehörte zu den 26 Zeugen, die in der Anklage der US-Anti-Doping-Agentur USADA gegen Armstrong ausgesagt hatten.
USADA-Chef Travis Tygart nannte die Beichte einen «kleinen Schritt in die richtige Richtung». Armstrong habe «endlich zugegeben, dass seine Radsport-Karriere aus einer kraftvollen Kombination aus Doping und Betrug» bestanden hatte. Erledigt sei die Affäre für den Ex-Profi aber noch nicht. Wenn es Armstrong ernst damit sei, «seine Fehler zu korrigieren, muss er unter Eid ein vollständiges Geständnis seiner Doping-Aktivitäten» ablegen.
«Ein arroganter Sack»
«Ich sehe in den Mienen der Menschen den Zorn über den Verrat, den ich an ihnen begangen habe. Ich werde den Rest des Lebens mit dem Versuch zubringen, Vertrauen zurückzugewinnen und mich bei den Leuten zu entschuldigen», sagte der tief gefallene Radsport-Held, der lebenslang gesperrt wurde und alle seine Tour-Siege verlor.
Dieser «unbändige Wunsch zu siegen um jeden Preis wurde zur Macke, zur Charakterschwäche – ich war ein arroganter Sack», analysierte sich Armstrong selber. Er habe sich nicht als Betrüger gesehen. Dopen sei für ihn so selbstverständlich gewesen wie «Reifen aufpumpen».
Späte Doping-Beichte
Sein Geständnis komme «zu spät», erkannte er. «Ich sehe die Lage als eine große Lüge. Die Wahrheit lautet anders, als alles was ich gesagt habe», erklärte der scheinbar geläuterte Ex-Champion, der in einem Hotel in seinem Heimatort Austin/Texas am vergangenen Montag interviewt worden war. Es hätte in seinem Leben zwei Ausnahmesituationen gegeben: Seine Krebserkrankung 1996 und seine Lage als demaskierter Betrüger und Doper jetzt.
Armstrong geht davon aus, dass es ohne Doping gar nicht möglich sei, die Tour siebenmal zu gewinnen. Allerdings wollte der Texaner nicht behaupten, dass zu der damaligen Zeit alle Fahrer gedopt gewesen seien. «Ich kannte ja nicht jeden, kann das also nicht so sagen», meinte er.
Doping-Kultur im Radsport
Zudem stritt er ab, jemanden unter Druck gesetzt zu haben zu dopen, wie ihm zuletzt von mehreren ehemaligen Teamkollegen vorgeworfen wurde. Der einstige Dominator habe die «Doping-Kultur des Radsports nicht erfunden, aber auch nicht versucht, sie zu beenden. Der Sport zahlt jetzt den Preis dafür», sagte er weiter.
In der kommenden Nacht wird der zweite Teil des Interviews ausgestrahlt.
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